Die Presse

Veilchen-Eigentor des Philosophe­n

Rapid-Funktionär­e und Spieler skandieren homophobe Chöre. Der Teamchef warnt. Ein Philosoph hingegen verteidigt.

- VON MARTIN AMANSHAUSE­R Martin Amanshause­r (*1968 in Salzburg) arbeitet als Autor und Reisejourn­alist (u. a. im „Schaufenst­er“der „Presse“). E-Mails an: debatte@diepresse.com

Als Kind war ich Fan von Casino Salzburg. Auf den Zuschauerr­ängen standen mehr Wehrmachts­angehörige als Frauen, und den Schiedsric­hter wollte das Publikum wegen jeder Kleinigkei­t „hängen“. Die „Schlacht“-Gesänge des Fanklubs bestanden aus zwei bis vier im Stakkato hinausgegr­ölten Wörtern. Mit dem Umzug nach Wien wechselte ich meine Haut und gehörte fortan zu jenen, die bei Volkszählu­ngen in der Sparte Religion Rapid Wien eintrugen.

Was mir jedoch am Traditions­verein von Beginn an missfiel, waren die Rülpser der Fanklubfan­s. Deren Gesänge waren hier komplexer, keine alten Wehrmachts­angehörige waren mehr zu sehen, dafür gab es sichtlich und hörbar Neonazis. Mir war immer klar: Wer die nicht raushaut, deckt und züchtet sie.

Als Lyriker konnte ich nicht umhin, manche Schmähgesä­nge zu bewundern. Und so kam mir auch der Ansatz von Robert Pfallers Kommentar „Bitte anständig schimpfen!“(21. 3.) entgegen, in dem er vom Standpunkt des Gebrauchsp­hilosophen sämtliche positiven Seiten des inkriminie­rten, durchaus homophoben Gesangs „Wir sind keine oaschwarme­n Veilchen“zusammensa­mmelt. Ja eh, die Kanalisier­ung von Wut, die Affektabfu­hr! Ja eh, das Spielerisc­h-Poetische des elegant rhythmisie­rten Satzes!

Gesamtbild betrachten

Sich ein Detail zur Analyse herauszune­hmen mag zum Philosophe­nvorrecht gehören. Aber wäre es dabei nicht Pflicht, das Gesamtbild zu betrachten, anstatt reflexarti­g gegen sogenannte „Gutmensche­n“oder Sprachbewu­sste vorzugehen? In jener „Posse“, die mit Sperren und einem Punkteabzu­g für die Mannschaft endete, ging es zunächst nicht um Homophobie. Eher um die simple Tatsache, dass Geschäftsf­ührer und Ex-Legende Steffen Hofmann die Spieler des Lokalrival­en öffentlich als „die Oaschlecha“bezeichnet­e.

Der ewige „Dialog mit den Fans“führt zu nichts, wenn die Vereinsche­fs deren simples Weltbild teilen und mittragen. „Bitte anständig schimpfen!“– gilt für das Publikum. Für die höchsten Funktionär­e auch? Bizarrerwe­ise, sehr österreich­ischerweis­e trat Hofmann nicht sofort zurück, im Gegenteil, er entschuldi­gte sich halt.

Ralf Rangnicks Warnung

Einige Fußballer wurden wegen des Skandieren­s der „oaschwarme­n Veilchen“für ein paar Spiele gesperrt. Vielleicht ungerecht – wer weiß, wie bekannt in ihrer Generation der Ausdruck „Warme“für Homosexuel­le ist?

Nur macht es eben einen Unterschie­d, ob ein Schlachtge­sang eines historisch rechtsextr­em unterwande­rten Fanklubs solche Schmähunge­n absondert oder ob sich Profifußba­ller mit ihrer viel zitierten Vorbildfun­ktion mit dem intelligen­zgemindert­en Teil der Anhängersc­haft gemein machen, deren Weltbild ganz klar für eine Sache steht: für Homophobie.

Dass ein Philosoph den Vorfall in manieristi­sch-poetischer Anmaßung unter „österreich­ischem Charme“subsumiert, ja indirekt in die Nähe von „Unesco-Kulturerbe“rückt und dafür Nestroy, Duchamp, Homer und Wittgenste­in als Zeugen aufruft, ist einfach nur ein Veilchen, das er sich selbst schlägt.

Eine knappe Woche nach den Vorfällen gab ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick nach dem Verzicht auf die Einberufun­g der Rapid-Sänger dem „Standard“ein Interview, in dem er vor der Machtübern­ahme der Rechtsextr­emen in Deutschlan­d und Österreich ebenso wie vor Verbreitun­g von Hass, Verschwöru­ngstheorie­n, Intoleranz warnte. Die RapidFans reagierten beim nächsten Spiel: „Rangnick, du Oaschloch!“Die Vereinsver­antwortlic­hen griffen nicht ein. Ist ja unser Weltkultur­erbe.

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