Das knappe Präsidentenrennen in Bratislava
Am Samstag wird ein neuer Präsident gewählt. Favorit Pellegrini wirkte zuletzt defensiv. Rivale Korčok schwimmt auf der Welle der Unzufriedenheit.
Bratislava. Das Rennen ist spannend bis zuletzt. Zumindest, wenn man auf die vier letzten Umfragen blickt, die vor der Präsidentenstichwahl in der Slowakei veröffentlicht worden sind. In zwei Umfragen liegt der sozialdemokratische Parlamentspräsident, Peter Pellegrini, zum Teil hauchdünn vorn, in zwei anderen der liberale Ex-Außenminister und Diplomat Ivan Korčok. Der an der Wirtschaftsuniversität Bratislava (Presseburg) lehrende Politikwissenschaftler Radoslav Štefančík weist im Gespräch mit der „Presse“aber darauf hin, dass Umfragen mit Vorsicht zu bewerten seien: Vor dem ersten Durchgang am 23. März hätten die Umfragen auch Pellegrini vorn gesehen, aber am Ende habe Korčok mit fünfeinhalb Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Gerade dieser Überraschungssieg im ersten Wahlgang gegen Pellegrini und sieben andere, nun ausgeschiedene Kandidaten hat dem Korčok-Team offenbar gewaltigen Schwung verliehen.
Zudem nützte Korčok erfolgreich den Mobilisierungsschub, der seit Dezember von den liberalen und konservativen Oppositionsparteien organisierten Massenproteste, indem er sie im Wahlkampffinale in Kundgebungen zu seiner Unterstützung ummünzte. Schon nach der Stimmauszählung im ersten Wahldurchgang strömten nach Schätzung des Korčok-Kampagnenteams 26.000 Menschen auf den Freiheitsplatz in Bratislava, um gegen die Regierung und für Korčok zu demonstrieren.
Jetzt am Mittwoch, dem letzten Tag, an dem vor der Stichwahl noch Wahlveranstaltungen erlaubt waren, ließ er sich erneut bei einer Massenkundgebung feiern. Die liberale und konservative Opposition hatte zwar die Parlamentswahl im Herbst verloren, zeigte aber bei diesen Protestkundgebungen gegen Justizreform oder Medienumbaupläne der Regierung ein überraschend starkes Mobilisierungspotenzial. „Diese Demonstrationen haben Korčok sicher geholfen. Viele konnten erkennen, dass im Staat nicht alles in Ordnung ist und die Regierungsparteien keine Politik zum Wohle der Bürger machen, sondern in erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgen“, sagt der Politologe Štefančík.
Verzicht auf große Kundgebungen
Der ursprünglich nach Umfragen hoch favorisierte Pellegrini hingegen wirkte in der Endphase des Wahlkampfs zunehmend unsicher, lehnte mehrere TV-Duelle und Radiodiskussionen ab und trat auch bei keinen großen Wahlkundgebungen auf. Stattdessen zog er sich auf Facebook-Informationen über kleine Begegnungen mit Prominenten und „Menschen aus dem Volk“zurück. Das wirkte defensiv.
Der Diplomat Korčok war bis zur Ankündigung seiner Kandidatur in der breiten Bevölkerung wenig bekannt. Er sammelt erfolgreich die Stimmen all der Menschen ein, die mit der Regierungspolitik unzufrieden sind. Bei der Parlamentswahl im Herbst gaben die Wählerstimmen aus kleinstädtisch-ländlichen Regionen den Ausschlag zugunsten der jetzigen Drei-Parteien-Koalition. Sie besteht aus Premier Robert Ficos Partei „Richtung – Slowakische Sozialdemokratie“(Smer-SSD), der davon 2020 abgespaltenen PellegriniPartei „Stimme – Sozialdemokratie“(HlasSD) und der zwar kleinen, aber lauten nationalistisch-prorussischen Slowakischen Nationalpartei SNS.
Viele dieser Wähler sind als Wohlstandsverlierer politikverdrossen und könnten leicht dazu neigen, gar nicht zur Wahl zu gehen. Ein Teil von ihnen unterstützte im ersten Wahlgang den Ex-Justizminister und prorussischen „Anti-System-Politiker“Stefan Harabin, der so drittstärkster Kandidat wurde.
Rechte Wahlkampfrhetorik
Harabins Wähler verabscheuen zwar Korčok und bezeichnen ihn als „Agenten der USA“. Er war schon als Botschafter in den USA und Außenminister klar proamerikanisch und für eine massive Waffenhilfe für die Ukraine. Aber wenn die Alternative der für sie viel zu liberale, ebenfalls prowestliche Pellegrini sein soll, werden wohl die meisten von ihnen gar nicht wählen gehen – was am Ende Korčok nützen würde.
Pellegrini versuchte zuletzt, HarabinWähler mit für ihn untypisch nationalistisch wirkenden Tönen anzulocken. So stellte er etwa fest, die Slowakei müsse ihre Außenpolitik unabhängig vom Ausland – gemeint sind vor allem die USA – definieren. Doch das könnte nach hinten losgehen, meint der Politologe Štefančík: „Das Problem ist, dass Pellegrini mit seiner Wahlkampfrhetorik nach rechts rückt, um vor allem die Wähler von Harabin anzusprechen. Diese Art der Argumentation könnte jedoch seine ursprünglichen Wähler vergraulen, die in ihm eine Art modernen Sozialdemokraten sehen. Pellegrini muss sich seine Kommunikationsstrategie gut überlegen, denn wenn er im nationalistischen Lager Wähler gewinnt, kann er zugleich seine Stammwähler verlieren.“Schließlich hat sich Pellegrini 2020 mit seiner Partei-Neugründung auch deshalb vom Langzeitpremier Fico getrennt, weil dieser immer nationalistischer wurde.