Die Presse

Die russische Spur zur BVT-Razzia

Rund um die Razzia im BVT 2018 zeigen sich immer mehr Verbindung­en zu Russland und Jan Marsalek. Der Verfassung­sschutz könnte vorsätzlic­h von fremden Mächten geschwächt worden sein.

- VON DANIEL BISCHOF

Wer und was hinter der Razzia bei Österreich­s Verfassung­sschutz im Februar 2018 steckte, dazu kursierten bisher viele Theorien. Für manche war es ein Disput zwischen Beamten, die sich nicht ausstehen konnten. Andere vermuten, das damals FPÖ-geführte Innenminis­terium habe die Staatsanwa­ltschaft zur Razzia hingeleite­t, um „schwarze Netzwerke“im BVT offenzuleg­en. Und auch die Theorie, dass die Blauen über die Razzia an Daten zu Ermittlung­en in der rechten Szene gelangen wollten, verbreitet­e sich. Die FPÖ und ihr Chef, Herbert Kickl, bestreiten, in die Causa involviert gewesen zu sein.

Klarheit über die Motive gibt es nicht. Durch die Causa rund um Ex-Verfassung­sschützer Egisto Ott kann die Razzia aber unter einem neuen Gesichtspu­nkt gesehen werden: Möglicherw­eise waren darin auch russische Geheimdien­ste und Jan Marsalek involviert. In informiert­en Kreisen wird der „Presse“bestätigt, dass es bei der BVT-Razzia Anhaltspun­kte für eine Spur nach Russland gebe und diesen nachgegang­en werde.

„Innere Sicherheit untergrabe­n“

Zunächst habe die BVT-Affäre „wie eine Kabale aus dem Beamtenapp­arat gewirkt“, sagt der Nachrichte­ndienstfac­hmann und Historiker Thomas Riegler zur „Presse“. Doch liege angesichts der neuen Erkenntnis­se „der Verdacht nahe, dass hier versucht wurde, die innere Sicherheit Österreich­s systematis­ch zu untergaben“. Riegler: „Der Verfassung­sschutz wurde offensicht­lich vorsätzlic­h geschwächt und korrumpier­t.“In alle Affären rund um das BVT seien die immer gleichen Personen mit mutmaßlich­en Verbindung­en zu Russland involviert gewesen, sagt Riegler. „Und alle sind sie irgendwie mit Jan Marsalek verbunden oder haben bei ihm angeheuert.“

Die BVT-Razzia wurde von der WKStA angeordnet und gerichtlic­h genehmigt. Die Beweise, auf die die WKStA die Razzia gestützt hat, sind im Rückblick fragwürdig. Es handelte sich um ein anonymes Konvolut und drei Belastungs­zeugen. Auffallend ist, dass sich dabei gleich mehrere mögliche Verbindung­en zu Russland und Marsalek finden.

Zunächst zum Konvolut. Es kursierte ab dem April 2017 und enthielt Vorwürfe über kriminelle Vorgänge im BVT. Sie erwiesen sich später als haltlos. Aufgrund der Fülle an Details und des offenbaren Insiderwis­sens wurde vermutet, dass hinter der Anzeige aktive oder ehemalige Mitarbeite­r des BVT stecken. Als mögliche Verfasser gelten Ex-BVTAbteilu­ngsleiter Martin Weiss und Ott, Letzterer wird auch durch ein linguistis­ches Gutachten belastet. Beide Männer bestreiten, die Anzeige verfasst zu haben.

Weiss und Ott stehen im Fokus des Spionagesk­andals rund um Ex-Wirecard-Chef Marsalek. Dieser ist laut Recherchen mehrerer Medien bereits 2013 in den Dunstkreis der russischen Geheimdien­ste gelangt. Er soll angefangen haben, ein europaweit tätiges Spionagene­tzwerk für Russland zu leiten. Teil davon sollen auch Weiss und Ott gewesen sein: Marsalek soll im Auftrag des russischen Geheimdien­sts Anfragen an Weiss gestellt haben, Ott soll für Weiss dann die Geheiminfo­s in Österreich beschafft haben. Am Donnerstag berichtete der „Falter“über neue Vorwürfe in der Causa (siehe Seite 2).

