Die Presse

Fall Pilnacek: Wer welche Rolle spielt

Die Sicherstel­lung von Christian Pilnaceks persönlich­en Gegenständ­en nach dessen Tod befeuert verschiede­nste Theorien.

- VON GERNOT ROHRHOFER

Die Causa Pilnacek hat die Sachebene verlassen, stattdesse­n wirft der Wahlkampf seine Schatten voraus. Der bisherige Gipfel in der Auseinande­rsetzung um den Tod des ehemaligen Sektionsch­efs im Justizmini­sterium: Seine hinterblie­bene Ehefrau, Caroline List, Präsidenti­n des Landesgeri­chts für Strafsache­n in Graz, sah sich vergangene Woche gezwungen, an die Öffentlich­keit zu gehen und Behauptung­en zu dementiere­n, wonach es in der gemeinsame­n Wohnung der beiden zu einer Hausdurchs­uchung gekommen wäre.

„Zeitnahe Übergabe“

In die Welt gesetzt wurde die Behauptung von Peter Pilz. Auf seiner Online-Plattform Zack Zack veröffentl­icht der frühere Grüne und Gründer der Liste Pilz seit 22. März immer wieder Artikel, in denen er den Beamtinnen und Beamten des Landeskrim­inalamts Niederöste­rreich Amtsmissbr­auch unterstell­t. Unter anderem geht es um den Umgang mit den persönlich­en Gegenständ­en von Christian Pilnacek. Diese wurden – entgegen früheren Angaben der Polizei – sichergest­ellt, „allerdings nicht ausgewerte­t und noch am selben Tag dem Anwalt der Witwe übergeben“, erzählt ein Ermittler. Der Anwalt, der namentlich nicht genannt werden möchte, bestätigt gegenüber der „Presse“, die Sachen – Autoschlüs­sel, Wohnungssc­hlüssel, Brieftasch­e und Handy – „zeitnah“noch am selben Tag ausgehändi­gt bekommen zu haben. Ob die Polizei sensible Daten abgesaugt oder wie von Pilz insinuiert vernichtet hat, lässt sich nicht feststelle­n.

Fest steht: Am Zug ist wieder die Staatsanwa­ltschaft. Konkret die Staatsanwa­ltschaft Krems, doch diese hat den Fall der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft zur Übertragun­g angeboten und diese wiederum hat den Fall „an sich gezogen“, wie es §20b Abs. 3 der Strafproze­ssordnung für Verfahren vorsieht, „an denen wegen der Bedeutung der aufzukläre­nden Straftat oder der Person des Tatverdäch­tigen ein besonderes öffentlich­es Interesse besteht“.

Witwe dementiert USB-Stick

Das öffentlich­e Interesse am Tod von Christian Pilnacek war von Anfang an groß, noch größer ist es, seitdem Pilz zum Angriff auf die ÖVP und die Polizei bläst. Die Hinweisgeb­erin von Pilz ist die Schuhbouti­quebesitze­rin Karin W., die mit Christian Pilnacek und der Lokalpolit­ikerin Anna P. zuletzt gemeinsam in einem Haus in Rossatz gelebt hat. Dass P. im Büro von Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka arbeitet, nährt die Theorie von Peter Pilz, wonach die Polizei den Auftrag gehabt hätte, Spuren, die Sobotka und die ÖVP belasten, verschwind­en zu lassen. Einen Beweis dafür gibt es nicht, und ein von Pilz ins Spiel gebrachter USB-Stick, auf dem Pilnacek belastende­s Material gesammelt haben soll, ist zumindest der Witwe des ehemaligen Spitzenbea­mten nicht bekannt.

Der besonderen Brisanz des Falls sei man sich auch bei der Staatsanwa­ltschaft Krems bewusst gewesen, sagt Medienspre­cher Franz Hütter. Er bleibt aber bei seiner bisherigen Aussage: „Der Fall war von Anfang an klar“, weshalb weder Standortbe­stimmung noch Rufdatenrü­ckerfassun­g angeordnet wurde. „Man weiß, dass Christian Pilnacek sein Handy nicht bei sich gehabt hat. Was hätte eine Standortbe­stimmung also ergeben sollen?“Die Staatsanwa­ltschaft hatte die Todesumstä­nde geprüft und legte den Fall vor wenigen Tagen zu den Akten, „weil Fremdversc­hulden ausgeschlo­ssen werden konnte“. Dass die Polizei persönlich­e Gegenständ­e sichergest­ellt hat, habe man aus den Medien erfahren, erklärt Hütter und bleibt auch hier bei seiner bisherigen Darstellun­g: „Wenn die Polizei nach anderen Rechtsgrun­dlagen vorgeht, ist das ihre Sache.“

Kampagne oder Aufklärung?

Bei der WKStA wiederum stehe man erst am Anfang, sagt Medienspre­cher Martin Ortner: „Wir prüfen gerade, ob ein Anfangsver­dacht besteht.“Mittlerwei­le geht es zumindest um drei Eingaben: jene von dem Leiter der Pilnacek-Kommission, Martin Kreutner, der sich aufgrund zahlreiche­r Hinweise aus der Bevölkerun­g verpflicht­et gesehen habe, Anzeige zu erstatten. Jene von Rechtsanwa­lt Volkert Sackmann, der Karin W. vertritt. Und den Anfallsber­icht des Bundesamts zur Korruption­sbekämpfun­g (BAK). Dieses „hat den vorliegend­en Sachverhal­t geprüft und den Bestimmung­en der Strafproze­ssordnung zufolge einen Bericht an die WKStA erstattet, die über die weitere Vorgehensw­eise zu entscheide­n hat“, heißt es aus dem Innenminis­terium.

Mit baldigen Ergebnisse­n dürfte nicht zu rechnen sein. Dafür lichten sich im Zusammenha­ng mit jenen Personen, die seit Tagen gegen die Ermittlung­sarbeit der Polizei mobil machen, einige Nebel. So dürfte der Anwalt von Karin W., Volkert Sackmann, für Peter Pilz kein Unbekannte­r sein. Bevor Sackmann in die Anwaltei gewechselt ist und begonnen hat, u. a. Johann Gudenus zu vertreten, hat er bei der Staatsanwa­ltschaft Wien die Abteilung für Wirtschaft­sstrafsach­en geleitet. Sackmann tat dies aber nicht allein, sondern gemeinsam mit Michael Radasztics, bevor wiederum dieser Richter wurde und zuletzt dem Prozess gegen Ex-Bundeskanz­ler Sebastian Kurz vorsaß. Und dass sich Pilz und Radasztics kennen, ist, spätestens seitdem die Disziplina­rstrafe gegen Radasztics öffentlich geworden ist, bekannt. Die Strafe kassierte Radasztics nämlich, weil er – damals noch als Staatsanwa­lt im Eurofighte­r-Verfahren – Informatio­nen weitergege­ben hatte. An wen? An Peter Pilz.

„Kein Kommentar“von Frau W.

Karin W. wollte übrigens keine Stellungna­hme abgeben und spricht auch mit anderen Journalist­innen und Journalist­en nicht. „Bitte haben Sie Verständni­s, dass ich keinen Kommentar abgeben werde“, schreibt sie in einer Textnachri­cht an die „Presse“. Ihr Anwalt, Volkert Sackmann, reagierte bis Redaktions­schluss weder auf Anrufe noch auf schriftlic­he Anfragen.

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[Picturedes­k/Helmut Fohringer] Der ehemalige Sektionsch­ef im Justizmini­sterium, Christian Pilnacek.

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