Unüberwindbare Ungleichheit, im Namen der Gleichheit
Ein namhafter österreichischer Denker verlässt aus Sorge um die Zukunft seines Nachwuchses das Land. Seine Begründung dafür beschreibt, was hier alles falsch läuft.
Der Wiener Philosoph Rahim Taghizadegan, Leiter des Scholarium-Instituts und einer der wenigen bedeutenden liberalen Denker Österreichs, hat dieser Tage erklärt, seinen Lebensmittelpunkt von Wien in die Schweiz zu transferieren.
Nun ja, das ist jetzt noch kein Sachverhalt besonderen öffentlichen Interesses. Wirklich liberale Intellektuelle gelten in Österreich ja traditionell bestenfalls als Spinner, jedenfalls aber als hochgradig dubios, als Gefahr für die dominierenden „Sozialisten in allen Parteien“(Friedrich August von Hayek). Sie kommen im öffentlichen Diskurs daher eher spärlich vor. Und jetzt halt demnächst einer weniger im Lande.
Interessant ist hingegen, wie der Auswanderer seinen Abgang begründet. „Für so wissbegierige und schaffensfrohe Kinder wie meine“, schreibt er im Abschiedsbrief, „scheint Wien immer unzumutbarer. Die Gefahr ist viel zu groß, dass die negative Grundstimmung vieler Wiener auf sie abfärbt, in unguter
Verbindung mit typischer Wohlstandsverwahrlosung, Etatismus und Anspruchsmentalität. Das demografische Vakuum kinderloser, oft kinderfeindlicher Menschen wird mit Elementen gefüllt, die nicht viel mehr bringen als einen Testosteronschub, Arbeit für immer mehr staatsfinanzierte Betreuer und Verwalter und Kostendruck für die schon ausgepressten Steuerzahler.“
Das mag überpointiert erscheinen, ist deswegen aber nicht falsch. Genauso wenig wie sein Hinweis auf die 70 Prozent Steuern, die der Staat hierzulande einem Durchschnittsverdiener zwischen den effektiven Arbeitskosten und dem Nettoarbeitsertrag abknöpft, was vielen Mensch gar nicht bewusst ist. Und Konsequenzen unerquicklicher Natur hat, wie er weiter ausführt: „Beim erbärmlichen Rest zwingt dann die Inflation zur Spekulation, für die man durch Zinsplanwirtschaft verstärkte Volatilität zu tragen hat. Diese so verursachte, fast unüberwindbare Ungleichheit im Namen der Gleichheit, nämlich die Unmöglichkeit, mit ehrlicher Arbeit Vermögen aufzubauen, dämpft natürlich das Gemüt und erklärt sicher einen Teil der Zukunftsunlust und Gegenwartsfixierung.“
Taghizadegan beschreibt hier eine Gefühlslage, die nicht wenige Menschen in diesem Lande durchaus teilen, und zwar gerade diejenigen, die dank ihrer Leistungsbereitschaft als Nettozahler den Sozialstaat und seine Segnungen mit ihrem Steueraufkommen finanzieren. Diese Menschen zunehmend zu frustrieren, ist nicht die schlaueste aller Ideen.
Gerade wer in Wien lebt, wird nachvollziehen können, was Taghizadegan entgegen der penetranten Rathaus-Propaganda von der wundervollsten Stadt der Welt konstatiert, was aber nicht nur für die Bundeshauptstadt gilt: „Wien hat seine besten Tage hinter sich. Der Höhepunkt an kultureller und unternehmerischer Schaffenskraft liegt in weiter Vergangenheit. Der Höhepunkt der Früchte jener Verbindung von reichem Erbe, glücklicher Lage und vor allem Einbindung in die Globalisierung liegt in näherer Vergangenheit.“Noch wäre es vermutlich möglich, all diese Entwicklungen zu stoppen, den Trend umzukehren und die notwendigen Voraussetzungen für „kulturelle und unternehmerische Schaffenskraft“wiederherzustellen.
Taghizadegan beschreibt eine Gefühlslage, die nicht wenige Menschen in diesem Land durchaus teilen.
Leider ist weit und breit keine politische Kraft sichtbar, die die damit verbundenen extremen Mühen durch eine Revolution, die Elemente von Margaret Thatcher und dem neuen argentinischen Präsidenten, Javier Milei, auf dem von Friedrich August von Hayek geschaffenen intellektuellen Fundament brauchte, dem Wähler zumuten wollte.
Dessen vor genau 85 Jahren in London erschienenes Werk „Der Weg zur Knechtschaft“warnt, heute mehr denn je gültig, vor genau jener unguten Entwicklung, die heute Menschen wie der Philosoph Rahim Taghizadegan wahrnehmen – und die sie ihren Kindern ersparen wollen, soweit das überhaupt noch geht. Gute Reise!