Die russische Spur zur BVT-Razzia
Rund um die Razzia im BVT 2018 zeigen sich immer mehr Verbindungen zu Russland und Jan Marsalek. Der Verfassungsschutz könnte vorsätzlich von fremden Mächten geschwächt worden sein.
Wer und was hinter der Razzia bei Österreichs Verfassungsschutz im Februar 2018 steckte, dazu kursierten bisher viele Theorien. Für manche war es ein Disput zwischen Beamten, die sich nicht ausstehen konnten. Andere vermuten, das damals FPÖ-geführte Innenministerium habe die Staatsanwaltschaft zur Razzia hingeleitet, um „schwarze Netzwerke“im BVT offenzulegen. Und auch die Theorie, dass die Blauen über die Razzia an Daten zu Ermittlungen in der rechten Szene gelangen wollten, verbreitete sich. Die FPÖ und ihr Chef, Herbert Kickl, bestreiten, in die Causa involviert gewesen zu sein.
Klarheit über die Motive gibt es nicht. Durch die Causa rund um Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott kann die Razzia aber unter einem neuen Gesichtspunkt gesehen werden: Möglicherweise waren darin auch russische Geheimdienste und Jan Marsalek involviert. In informierten Kreisen wird der „Presse“bestätigt, dass es bei der BVT-Razzia Anhaltspunkte für eine Spur nach Russland gebe und diesen nachgegangen werde.
„Innere Sicherheit untergraben“
Zunächst habe die BVT-Affäre „wie eine Kabale aus dem Beamtenapparat gewirkt“, sagt der Nachrichtendienstfachmann und Historiker Thomas Riegler zur „Presse“. Doch liege angesichts der neuen Erkenntnisse „der Verdacht nahe, dass hier versucht wurde, die innere Sicherheit Österreichs systematisch zu untergaben“. Riegler: „Der Verfassungsschutz wurde offensichtlich vorsätzlich geschwächt und korrumpiert.“In alle Affären rund um das BVT seien die immer gleichen Personen mit mutmaßlichen Verbindungen zu Russland involviert gewesen, sagt Riegler. „Und alle sind sie irgendwie mit Jan Marsalek verbunden oder haben bei ihm angeheuert.“
Die BVT-Razzia wurde von der WKStA angeordnet und gerichtlich genehmigt. Die Beweise, auf die die WKStA die Razzia gestützt hat, sind im Rückblick fragwürdig. Es handelte sich um ein anonymes Konvolut und drei Belastungszeugen. Auffallend ist, dass sich dabei gleich mehrere mögliche Verbindungen zu Russland und Marsalek finden.
Zunächst zum Konvolut. Es kursierte ab dem April 2017 und enthielt Vorwürfe über kriminelle Vorgänge im BVT. Sie erwiesen sich später als haltlos. Aufgrund der Fülle an Details und des offenbaren Insiderwissens wurde vermutet, dass hinter der Anzeige aktive oder ehemalige Mitarbeiter des BVT stecken. Als mögliche Verfasser gelten Ex-BVTAbteilungsleiter Martin Weiss und Ott, Letzterer wird auch durch ein linguistisches Gutachten belastet. Beide Männer bestreiten, die Anzeige verfasst zu haben.
Weiss und Ott stehen im Fokus des Spionageskandals rund um Ex-Wirecard-Chef Marsalek. Dieser ist laut Recherchen mehrerer Medien bereits 2013 in den Dunstkreis der russischen Geheimdienste gelangt. Er soll angefangen haben, ein europaweit tätiges Spionagenetzwerk für Russland zu leiten. Teil davon sollen auch Weiss und Ott gewesen sein: Marsalek soll im Auftrag des russischen Geheimdiensts Anfragen an Weiss gestellt haben, Ott soll für Weiss dann die Geheiminfos in Österreich beschafft haben. Am Donnerstag berichtete der „Falter“über neue Vorwürfe in der Causa (siehe Seite 2).
Fest steht : Weiss hatte Marsalek 2015 kennengelernt, 2016 ging er in einen langen Krankenstand, 2017 schied er aus dem BVT aus. Er war als Abteilungsleiter der Vorgesetze von Ott, dem seit 2017 vorgeworfen wird, für Russland spioniert zu haben. Spätestens 2018 begann Weiss, offiziell für Marsalek als „Berater“für Wirecard zu arbeiten. Nachdem Vorwürfe der Russland-Spionage gegen Weiss bekannt geworden sind, hat er sich nach Dubai abgesetzt und ist für die heimischen Behörden seither nicht mehr greifbar.
Drei Belastungszeugen
Neben dem Konvolut stützte die WKStA die Razzia auf drei Belastungszeugen. Darunter sind Weiss und ein BVT-Techniker. Auch bei dem Techniker ergibt sich eine mögliche Tangente nach Russland und zu Marsalek. Bei ihm landeten jene Handys, die hohen Beamten des Innenministeriums bei einem Kanuausflug 2017 ins Wasser gefallen waren. Der Techniker sollte die Geräte reparieren. Er soll das aber nicht gemacht haben, sondern die Daten bzw. Handys an Ott weitergegeben haben. Laut den neu bekannt gewordenen Vorwürfen gegen Ott soll dieser die Daten dann im Auftrag von Weiss und Marsalek russischen Agenten in Wien gegeben haben.
Die dritte Belastungszeugin war die Frau eines Diplomaten. Und auch hier gibt es eine mutmaßliche Spur nach Russland und zu Marsalek: Dem Diplomaten wird vorgeworfen, die Formel des russischen Kampfstoffs Nowitschok an Marsalek verraten zu haben. Er wurde suspendiert, der Diplomat dementiert die Vorwürfe. Zuletzt erklärte im „Kurier“ein Sicherheitsberater, dass rund um die Nowitschok-Formel „zu viele Leute in Österreich Zugang zu dieser Akte gehabt“hätten: Ott hätte die Formel jedenfalls auch gehabt.
Alle drei Zeugen galten als eng mit Ott verbunden. Ott hatte im Zuge der Razzia auch im Hintergrund mitgewirkt. So versuchte er auch, die WKStA mit weiteren Belastungszeugen zu versorgen.
Verbindungen zu Marsalek
Es sei erstaunlich, dass bei all diesen Belastungszeugen Verbindungen zu Marsalek und russischen Geheimdiensten im Raum stehen und all diese Zeugen rund um die BVT-Razzia miteinander im Kontakt gestanden wären, sagt Riegler. Die internationale Dimension der Causa werde immer offensichtlicher. Im Rückblick könne man meinen, dass „das fast generalstabsmäßig“koordiniert wurde: „Das wirkt wie eine regelrechte Destabilisierungskampagne gegen Österreich.“
Die Razzia beschädigte Österreichs Verfassungsschutz schwer. Das BVT hatte schon vorher nicht das beste Ansehen im Kreis der Nachrichtendienste genossen, nun war das Vertrauen der ausländischen Partner vollends verspielt. Vor allem auch, weil befürchtet wurde, dass Daten im Zuge der Razzia ihren Weg in den Kreml finden könnten.