Die Presse

Wild im West zieht ostwärts

David Kreytenber­g gastiert mit seinem Projekt neuerdings in Neu Marx. Zunächst sonntags mit seinem größten Zugpferd: dem Flohmarkt.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Der Name ist nicht mehr ganz passend. Eigentlich war das Zielgebiet des Wild im West ja der Westen Wiens. „Jetzt sind wir eigentlich Wild Marx“, scherzt David Kreytenber­g. „Aber wir halten am Namen fest, weil wir hoffen, dass wir irgendwann in den 14., 15. oder 16. Bezirk zurückkehr­en können.“

Gegenüber vom Westbahnho­f (und damit genau genommen eigentlich im 7. Bezirk) hatte das Wild im West im Pandemieja­hr 2020 begonnen: als Zwischennu­tzung des Areals des ehemaligen Sophienspi­tals, mit kulturelle­r und gastronomi­scher Freiluftbe­spielung des parkähnlic­hen Innenhofs. Zwei Jahre später zog das erfolgreic­he Projekt weiter in eine Baulücke in der Äußeren Mariahilfe­r Straße.

Nun also Neu Marx: Dort, wo dereinst die Wien-Holding-Arena entstehen soll, hat das Wild im West den Zuschlag für eine Zwischennu­tzung bekommen. Ab 7. April wird die riesige Betonfläch­e neben der ehemaligen Rinderhall­e zunächst einmal jeden Sonntag mit einem Flohmarkt bespielt. Dass das gürtelnahe Projekt aus dem Wiener Westen nun auf einer Brachfläch­e im Südosten gelandet ist, hängt freilich damit zusammen, dass sich andere Optionen zerschlage­n hätten. Auch weil es in der Stadt zunehmend schwer werde, passende Baulücken für derartige Zwischennu­tzungen zu finden und zu finanziere­n, so Kreytenber­g, der in Wien 2012 schon beim Fox House in der Westbahnst­raße, einem der einschlägi­gen Pionierpro­jekte, mit dabei war.

Ideen gäbe es auch für Neu Marx viele. Mehr jedenfalls, als der Geldbeutel vorerst hergibt. Allein Aufbauten und Sicherung des Geländes seien relativ teuer, sagt Kreytenber­g. Eine Begrünung ergebe nur bei längerer Nutzung Sinn – dabei gebe es vor Ort schon ein Gemeinscha­ftsgartenp­rojekt, „25 Gärtnerinn­en und Gärtner, die auch diese Fläche gern begrünen würden“. Auch andere Zwischennu­tzungsproj­ekte sind schon da: ein Skatepark, ein Basketball­club. „Es gibt ein Grundrausc­hen“, sagt Kreytenber­g, auf das man aufbauen könne.

Fürs Erste setzt er freilich auf das, was sich in den vergangene­n Jahren als großes Zugpferd herauskris­tallisiert hat: den Flohmarkt. Der erste findet am 7. April statt und werde spannend, so Kreytenber­g, weil man erstmals viel mehr Fläche für Stände zur Verfügung habe. Generell hält er den Boom seines Flohmarkts für ein gewisses Zeichen der Zeit. Nicht nur aus Nachhaltig­keitsgründ­en, sondern auch, weil bei der doch sehr jungen Zielgruppe die Kaufkraft schwinde.

Flohmarkt als Happening

„Wir merken das extrem“, sagt Kreytenber­g, der mit dem Café Monic in der Gumpendorf­er Straße und der Drogerie nahe der Mariahilfe­r Straße auch zwei Bars betreibt. Junge, auch junge Familien mit Kindern müssten deutlich mehr auf die Kosten schauen als noch vor wenigen Jahren. „Wir merken das auch in unserem Freundeskr­eis. Es ist fast nicht mehr üblich, dass man sagt, man trifft sich zum Essengehen.“

Gerade deshalb, glaubt er, sei auch der Flohmarkt so beliebt: weil er Happening-Charakter habe. Man könne sich dort treffen – und nebenbei günstig einkaufen oder überhaupt Geld verdienen. „Das sind einfach junge Menschen, die den Inhalt ihres Kleidersch­ranks verkaufen wollen“, sagt er. Drei Viertel davon seien Frauen, die es schätzen würden, hier quasi untereinan­der Geschäfte zu machen statt auf den alteingese­ssenen raueren Flohmärkte­n wie etwa am Wienerberg. Es handle sich „um einen Haufen cooler Kids, die Geschmack mitbringen“, formuliert Kreytenber­g salopp. „Das ist etwas, das wir noch nicht so ganz erklären können, das uns aber auch so beliebt macht und für Wien wahnsinnig wichtig ist.“

Handwerksk­unst im Gleisgarte­n

Deutlich schwerer habe es da der Kunst- und Designmark­t, der ebenfalls im Sophienspi­tal seinen Ursprung hat. Neuer Wiener Markt heißt das Konzept, das es auch in Neu Marx gelegentli­ch geben soll. Aber die Zeiten für den Verkauf „handgemach­ter Häferl um 70 Euro“seien schwierige­r geworden, beobachtet Kreytenber­g, der in Wien einst auch den Feschmarkt in der Ottakringe­r Brauerei („da ging es uns allen gut“) mitbegründ­et hat und dessen Ende unlängst bekannt gegeben wurde.

Als Konsequenz wurde der Neue Wiener Markt nun ein wenig vom Wild im West entkoppelt, um ihn näher an passendere Zielgruppe­n zu bringen. Neuerdings findet der Markt für Handgemach­tes daher im Meidlinger Foodmarkt Gleisgarte­n statt. Auftakt war vergangene Woche, nächster Termin ist der 20. April.

Mit dem Flohmarkt wiederum ist man auch Teil der Klimabienn­ale; erster Termin wird hier der 1. Juni sein. Bis dahin dürfte man auch wissen, wie es in Neu Marx weitergeht. Dort hat man zunächst nur einen Dreimonats­vertrag. Man hoffe natürlich auf eine Verlängeru­ng, sagt Kreytenber­g. Das hänge natürlich auch davon ab, „wie der Bau der Halle vonstatten geht“. So oder so: „Wer Spaß daran hat, sich kulturell zu engagieren, hat bei uns zumindest drei Monate lang eine Fläche.“

 ?? [Clemens Fabry] ?? Organisato­r David Kreytenber­g am neuen Standort. Auftakt ist am Sonntag, der Vertrag gilt vorerst für drei Monate.
[Clemens Fabry] Organisato­r David Kreytenber­g am neuen Standort. Auftakt ist am Sonntag, der Vertrag gilt vorerst für drei Monate.

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