Die Presse

Warum es Spione in Österreich leichter haben

Sicherheit. Niederländ­ische Nachrichte­ndienste gelten internatio­nal als Vorreiter. Während sie regelmäßig große Spionageop­erationen aufdecken, wird Österreich­s Verfassung­sschutz von Skandalen heimgesuch­t. Warum?

- VON DANIEL BISCHOF

Wien. Schon früh hatten sie Hinweise darauf, dass Russlands Agenten die Server der US-Demokraten hackten, um die US-Wahlen 2016 zu beeinfluss­en. In Den Haag vereitelte­n sie eine russische Spionageak­tion gegen die Organisati­on für das Verbot chemischer Waffen. Auch an der Sabotage des iranischen Atomprogra­mms waren sie wohl beteiligt. Niederländ­ische Nachrichte­ndienste machen regelmäßig mit Erfolgen von sich reden.

Österreich hingegen wird von Spionageaf­fären heimgesuch­t. Nach der Reform des Verfassung­sschutzes im Dezember 2021 kehrte zwar etwas Ruhe ein. Versäumnis­se vergangene­r Tage holen das Land aber nun mit dem Fall des Ex-Verfassung­sschützers Egisto Ott ein. Was hat die Niederland­e besser gemacht als Österreich?

Während ein Vergleich der angloameri­kanischen Dienste und jener Österreich­s nicht sinnvoll sei, könne man die Niederland­e und Österreich vergleiche­n, sagt der Nachrichte­ndienstexp­erte und Historiker Thomas Riegler. Zwar sind die Niederland­e im Gegensatz zu Österreich Nato-Mitglied, doch sind beide EU-Mitglieder, kleinere und wohlhabend­e Länder – und diplomatis­che Drehscheib­en. In beiden Staaten sind internatio­nale Organisati­onen ansässig, daher sind sie auch für Spione interessan­t.

Andere Traditione­n

In Österreich gibt es drei Dienste, zwei sind im Bundesheer angesiedel­t: das Heeresnach­richtenamt als Auslandsna­chrichtend­ienst und das Abwehramt, das das Militär vor Extremiste­n und Spionen schützt. Dazu kommt der Inlandsnac­hrichtendi­enst des Innenminis­teriums: die Direktion Staatsschu­tz und Nachrichte­ndienst. In den Niederland­en schützt der Militärisc­he Nachrichte­ndienst die Armee und übernimmt die militärisc­he Gefahrener­forschung. Der zivile Allgemeine Nachrichte­n- und Sicherheit­sdienst ist der Inlands- und Auslandsna­chrichtend­ienst.

Dass die geringere Zahl an Diensten das Erfolgsgeh­eimnis ist, weisen Experten zurück. Es gebe, so wie in anderen Ländern auch, in den Niederland­en Kompetenzk­onflikte zwischen den Behörden, sagt Riegler. Im Unterschie­d zu Österreich haben die Dienste in den Niederland­en eine gewachsene Tradition. „Wir haben da einen ganz anderen politische­n und kulturelle­n Zugang“, sagt Paul Schliefste­iner, Direktor des Austrian Center for Intelligen­ce, Propaganda and Security Studies, das zu Nachrichte­n- und Geheimdien­sten forscht.

In Österreich und Deutschlan­d seien „die Traditione­n der Nachrichte­ndienste negativ in der Bevölkerun­g besetzt“, sagt der Historiker Siegfried Beer. Das liegt vor allem an der Nazi-Diktatur mit ihrem Gestapo-Geheimdien­st. In den angloameri­kanischen und aus dem Zweiten Weltkrieg siegreich hervorgega­ngenen Staaten hingegen wurden die Nachrichte­n- und Geheimdien­ste für ihre Arbeit bejubelt.

In Österreich gab es daher Vorbehalte gegen einen zu starken Staatsschu­tz. Hinzu kam, dass Österreich als neutraler Staat „ein guter Gastgeber sein wollte“, sagt Riegler. Konflikte mit fremden Mächten wollte man vermeiden.

„Das hat im Kalten Krieg noch viel besser funktionie­rt, als Österreich nicht in der EU und nicht Mitglied der Nato-Partnersch­aft für den Frieden war“, sagt Riegler.

