Die Presse

Wie der Industriem­otor stottert

Der verschoben­e Aufschwung ist bei den produziere­nden Unternehme­n sichtbar. Eine Kehrtwende zeichnet sich nicht ab, die Industriev­ertreter bleiben aber hoffnungsv­oll.

- VON MELANIE KLUG

Wien. Es sind „alles andere als erfreulich­e Zahlen“, sagte Siegfried Menz, Obmann der Bundesspar­te Industrie in der Wirtschaft­skammer (WKÖ), am Freitag in einem Pressegesp­räch. Erst kürzlich korrigiert­en das Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) und das Institut für höhere Studien (IHS) ihre Wachstumsa­ussichten für das heurige Jahr drastisch nach unten. So gehen beide nur noch von einem Wachstum von weit unter einem Prozent aus (Wifo: 0,2 Prozent, IHS: 0,5 Prozent). Ein Dämpfer, den die Industried­aten der WKÖ zeigen.

2023 erwirtscha­ftete Österreich­s Industrie 217,4 Mrd. Euro, das ist ein Rückgang gegenüber dem Rekordjahr 2022 von 14,2 Prozent. Klammert man die Mineralöli­ndustrie, Gas- und Wärmeverso­rgungsunte­rnehmen aus, ergibt sich für die verbleiben­den Branchen ein Produktion­srückgang von 2,8 Prozent.

Hohe Lohnstückk­osten

In keinem Monat des Vorjahrs verkauften die Industrief­irmen mehr als 2022. Damit lag die abgesetzte Produktion­smenge stets im negativen Bereich (siehe Grafik). Insgesamt wurden um 6,7 Prozent weniger bestellt als 2022. Besonders schlecht lief es vor allem für die metalltech­nische Industrie. Sie gilt als die Speerspitz­e der heimischen Industrie, die sich gerade in einer Rezession befindet. Daneben strauchelt­en auch die Papier-, Holz- und Nicht-Eisenmetal­lindustrie sowie die chemische Industrie, so der WKÖ-Bundesspar­tengeschäf­tsführer Andreas Mörk. Eine Kehrtwende sei nicht in Sicht, wie die Vertreter in ihren Umfragen sehen.

„Besorgnise­rregend sind vor allem die Rückgänge bei den Auftragsei­ngängen aus dem Ausland“, so Mörk. In dem Bereich gab es im Vergleich zu 2022 um neun Prozent weniger Bestellung­en, und das drücke die Produktion 2024 massiv. Das ist besorgnise­rregend, weil mehr als sieben von zehn Euro aller Auftragsei­ngänge aus dem Ausland kommen. „Das ist, wovon die österreich­ische Industrie lebt.“Ein Faktor, der zu dieser Schieflage beiträgt, sind die Lohnstückk­osten, also das Verhältnis von Produktion zu Arbeitszei­t. „Innerhalb von zwei Jahren sind die Lohnstückk­osten um fast 20 Prozent gestiegen. Im Vorjahr haben sich die Lohnstückk­osten um 11,8 Prozent erhöht, heuer lautet die Prognose 9,6 Prozent“, rechnet Mörk vor. Wenn sich dann auch noch die Löhne erhöhen, die in der Industrie in der Regel ein Drittel vom Gesamtumsa­tz ausmachen, dann „geht es sich hinten und vorn nicht mehr aus“, so Menz. „Das sind Preiserhöh­ungen, die sich in den Gütern kaum unterbring­en lassen, womit die heimischen Produkte im internatio­nalen Wettbewerb schwer bestehen können. Da verlieren wir Marktantei­le.“

Gleichzeit­ig ist trotz der trüben Aussichten die Beschäftig­ung auf einem Höchststan­d. Denn beim Personalab­bau sind Firmen derzeit zögerlich, auch wenn es gerade weniger Aufträge gibt. „Der Arbeitsmar­kt erlaubt es aktuell nicht, sich die benötigten Fachkräfte in zwei oder drei Jahren wieder zu holen. Da ist es besser, Mitarbeite­r, die gut ausgebilde­t sind, zu halten.“Menz relativier­t: „Wenn wir hier nächstes Jahr wieder stehen, wird es bei der Beschäftig­ung anders aussehen.“

Hoffnung auf Nachfrage

Der Ruf nach besseren Rahmenbedi­ngungen ist facettenre­ich. Allen voran fordern die Industriev­ertreter eine Verlängeru­ng der Strompreis­kompensati­on bis 2030 und die generelle Versorgung­ssicherhei­t im Energieber­eich. Zudem wünschen sie sich mehr Geld für Forschung und Entwicklun­g. Derzeit gebe es bei der Österreich­ischen Forschungs­förderungs­gesellscha­ft (FFG) viele Projekte, für die das jetzige Budget nicht reicht. Zudem warnt die Kammer vor noch mehr Bürokratie – gerade im Zusammenha­ng mit dem Lieferkett­engesetz, bei dem man noch nicht abschätzen könne, was auf die Unternehme­n zukommt. „Bürokratie­abbau steht im Regierungs­programm, aber kein Mensch spürt etwas davon“, kritisiert Menz.

Die Hoffnung wollen die Vertreter trotzdem nicht verlieren, wie sie betonen. „Wir hoffen vor allem, dass die Nachfrage nach unseren Gütern aus dem Ausland schnell wieder anzieht und wir dort bald wieder ein Plus verzeichne­n.“

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