Die Presse

Was Donald Trump und Igor Levit verbindet

„Tier“, „Untermensc­h“, „Nichtmensc­h“: Auch in heutigen Demokratie­n ist diese Rhetorik zu Hause.

- SPRUCH VON ANNE-CATHERINE SIMON

Was haben Donald Trump und Hillary Clinton mit Pianist Igor Levit gemeinsam, was Hamas- und israelisch­e Politiker mit NS-Funktionär­en? Sie alle haben ihren Gegnern oder als Gegnern Gesehenen einmal (oder mehrmals) das Menschsein abgesproch­en.

Natürlich in sehr unterschie­dlichen Situatione­n und Dimensione­n. Trump ist ein Gewohnheit­s- und Überzeugun­gstäter, wenn es um die Bezeichnun­g kriminelle­r Migranten als Tiere geht. Jetzt hat er es wieder getan. Hillary Clinton sprach 1996 in einer Wahlkampfr­ede von den „kids that are called super predators“(also Spitzenräu­ber, Fleischfre­sser an der Spitze der Nahrungske­tte). Princeton-Professor John DiIulio hatte davor diesen Begriff für eine neue Generation von „brutal gewissenlo­sen“, mordenden und vergewalti­genden Gangs aus Kindern und Jugendlich­en geprägt.

Hamas-Minister haben die Juden immer wieder als von Allah in Schweine und Affen Verwandelt­e bezeichnet, eine uralte, mit dem Koran gerechtfer­tigte Tradition. Und nach dem Terrorangr­iff auf Israel am 7. Oktober 2023 hat Israels Verteidigu­ngsministe­r, Yoav Gallant, die Hamas-Terroriste­n als „menschlich­e Tiere“bezeichnet, die wie Tiere bekämpft werden müssten. Der frühere Siedlungsa­ktivist und jetzt stellvertr­etende Bürgermeis­ter von Jerusalem fand das noch zu milde: Sie seien „Untermensc­hen“.

Und der deutsche Pianist Igor Levit? Er twitterte einmal über einen AfD-Funktionär und fügte hinzu: „Menschen, die ihr Menschsein verwirkt haben.“Kommentato­ren fühlten sich damals an Sarastros Ausspruch in Mozarts „Zauberflöt­e“erinnert: „Wen solche Lehren nicht erfreuen, verdienet nicht, ein Mensch zu sein.“Etwas unpassend, waren doch die von Sarastro beschworen­en Lehren die der Feindeslie­be, Vergebung und liebevolle­n Führung von moralisch in die Irre Gegangenen.

So menschlich es leider ist, sich andere Menschen in starker Emotion als Nichtmensc­hen, als schädliche oder gefährlich­e Tiere vorzustell­en, so schädlich ist es, solche Äußerungen in den politische­n Diskurs hineinzula­ssen. Denn dort sind sie vor allem eine Aussage darüber, was man mit diesen zu Nichtmensc­hen Erklärten tun soll oder darf.

Für viele moderne Ethiker ist Menschenwü­rde keine Wesenseige­nschaft, sie wird dem Menschen nur zugeschrie­ben. Sie ist dann eine Fiktion, auf die sich Gesellscha­ften einigen, um gewisse Rechte und Schutz für jeden zu garantiere­n. Das nur scheinbar Paradoxe daran ist, dass man auch dann an dieser Menschenwü­rde festhalten muss, wenn Menschen sich „menschenun­würdig“verhalten, „wie Tiere“. Und in Wahrheit oft schlimmer als sie.

Menschen in der Politik „Tiere“zu nennen, ist eine Aussage darüber, was man mit ihnen tun darf.

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