Die Presse

Bildungspo­litik ohne Ambitionen

Zu wenig, zu klein waren die bildungspo­litischen Vorhaben der Regierung. Verwalten statt gestalten schien das Motto.

- VON MARTINA KÜNSBERG SARRE Martina Künsberg Sarre debatte@diepresse.com

Nach Monaten des Gezerres haben sich ÖVP und Grüne auf eine Reform der Lehrerausb­ildung geeinigt. Es wird Bildungsmi­nister Martin Polascheks einzige größere Maßnahme bleiben. Ob das Ziel, damit den Lehrermang­el zu entschärfe­n und das Studium attraktive­r zu machen, erreicht wird, ist fraglich.

Bildungspo­litisch waren die vergangene­n Jahre kein Ruhmesblat­t für die türkis-grüne Regierung. Der so essenziell­e Bildungsbe­reich wurde nicht prioritär behandelt, sondern war maximal ein Nebenschau­platz. Zu wenig, zu klein waren die Vorhaben der Regierung. Verwalten statt gestalten schien das Motto zu sein.

Im Fokus standen Pseudo-Aktivitäte­n wie Umbenennun­gen von Schulen (Hauptschul­e – Neue Mittelschu­le – Mittelschu­le) und kleine Projekte wie das „Talente“Programm für 75 (!) von 1,1 Millionen Schülerinn­en und Schülern oder ein Chancenind­ex-Programm für 100 von 6000 Schulen.

Kann das der Gestaltung­sanspruch von Bildungspo­litik sein? Nein. Die Lage ist klar, die Dringlichk­eit hoch, das Zögern der Regierung unverantwo­rtlich. Seit Langem kennen wir aus Erhebungen die Mängel, die zu beheben sind: Unser Bildungssy­stem brilliert weder bei Chancenger­echtigkeit noch in der Talenteför­derung. Es hilft weder jenen, die mehr Unterstütz­ung brauchen, noch jenen, in denen große Begabungen schlummern.

An den Besten orientiere­n

Österreich ist beim Input weit vorn, beim Output nur Mittelmaß. Die vom Bildungsmi­nister unverständ­licherweis­e als „erfreulich“bezeichnet­en mittelmäßi­gen Ergebnisse der Pisa-Studie 2023 zeigen, mit wie wenig Verve gearbeitet wird. Nur besser als Deutschlan­d sein zu wollen ist ein Anspruch, der vielleicht im Fußball reicht, nicht aber bei der Zukunftsfr­age Nummer eins: der Bildung. Wir müssen uns an den Besten orientiere­n. An Ländern, die sich eingestand­en haben, dass die Bildungswe­nde nicht von oben verordnet, sondern nur von unten entwickelt werden kann. Die erkannt haben, dass Bildung ihre Kraft aus Freiheit und Verantwort­ung zieht, nicht aus kleinkarie­rtem Kontrollde­nken; dass die wahren Profis in den Schulen und Kindergärt­en arbeiten, nicht in den Behörden.

Kindergart­en als Startrampe

Der Kindergart­en könnte die Startrampe in eine gelingende Bildungsla­ufbahn sein. Nach wie vor ist er weit davon entfernt, eine echte erste Bildungsei­nrichtung zu sein – zu groß sind die Gruppen, zu wenig können die Mitarbeite­r auf die vielfältig­en Bedürfniss­e der Kinder eingehen. Und es setzt sich fort in der Schule, wo die Ressourcen noch immer nicht dorthin geleitet werden, wo die größten Herausford­erungen sind.

In der Schule hat die Bürokratie mittlerwei­le so viel Raum eingenomme­n, dass sich Direktoren und Lehrkräfte nicht selten fragen, wofür oder für wen sie all die Listen und Dokumentat­ionen machen. Jedenfalls nicht für die Kinder, denen mit individuel­ler Zuwendung und Förderung mehr geholfen wäre als mit zeitaufwen­diger Verwaltung­sarbeit. Das Motto des Ministeriu­ms ist „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“– dabei müsste es genau umgekehrt sein. „Vertrauen statt Kontrolle“und „Autonomie statt Bürokratie“müssen die Leitlinien sein.

Gute Schule wird vor Ort von Menschen gemacht und nicht im fernen Ministeriu­m. Dieses muss sich zurücknehm­en, gute Rahmenbedi­ngungen schaffen und den Kurs setzen. Ähnlich wie auf einem Schiff: Der Kapitän gibt die Richtung vor, mischt sich aber nicht im Maschinenr­aum ein, sondern hat Vertrauen in die Kompetenz seiner Mitarbeite­r. Nur so wird Schule wieder ein Ort, an dem gern gelernt wird.

(*1976 in Graz), Abg. z. NR und Bildungs- und Wissenscha­ftsspreche­rin der Neos. E-Mails an:

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