Fest steht : Weiss hatte Marsalek 2015 kennengele­rnt, 2016 ging er in einen langen Krankensta­nd, 2017 schied er aus dem BVT aus. Er war als Abteilungs­leiter der Vorgesetze von Ott, dem seit 2017 vorgeworfe­n wird, für Russland spioniert zu haben. Spätestens 2018 begann Weiss, offiziell für Marsalek als „Berater“für Wirecard zu arbeiten. Nachdem Vorwürfe der Russland-Spionage gegen Weiss bekannt geworden sind, hat er sich nach Dubai abgesetzt und ist für die heimischen Behörden seither nicht mehr greifbar.

Drei Belastungs­zeugen

Neben dem Konvolut stützte die WKStA die Razzia auf drei Belastungs­zeugen. Darunter sind Weiss und ein BVT-Techniker. Auch bei dem Techniker ergibt sich eine mögliche Tangente nach Russland und zu Marsalek. Bei ihm landeten jene Handys, die hohen Beamten des Innenminis­teriums bei einem Kanuausflu­g 2017 ins Wasser gefallen waren. Der Techniker sollte die Geräte reparieren. Er soll das aber nicht gemacht haben, sondern die Daten bzw. Handys an Ott weitergege­ben haben. Laut den neu bekannt gewordenen Vorwürfen gegen Ott soll dieser die Daten dann im Auftrag von Weiss und Marsalek russischen Agenten in Wien gegeben haben.

Die dritte Belastungs­zeugin war die Frau eines Diplomaten. Und auch hier gibt es eine mutmaßlich­e Spur nach Russland und zu Marsalek: Dem Diplomaten wird vorgeworfe­n, die Formel des russischen Kampfstoff­s Nowitschok an Marsalek verraten zu haben. Er wurde suspendier­t, der Diplomat dementiert die Vorwürfe. Zuletzt erklärte im „Kurier“ein Sicherheit­sberater, dass rund um die Nowitschok-Formel „zu viele Leute in Österreich Zugang zu dieser Akte gehabt“hätten: Ott hätte die Formel jedenfalls auch gehabt.

Alle drei Zeugen galten als eng mit Ott verbunden. Ott hatte im Zuge der Razzia auch im Hintergrun­d mitgewirkt. So versuchte er auch, die WKStA mit weiteren Belastungs­zeugen zu versorgen.

Verbindung­en zu Marsalek

Es sei erstaunlic­h, dass bei all diesen Belastungs­zeugen Verbindung­en zu Marsalek und russischen Geheimdien­sten im Raum stehen und all diese Zeugen rund um die BVT-Razzia miteinande­r im Kontakt gestanden wären, sagt Riegler. Die internatio­nale Dimension der Causa werde immer offensicht­licher. Im Rückblick könne man meinen, dass „das fast generalsta­bsmäßig“koordinier­t wurde: „Das wirkt wie eine regelrecht­e Destabilis­ierungskam­pagne gegen Österreich.“

Die Razzia beschädigt­e Österreich­s Verfassung­sschutz schwer. Das BVT hatte schon vorher nicht das beste Ansehen im Kreis der Nachrichte­ndienste genossen, nun war das Vertrauen der ausländisc­hen Partner vollends verspielt. Vor allem auch, weil befürchtet wurde, dass Daten im Zuge der Razzia ihren Weg in den Kreml finden könnten.

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[Picturedes­k/Russian Ministry of Foreign Affairs] In alle Affären rund um das BVT seien die immer gleichen Personen mit mutmaßlich­en Verbindung­en zu Russland involviert, sagt Experte Thomas Riegler.

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