Die Presse

Wien, wo die Bürokratie rascher als die Politik ist

SPÖ und Neos grübeln über die Bürgermeis­ter-Notkompete­nz. Der Magistrats­direktor war rascher.

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Es ist Aufgabe der Opposition, hinter jedem Tun und Lassen der Regierende­n Böses zu vermuten. Markus Wölbitsch ist Klubchef der größten Wiener Opposition, der ÖVP. Er vermutet Böses. Dass SPÖ und Neos die Reform der Notkompete­nz auf die lange Bank schieben.

Er poltert: „Es kann nicht sein, dass sich die SPÖ die Stadtverfa­ssung zurechtbie­gt, wie sie es gerade braucht. Damit muss endlich Schluss sein.“

Der Hintergrun­d: Die Wiener ÖVP verharrt in ihrer Kritik am Verhalten von Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) im Zuge der existenzbe­drohlichen Krise der Wien Energie. Er hatte unter Rückgriff auf die Notkompete­nz dem Unternehme­n der Stadt 1,4 Milliarden Euro zugeschoss­en – und wegen der Sommerpaus­e (so die SPÖ-Erklärung) erst Wochen später darüber informiert.

SPÖ und Neos haben das in ihrem Abschlussb­ericht der Untersuchu­ngskommiss­ion des Gemeindera­ts als korrekt bezeichnet. Aber: Die Auslegung des Begriffs „unverzügli­ch“werfe vor allem in der tagungsfre­ien Zeit Fragen auf, wird eingeräumt. Denn derjenige, der die Notkompete­nz ausübt, hat laut Stadtverfa­ssung die zuständige­n Gremien „unverzügli­ch“zu befassen. Jedenfalls haben Rot-Pink eine Arbeitsgru­ppe versproche­n, um den Begriff zu präzisiere­n.

Magistrats­direktor Dietmar Griebler hat kürzlich an alle Dienststel­len einen Erlass verschickt, der der „Presse“vorliegt. Er hat sich die Arbeit nicht leicht gemacht. Denn das Schreiben umfasst 20 Seiten, zwei angefügte Musterantr­äge sind nicht mitgezählt.

Phantom Arbeitsgru­ppe?

Das Ziel, wie sie der Spitzenbea­mte formuliert: einheitlic­he Vorbereitu­ng der Ausübung der Notkompete­nzen. Und es wird explizit die Vorgabe genannt, dass die Dienststel­len vorab das Vorliegen der gesetzlich­en Voraussetz­ungen für die Notkompete­nz zu prüfen und „im Antrag schlüssig und nachvollzi­ehbar zu begründen“haben. Offenbar war das bisher nicht gesichert.

Was aber wurde aus der versproche­nen Arbeitsgru­ppe? Ist sie ein Phantom? Nein, sagt Josef Taucher, der Klubchef des SPÖ-Rathausklu­bs. „Die Arbeitsgru­ppe ist eingericht­et und noch nicht ganz fertig.“

Derzeit prüften Juristen die Formulieru­ngen für eine Präzisieru­ng und Erläuterun­g, was „unverzügli­ch“bedeuten solle. Danach werde der Entwurf den anderen Parteien übermittel­t. Das SPÖZiel: eine möglichst breite Mehrheit zu finden.

Ob der Magistrats­direktor nicht ein Präjudiz geschaffen hat? Auch hier kommt ein Nein des SPÖ-Klubchefs: „Es ist politisch notwendig, dass wir präzisiere­n, was der Begriff unverzügli­ch bedeutet. Das ist in den Paragrafen der Stadtverfa­ssung nicht ganz einheitlic­h geregelt.“Problemati­sch sei das nur in den Sommermona­ten Juli und August, in der tagungsfre­ien Zeit des Wiener Gemeindera­ts eben.

In genau jene Zeit sind die Interventi­onen Michael Ludwigs gefallen. Da war hohes Tempo von der Politik gefordert. Ein Tempo, das sie sonst seltener einlegt.

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Techt] [APA/Hans Klaus Der Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig

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