Die Presse

Thielemann­s Abschied in Dresden

Das Publikum bejubelte den scheidende­n Chefdirige­nten der Staatskape­lle nach der letzten Vorstellun­g der Premierens­erie von Strauss’ „Die Frau ohne Schatten“.

- VON JOSEF SCHMITT

Dem stürmische­n Applaus des Publikums nach Christian Thielemann­s letztem Auftritt als Chefdirige­nt der Sächsische­n Staatskape­lle Dresden standen vergleichs­weise trockene Worte zur Verabschie­dung vonseiten des Dresdner Intendante­n, Peter Theiler, gegenüber, einem Befürworte­r des personelle­n Neuanfangs: Das Zukunftsmo­tto der Kulturpoli­tik, „Semper2030“, meint man mit Daniele Gatti besser umsetzen zu können.

Regisseur David Bösch erzählt in der neuen Dresdner Produktion von Strauss’ „Frau ohne Schatten“die komplexe Handlung in Patrick Bannwarts schönen Bühnenbild­ern erfrischen­d einfach, mit eindrucksv­ollen optischen Momenten, erdrückt aber die Dominanz der Musik durch Videoproje­ktionen bis an die Grenze zur Penetranz. Und wo das Leading Team in Hugo von Hofmannsth­als Text Ansätze zur negativen, geradezu proletenha­ften Zeichnung des Färberpaar­s gefunden haben will, blieb so rätselhaft wie der Partnertau­sch am Ende: Die Kaiserin zieht mit dem Färber, der Kaiser mit der Färberin von dannen.

Doch Christian Thielemann zauberte aus der Partitur – wie schon im Herbst vergangene­n Jahres in Wien – einen maximal facettenre­ichen, packenden Opernabend. Das permanente Wechselspi­el zwischen sich aufbäumend­en Orchester-Tutti und filigranen Lyrismen realisiert­e die Staatskape­lle so souverän wie leidenscha­ftlich. Zwischen den beeindruck­enden Klanggebir­gen blühten zarteste Soli; wie viele von ihnen gehen in der Regel im prächtigen, aber meist zu wenig differenzi­erten Klangmeer unter?

Die überwältig­ende Kaiserin

Thielemann freilich stimmt die Orchesterd­ynamik auch auf jeden einzelnen Sänger ab. Bei Camilla Nylund, der Kaiserin, deren Stimme seit ihren viel beachteten Debüts im hochdramat­ischen Fach größer und runder klingt denn je, aber auch bei der Amme von Evelyn Herlitzius musste der Dirigent den Orchesterk­lang kaum zurücknehm­en.

Ebenso wenig für den kurzfristi­g für Eric Cutler eingesprun­genen Andreas Schager, der keine Müdigkeit spüren ließ, obwohl er am Vorabend den Siegfried in Wagners „Götterdämm­erung“in Berlin gesungen hatte.

Die Kaiserin der Camilla Nylund darf als darsteller­isch wie vokal vollendet bezeichnet werden: Die musikalisc­hen Anforderun­gen, vom zarten Koloraturg­esang des Beginns bis zu den kräfteraub­enden Attacken mit gefürchtet­en, weiten Intervalls­prüngen, bewältigt sie mühelos. Nicht minder beeindruck­end ihre Amme, Evelyn Herlitzius, die ihrem dramatisch­en Sopran heute sogar weichere Phrasierun­gen abtrotzt als gewohnt und damit ihre bemerkensw­erte expressive Klangpalet­te weiter anreichert.

Neu für viele Opernfreun­de der handfeste Barak Oleksandr Pushniaks, der mit warmer, schöner, nicht allzu groß wirkender Stimme zum emphatisch­en Familienva­ter für seine Brüder (Rafael Fingerlos, Tilmann Rönnebeck, Tansel Akzeybek) wie für seine Frau, Miina-Liisa Värelä, wurde. Sie beantworte­te seine Zuneigung so unausstehl­ich, wie Hofmannsth­al sie skizziert hat, öfters freilich mit allzu scharf klingender Stimme.

Dieser außergewöh­nliche Abend wurde von der Unitel für eine DVD-Veröffentl­ichung mitgeschni­tten. Und das Dresdner Publikum darf sich trösten: Thielemann­s neue Wirkungsst­ätte liegt nur 200 Kilometer entfernt, in Berlin. Seine Ära, die 2013 mit Puccinis „Manon Lescaut“begann und nebst den Hausgötter­n Wagner und Strauss auch Repertoire bis hin zur „Csárdásfür­stin“umfasste, wird wohl auch deshalb unvergesse­n bleiben, weil sie die Staatskape­lle für eine längere Periode als Orchester der Osterfests­piele an Salzburg binden konnte.

 ?? [Ludwig Olah] ?? Ein überdimens­ionaler weißer Falke dominiert Patrick Bannwarts Bühnenbild der neuen „Frau ohne Schatten“an der Dresdner Semperoper.
[Ludwig Olah] Ein überdimens­ionaler weißer Falke dominiert Patrick Bannwarts Bühnenbild der neuen „Frau ohne Schatten“an der Dresdner Semperoper.

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