Nach dem Kalten Krieg habe sich Österreich vor allem vor Bedrohunge­n aus Russland sicher gewähnt, sagt Riegler. Den Staatsschu­tz ausreichen­d personell aufzustell­en war nie eine politische Priorität, stattdesse­n waren parteipoli­tische Postenbese­tzungen an der Tagesordnu­ng. Das BVT etwa galt als tiefschwar­ze Behörde.

„Das schwächste Glied“

„Dabei ist ja entscheide­nd, dass man über Österreich an Informatio­nen über Dritte gelangen kann. Das schwächste Glied in der Kette greift man zuerst an“, gibt Riegler zu bedenken. Das könnte bei Ott der Fall gewesen sein, der den Russen in Österreich einen Laptop mit Staatsgehe­imnissen eines anderen Landes verschafft haben soll.

In den Niederland­en wurden neue Bedrohunge­n früher erkannt. Vor allem im Cyber-Bereich stellten sich die Dienste auf und gelten als Vorreiter. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Dienste schon vor Jahrzehnte­n Wissenscha­ftler in ihre Analysearb­eit eingebunde­n haben, wie Beer beschreibt. In Österreich hingegen habe es nie Initiative­n seitens der Dienste dafür gegeben. Erst seit Kurzem gibt es einen Spionage-Lehrgang an der Donau-Uni Krems: „Eine positive Entwicklun­g“, sagt Beer.

Österreich­s Dienste vernachläs­sigten auch ihre Sicherheit­sstandards. Bei den Niederländ­ern müssen sich Mitarbeite­r einem IrisScan unterziehe­n, Handys sind verboten, Kontrollen können jederzeit stattfinde­n, schildert Riegler. In Österreich hingegen wurden Sicherheit­sstandards lang vernachläs­sigt, wie auch eine Analyse ausländisc­her Partnerdie­nste zeigte. Das dürfte dem mutmaßlich­en Spion Egisto Ott geholfen haben. Er hatte offenbar, obwohl die Vorwürfe gegen ihn bekannt waren, Zugang zu polizeilic­hen und anderen wichtigen Datenbanke­n. Allerdings: Im Zuge der BVT-Reform wurde nachgeschä­rft, die Sicherheit­sstandards sind nun auch in Österreich höher.

Vor allem aber haben die niederländ­ischen Dienste mehr Befugnisse als jene Österreich­s. „Dort ist es auch möglich, Diplomaten­autos mit Peilsender zu versehen und zu verwanzen“, so Riegler. 2018 sei etwa eine russische Spionageop­eration durch engmaschig­e Überwachun­g vereitelt worden. In Österreich sind die Instrument­e begrenzt, so können die Dienste keine verschlüss­elten Messengerd­ienste auf den Handys überwachen.

Unentschlo­ssene Politik

Schliefste­iner gibt zu bedenken, dass bei einer Ausweitung der Befugnisse Österreich aufgrund seiner Neutralitä­t ausgewogen vorgehen müsse. Es könne nach einer Reform wohl nicht nur selektiv gegen Staaten wie Russland ermittelt und „Partnerdie­nste“wie zum Beispiel die US-Amerikaner außer Acht gelassen werden. Generell habe sich Österreich „bisher nie entscheide­n können, ob es einen starken Staatsschu­tz für den Schutz des demokratis­chen Rechtsstaa­tes will, dem man auch vertraut, oder ob man das Ganze nur vage aufzieht“.

 ?? [APA/AFP/Kenzo Tribouilla­rd] ?? Der niederländ­ische Staatsschu­tz gilt im internatio­nalen Vergleich als hervorrage­nd aufgestell­t. Vor allem im Cyberberei­ch spielt er in der obersten Liga der Geheimdien­ste mit.
[APA/AFP/Kenzo Tribouilla­rd] Der niederländ­ische Staatsschu­tz gilt im internatio­nalen Vergleich als hervorrage­nd aufgestell­t. Vor allem im Cyberberei­ch spielt er in der obersten Liga der Geheimdien­ste mit.

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