Putins gefährliche Friedenspläne
Laut Medienberichten plant der Kreml die Eroberung von Odessa, um danach eine Feuerpause auszurufen. Ziel ist aber nicht das Ende der Kampfhandlungen.
Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, verwirrt derzeit mit kryptischen Ansagen zur Verteidigungspolitik. Zuletzt sorgte er weltweit für Aufsehen und Ärger der Partner, als er (mehrmals) den Einsatz von Bodentruppen in die Ukraine nicht ausschloss.
Ob nun Macron aufrütteln, provozieren, anregen oder einfach nur Aufmerksamkeit will, bleibt offen. Manche Beobachter sprechen von „strategischer Ambiguität“gegenüber westlichen Partnern und Russland, und zwar aus handfesten Gründen. Denn offenbar kursieren im Élysée-Palast Szenarien über taktische Expansionspläne Russlands, wie die langjährige ParisKorrespondentin der italienischen Tageszeitung „Repubblica“erfahren hat: Eigentliches Ziel der unmittelbar bevorstehenden russischen Großoffensive sei demnach Odessa. Durch die Eroberung der Stadt würde der Kreml einen Korridor vom Schwarzen Meer nach Moldau kontrollieren. Der Weg für weitere Überfälle wäre geebnet: „Dann hätten wir nicht mehr eine theoretische Debatte über Bodentruppen, sondern konkrete Diskussionen darüber. Das wird uns Europäer auseinanderdividieren“, zitiert die Zeitung einen EU-Diplomaten.
Gefährliche Strategiespiele
Die Befürchtung geht aber darüber hinaus. Russlands Präsident, Wladimir Putin, könnte nach der Eroberung Odessas eine einseitige Waffenruhe ausrufen. Das wahre Ziel: Schwächung der Gegner und Vorbereitung auf neue Angriffe. Denn eine solche Feuerpause könnten EU-Staaten, in denen sich Ukraine-Kriegsmüdigkeit breitmacht, schwer ablehnen. Vor allem aber würde sie Kräften in Europa und den USA Aufwind geben, die jetzt schon auf ein Ende der Militärhilfen für die Ukraine drängen: Denn warum sollte man der Ukraine weiter teure Waffen liefern, wenn die Waffen ruhen?
Groß ist die Angst, dass der Kreml-Chef für seine Strategiespiele einen Zeitpunkt wählt, in dem EU und USA besonders verwundbar sind: die heiße Wahlkampfphase
im Sommer. Im Juni wird ein neues EU-Parlament gewählt, tendenziell Kreml-freundliche, Rechtsaußen-Parteien haben gute Erfolgschancen. Sie pochen schon lang auf einen Stopp der Waffenlieferungen und „Frieden“mit Russland. Das Ende der Ukraine-Hilfen fordert auch Donald Trump, der im November erneut zum US-Präsidenten gewählt werden könnte.
Die Möglichkeit einer Waffenruhe im Sommer im Sinne eines „Olympischen Friedens“hat ja auch Macron selbst schon ins Spiel gebracht. Wie unzuverlässig russische Waffenstillstandszusagen aber sind, ist spätestens seit den Minsker Abkommen (2015, 2022) für den ostukrainischen Donbass klar. EU-Diplomaten warnen hinter vorgehaltener Hand vor den Gefahren einer russischen Waffenruhe. Nicht nur sie – ein neuer Bericht des „Economist Intelligence Unit“listet als das erste der fünf Toprisiken für Europa 2024 folgendes Szenario auf: „Ein Trump-Sieg zwingt die Ukraine, einen Friedensdeal anzunehmen.“(basta)