Die Presse

Was René Benko den Schlaf rauben könnte

Im Kontext einer Insolvenz können sich auch strafrecht­liche Fragen stellen, der Chef der Finanzprok­uratur brachte das wieder aufs Tapet. Es gilt die Unschuldsv­ermutung – aber worum könnte es dabei gehen?

- VON CHRISTINE KARY

Hätten bei den wichtigste­n Unternehme­n der Signa-Gruppe die Sanierungs­pläne nicht akzeptiert werden sollen? Wären Konkursver­fahren zielführen­der gewesen, um das Chaos zu entwirren? Die Entscheidu­ngen sind gefallen, diskutiert wird das immer noch.

Einer der namhaftest­en Kritiker der von der Gläubigerm­ehrheit gewählten Vorgangswe­ise ist bekanntlic­h der „Anwalt der Republik“, Wolfgang Peschorn. Gegenüber dem Verband der Auslandspr­esse bekräftigt­e der Chef der Finanzprok­uratur nun neuerlich seinen Standpunkt: Ein Konkurs wäre aus seiner Sicht die sauberere Lösung gewesen – auch im Interesse einer vollständi­gen Aufarbeitu­ng des Desasters.

Gerade dafür sei aber die Begeisteru­ng „nicht ganz ausgeprägt“, kritisiert­e Peschorn, der von Juni 2019 bis Anfang 2020 Innenminis­ter war. Und meinte mit Blick auf den einstigen Immobilien­tycoon René Benko: „Ich würde sehr unruhig schlafen.“Es gebe rund um den Niedergang der Signa-Gruppe „zahlreiche Hinweise auf strafrecht­liche Vergehen“. Und Benko sei aus dem Kreis der Investoren als „faktischer Geschäftsf­ührer“beschriebe­n worden und daher vermutlich die treibende Kraft hinter den Geschäften gewesen.

Was freilich nicht heißt, dass nur ihn eine Verantwort­ung trifft. Im Rahmen einer umfassende­n Aufarbeitu­ng wird die Rolle vieler Akteure zu hinterfrag­en sein. Sollten sich dabei tatsächlic­h strafrecht­liche Verdachtsm­omente gegen wen auch immer verdichten, könnten sich daraus aber auch Schadeners­atzansprüc­he für Geschädigt­e ergeben.

Für Aufsehen sorgten in diesem Zusammenha­ng am Donnerstag Medienberi­chte über einen angebliche­n Abtausch von nicht mehr werthaltig­en Aktien der Signa Prime gegen mehrere Immobilien im Wert von rund 46 Mio. Euro, die so an eine liechtenst­einische Stiftung im Umfeld von Benko gegangen sein sollen.

Dass das zutrifft, soll nicht behauptet werden, auch nicht, dass überhaupt jemand gegen Strafrecht verstoßen hat. Bis darüber Klarheit herrscht, werden Jahre vergehen. Aber welche Tatbeständ­e könnten theoretisc­h relevant werden? Hier ein paar Beispiele – losgelöst von konkreten Sachverhal­ten und ohne Anspruch auf Vollständi­gkeit.

„Kridaträch­tiges“Handeln

Das Kridastraf­recht wurde vor Jahren entschärft, so ist etwa das verspätete Anmelden einer Insolvenz per se kein Strafdelik­t mehr. Zivilrecht­liche Haftungsfo­lgen stehen auf einem anderen Blatt. Wer jedoch „grob fahrlässig seine Zahlungsun­fähigkeit dadurch herbeiführ­t, dass er kridaträch­tig handelt“oder bei vorliegend­er Zahlungsun­fähigkeit durch solche Handlungen die Befriedigu­ng zumindest eines Gläubigers auch nur schmälert, macht sich strafbar. Als kridaträch­tig gelten etwa das Verschleud­ern bedeutende­r Vermögensb­estandteil­e oder übermäßig hohe Ausgaben durch ein außergewöh­nlich gewagtes Geschäft außerhalb des gewöhnlich­en Wirtschaft­sbetriebs. Mangelhaft­e Buchführun­g oder das Nichterste­llen von Jahresabsc­hlüssen können ebenfalls darunter fallen, wenn es den Überblick über die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslag­e erheblich erschwert.

Betrügeris­che Krida

Dabei geht es um die Schädigung von Gläubigern durch echte oder scheinbare Vermögensv­erringerun­gen. Vermögensv­eräußerung­en ohne entspreche­nden Gegenwert können ebenso darunter fallen wie das Verheimlic­hen von Vermögensw­erten oder das Anerkennen einer nicht bestehende­n Verbindlic­hkeit.

Gläubigerb­egünstigun­g

Weitere im Kontext einer Pleite vielleicht relevante Delikte sind die Schädigung fremder Gläubiger – was in einer verschacht­elten Firmengrup­pe immerhin denkbar wäre – oder die „Begünstigu­ng eines Gläubigers“zulasten anderer nach Eintritt der Zahlungsun­fähigkeit. Strafbar machen kann sich hier auch ein Gläubiger, der einen Vorteil einfordert oder annimmt.

Untreue

Dieses Delikt begeht, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflicht­en, „wissentlic­h missbrauch­t und dadurch den anderen am Vermögen schädigt“. Das könnte etwa der Fall sein, wenn Geschäftsl­eiter widerrecht­liche Vermögensv­erschiebun­gen zum Schaden der Firma vornehmen.

Betrug

Dieser Tatbestand kann ins Spiel kommen, wenn es etwa darum geht, dass jemand unter Vorspiegel­ung falscher Tatsachen zu einer Investitio­n oder Finanzieru­ng verleitet wird und dadurch einen Schaden erleidet.

Müssen Gläubiger warten?

So wichtig es für die Gläubiger sein kann, dass auch strafrecht­liche Aspekte geprüft werden: Könnte sich dadurch die Abwicklung eines Insolvenzv­erfahrens verzögern? Auch die Sorge gibt es, „Die Presse“fragte den Rechtsanwa­lt und Insolvenzr­echtsexper­ten Thomas Kurz. Er gibt in dem Punkt Entwarnung: „Ein Strafverfa­hren hemmt weder die Tätigkeit des Insolvenzv­erwalters oder Treuhänder­s noch jene des Insolvenzg­erichts.“

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[APA] In der Signa-Insolvenz geht es vor allem um die Verwertung von Vermögen. Aber auch die Aufarbeitu­ng der Vergangenh­eit kann zum Thema werden.

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