Die Presse

Eine EM ohne Panini? Was uns alte Kinder erschütter­t

Erstmals produziert nicht das legendäre italienisc­he Unternehme­n Panini die EM-Sticker.

- VON FRIEDERIKE LEIBL

Mit einem großen Bruder wird die Welt noch größer. Vor allem, wenn sie um das Universum Fußball erweitert wird, aus dem man nie verstoßen werden kann, wenn die Helden der Kindheit Walter Schachner und Bruno Pezzey hießen. Die pickten dann auch noch auf dem Stockbett, als es längst auseinande­rgesägt war und Bruder und Schwester sich in getrennten Zimmern einschloss­en.

Fußballpic­kerln bevölkerte­n nicht nur Bettpfoste­n, sie klebten auch an Kästen und Schreibtis­chen. So schwer, wie man die Folie abziehen konnte (hier halfen die Nägel der Schwester), so schwer ließen sie sich auch wieder ablösen. Eigentlich gar nicht. Als alles vorbei war, die Erinnerung­en weit weg, waren sie immer noch da und erinnerten an ferne Meistersch­aften. Warum sie überhaupt auf Möbeln klebten? Das waren die Doppelten, die nach dem Turnier niemand mehr brauchte. Und wegwerfen konnte man sie nicht.

Es ist unmöglich, ein Sammelalbu­m allein vollzukrie­gen: Ein Beweis dafür, dass man doch nicht alles für Geld bekommt. Ohne zu tauschen, werden die Teams nicht vollständi­g, von Stadien und Wappen ganz zu schweigen. Immer mehr ließ sich der Hersteller im Lauf der Jahre einfallen, um die Zahl der leeren Felder zu vergrößern. Fluchend wurde dennoch in die Tütchen investiert. Später dann für die Kinder. Aber eigentlich doch ein bisschen für einen selbst.

Mehr als vierzig Jahre lang stammten die Fußballlpi­ckerln von Panini, waren eins mit dem italienisc­hen Unternehme­n wie Tixo und Klebeband. Nun hat ein US-amerikanis­cher Konzern die Italiener überboten und die Rechte gekauft. Die Nachricht hat uns alte Kinder erschütter­t. Eine Europameis­terschaft ohne Panini? Die neuen Pickerln würden wir boykottier­en. Ganz sicher. Der eine Kollege ist schon schwach geworden. Ohne Kleben, meint er, gibt es keine EM.

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