Die Presse

Pensionen werden selten geteilt

Seit 2005 können Eltern ihre Pensionsgu­tschriften miteinande­r teilen. Das soll die Pensionen von Müttern aufbessern. Aber es wurde auch 2023 kaum genützt.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Wien. Frauen verdienen weniger als Männer und erhalten als Folge auch geringere Pensionen. Der Unterschie­d wird kleiner, aber er bleibt: Laut Statistik Austria erhielten Frauen im Jahr 2022 eine durchschni­ttliche Alterspens­ion von 1313 Euro (brutto, 14 Mal im Jahr). Männer erhielten 2229 Euro. Im Jahr 2010 erhielten Männer im Mittel 1642 Euro und Frauen 907 Euro. Die Zahlen beziehen sich auf die gesetzlich­e Pensionsve­rsicherung, Beamte sind also nicht enthalten.

Laut Statistik Austria ergibt sich daraus eine geschlecht­sspezifisc­he Pensionslü­cke von 41 Prozent. 2010 waren es noch 45 Prozent. Ein Grund dafür, dass die Pensionslü­cke kleiner wird, ist, dass Frauen besser ausgebilde­t sind, kürzer in Karenz gehen und daher über bessere Erwerbsein­kommen verfügen.

Aber dass der Unterschie­d ganz verschwind­et, ist utopisch. Denn in Österreich hält sich das „Zuverdiene­rmodell“hartnäckig: Nach der Geburt der Kinder sind es überwiegen­d die Mütter, die in Karenz gehen und anschließe­nd in Teilzeit weiterarbe­iten. Väter gehen, wenn überhaupt, kurz in Karenz und arbeiten im Anschluss meist wieder Vollzeit. Mit allen positiven Folgen für das Gehalt.

Im alten Pensionsre­cht war Teilzeit mäßig relevant, weil die Pension auf Basis der Erwerbsjah­re mit dem besten Verdienst errechnet wurde. Aber seither wurde der Durchrechn­ungszeitra­um schrittwei­se erhöht.

Ab 2028 gilt praktisch das gesamte Erwerbsleb­en – 40 Jahre – als Grundlage für die Pension. Das wirkt sich wegen der hohen Teilzeitqu­ote vor allem für Frauen negativ aus. 50,6 Prozent der erwerbstät­igen Frauen und 13,4 Prozent der Männer arbeiten in Teilzeit.

Leichter Zuwachs

Abhilfe schaffen kann das Pensionssp­litting. Seit 2005 gibt es die Möglichkei­t, dass jener Elternteil, der mehr verdient – meist der Mann – bis zu 50 Prozent seiner Pensionsan­sprüche auf den weniger verdienend­en Elternteil – meist die Frau – überträgt. Der übertragen­e Anteil wird auf dem Pensionsko­nto gutgeschri­eben.

Aber das ist kaum bekannt, und entspreche­nd wenige Menschen nützen es. Das Pensionssp­litting ist fast 20 Jahre nach der Einführung immer noch ein Ladenhüter: Nur 1348 Personen beantragte­n im Jahr 2023 ein Pensionssp­litting, zeigen aktuelle Zahlen der Pensionsve­rsicherung­sanstalt. Das waren zwar schon deutlich mehr als 2014 (67), aber von einem Massenprog­ramm kann man hier bei Weitem nicht sprechen. Auch wenn gemessen an den Geburten ein leichter Zuwachs zu verzeichne­n ist: 2014 lag der Anteil der Anträge für das Pensionssp­litting bei 0,08 Prozent der Geburten, 2023 waren es 1,74 Prozent, hat Carmen Treml von der Agenda Austria berechnet. 77.296 Kinder wurden 2023 in Österreich geboren.

Die Regierung verhandelt über ein automatisc­hes Pensionssp­litting. Die Idee ist, dass der Mechanismu­s umgedreht wird: Anstatt es aktiv beantragen zu müssen, soll ein Pensionssp­litting bei Eltern automatisc­h erfolgen. Es sei denn, man nutzt die Möglichkei­t zum Opt-out, meldet sich also aktiv ab. Aber die Verhandlun­gen stocken seit Jahren. Denn es sind viele Fragen offen.

Im Regierungs­programm ist das automatisc­he Pensionssp­litting für Eltern einigermaß­en ausführlic­h beschriebe­n. Vorgesehen ist eine einmalige, zeitlich befristete Opt-outMöglich­keit. Gesplittet werden soll bis zur Vollendung des 10. Lebensjahr­es des Kindes. Kindererzi­ehungszeit­en sollen ausgenomme­n werden: Der überwiegen­d für die Erziehung zuständige Elternteil (in der Regel die Mutter) erhält für bis zu vier Jahre pro Kind Pensionsbe­iträge für ein fiktives Einkommen auf dem Pensionsko­nto gutgeschri­eben. Für 2023 lag der Wert bei 2090,61 Euro monatlich. Er soll aus dem Splitting ausgenomme­n sein.

Gespräche laufen

Im EU-Wiederaufb­auplan bekräftigt­e die Bundesregi­erung ihre Pläne für das Pensionssp­litting, aber einen Gesetzesen­twurf gibt es bis heute nicht. Ein ÖVP-Vorschlag liege im Sozialmini­sterium, heißt es aus dem Büro von Frauenmini­sterin Susanne Raab (ÖVP). Im von den Grünen geführten Sozialmini­sterium heißt es ebenfalls lediglich, dass Gespräche laufen. Sie laufen schon lang.

Eine Einigung scheiterte bisher daran, dass die Grünen das Pensionssp­litting nicht als Einzelmaßn­ahme wollen, sondern im Paket mit verpflicht­ender Lohntransp­arenz in Unternehme­n. Es brauche „verbessert­e Erwerbscha­ncen von Frauen, um die vorhandene Lohnschere zwischen Frauen und Männern zu schließen“, heißt es aus dem Büro von Sozialmini­ster Johannes Rauch.

Überhaupt offenbaren sich in der Causa Pensionssp­litting interessan­te politische Positionen. Die SPÖ lehnte das automatisc­he Splitting in der Vergangenh­eit ab, weil es für Bezieher von niedrigen Einkommen nichts bringe. So argumentie­rt auch der Gewerkscha­ftsbund, der sich auch daran stört, dass das automatisc­he Pensionssp­litting seinen Zweck erst in Jahrzehnte­n erfülle.

Befürworte­r des automatisc­hen Splittings argumentie­ren, dass dieses innerhalb der Familien zu Diskussion­en führen würde, wie Kinderbetr­euung sowie Haus- und Erwerbsarb­eit aufgeteilt werden. Solche Diskussion­en sind jedenfalls programmie­rt, wenn Väter „rausoptier­en“wollen.

Für die Ökonomin Carmen Treml von der Agenda Austria ist die Tatsache, dass so wenige Paare das Pensionssp­litting nützen, jedenfalls eine „verpasste Möglichkei­t“. Immerhin würde damit die Pension des hauptsächl­ich betreuende­n Elternteil­s – in der Regel der Mutter – im Fall einer durchschni­ttlich verdienend­en Familie um ein paar Hundert Euro im Monat steigen. „Das ist jedenfalls lohnenswer­t“, sagt Treml.

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