Was René Benko den Schlaf rauben könnte
Im Kontext einer Insolvenz können sich auch strafrechtliche Fragen stellen, der Chef der Finanzprokuratur brachte das wieder aufs Tapet. Es gilt die Unschuldsvermutung – aber worum könnte es dabei gehen?
Hätten bei den wichtigsten Unternehmen der Signa-Gruppe die Sanierungspläne nicht akzeptiert werden sollen? Wären Konkursverfahren zielführender gewesen, um das Chaos zu entwirren? Die Entscheidungen sind gefallen, diskutiert wird das immer noch.
Einer der namhaftesten Kritiker der von der Gläubigermehrheit gewählten Vorgangsweise ist bekanntlich der „Anwalt der Republik“, Wolfgang Peschorn. Gegenüber dem Verband der Auslandspresse bekräftigte der Chef der Finanzprokuratur nun neuerlich seinen Standpunkt: Ein Konkurs wäre aus seiner Sicht die sauberere Lösung gewesen – auch im Interesse einer vollständigen Aufarbeitung des Desasters.
Gerade dafür sei aber die Begeisterung „nicht ganz ausgeprägt“, kritisierte Peschorn, der von Juni 2019 bis Anfang 2020 Innenminister war. Und meinte mit Blick auf den einstigen Immobilientycoon René Benko: „Ich würde sehr unruhig schlafen.“Es gebe rund um den Niedergang der Signa-Gruppe „zahlreiche Hinweise auf strafrechtliche Vergehen“. Und Benko sei aus dem Kreis der Investoren als „faktischer Geschäftsführer“beschrieben worden und daher vermutlich die treibende Kraft hinter den Geschäften gewesen.
Was freilich nicht heißt, dass nur ihn eine Verantwortung trifft. Im Rahmen einer umfassenden Aufarbeitung wird die Rolle vieler Akteure zu hinterfragen sein. Sollten sich dabei tatsächlich strafrechtliche Verdachtsmomente gegen wen auch immer verdichten, könnten sich daraus aber auch Schadenersatzansprüche für Geschädigte ergeben.
Für Aufsehen sorgten in diesem Zusammenhang am Donnerstag Medienberichte über einen angeblichen Abtausch von nicht mehr werthaltigen Aktien der Signa Prime gegen mehrere Immobilien im Wert von rund 46 Mio. Euro, die so an eine liechtensteinische Stiftung im Umfeld von Benko gegangen sein sollen.
Dass das zutrifft, soll nicht behauptet werden, auch nicht, dass überhaupt jemand gegen Strafrecht verstoßen hat. Bis darüber Klarheit herrscht, werden Jahre vergehen. Aber welche Tatbestände könnten theoretisch relevant werden? Hier ein paar Beispiele – losgelöst von konkreten Sachverhalten und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
„Kridaträchtiges“Handeln
Das Kridastrafrecht wurde vor Jahren entschärft, so ist etwa das verspätete Anmelden einer Insolvenz per se kein Strafdelikt mehr. Zivilrechtliche Haftungsfolgen stehen auf einem anderen Blatt. Wer jedoch „grob fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeiführt, dass er kridaträchtig handelt“oder bei vorliegender Zahlungsunfähigkeit durch solche Handlungen die Befriedigung zumindest eines Gläubigers auch nur schmälert, macht sich strafbar. Als kridaträchtig gelten etwa das Verschleudern bedeutender Vermögensbestandteile oder übermäßig hohe Ausgaben durch ein außergewöhnlich gewagtes Geschäft außerhalb des gewöhnlichen Wirtschaftsbetriebs. Mangelhafte Buchführung oder das Nichterstellen von Jahresabschlüssen können ebenfalls darunter fallen, wenn es den Überblick über die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage erheblich erschwert.
Betrügerische Krida
Dabei geht es um die Schädigung von Gläubigern durch echte oder scheinbare Vermögensverringerungen. Vermögensveräußerungen ohne entsprechenden Gegenwert können ebenso darunter fallen wie das Verheimlichen von Vermögenswerten oder das Anerkennen einer nicht bestehenden Verbindlichkeit.
Gläubigerbegünstigung
Weitere im Kontext einer Pleite vielleicht relevante Delikte sind die Schädigung fremder Gläubiger – was in einer verschachtelten Firmengruppe immerhin denkbar wäre – oder die „Begünstigung eines Gläubigers“zulasten anderer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Strafbar machen kann sich hier auch ein Gläubiger, der einen Vorteil einfordert oder annimmt.
Untreue
Dieses Delikt begeht, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, „wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt“. Das könnte etwa der Fall sein, wenn Geschäftsleiter widerrechtliche Vermögensverschiebungen zum Schaden der Firma vornehmen.
Betrug
Dieser Tatbestand kann ins Spiel kommen, wenn es etwa darum geht, dass jemand unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu einer Investition oder Finanzierung verleitet wird und dadurch einen Schaden erleidet.
Müssen Gläubiger warten?
So wichtig es für die Gläubiger sein kann, dass auch strafrechtliche Aspekte geprüft werden: Könnte sich dadurch die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens verzögern? Auch die Sorge gibt es, „Die Presse“fragte den Rechtsanwalt und Insolvenzrechtsexperten Thomas Kurz. Er gibt in dem Punkt Entwarnung: „Ein Strafverfahren hemmt weder die Tätigkeit des Insolvenzverwalters oder Treuhänders noch jene des Insolvenzgerichts.“