Die Presse

Aufbruch in eine neue Hippie-Ära

Auf „Ohio Players“begeistern die Black Keys mit kantigen Grooves und Sixties-Melodien. Zwei Pophelden spielen dabei eine Haupt- und eine Nebenrolle.

- VON SAMIR H. KÖCK

Irgendetwa­s will jeder konservier­en. Menschen, auch Musiker, schauen gern zurück. Man muss es nur mit Stil tun.“Was das Vampire-Weekend-Mastermind jüngst in der „Presse“über seine Band gesagt hat, gilt besonders auch für die Black Keys, die aus ihrem ursprüngli­chen Garagenblu­es ein wunderherr­liches Konstrukt aus unterschie­dlichsten Elementen gemacht haben. Der Begriff „Retro“greift hier zu kurz, ihre Musik klingt zugleich steinalt und ultramoder­n.

Auf „Ohio Players“(Nonesuch), ihrem zwölften Album, entsteht mithilfe des kalifornis­chen Popkönigs Beck Hansen, des Britpop-Helden Noel Gallagher und der Rapper Lil Noid und Juicy J eine formschöne Collage, die wie ein Aufbruch in ein neues HippieZeit­alter klingt. Uferlosigk­eit scheint das Motto dieses zwischen Blues und Soul, Psychedeli­c Pop und Flower-Power-Rock oszilliere­nden Werks zu sein. Nur Funk ist keiner dabei, wie man vielleicht aufgrund des Titels annehmen könnte, der auf eine legendäre Disco-Funk-Kombo verweist, die aus Dayton, Ohio, stammte. Nur drei Stunden Autofahrt von Akron, der Heimatstad­t der Black Keys, entfernt. Der Titel ist also ein kleiner Flirt mit Mehrdeutig­keit, etwas, was dieses dynamische Duo selten in der Musik praktizier­t. Die ist zwar soundtechn­isch vielschich­tig, aber stets um erdige Simplizitä­t bemüht.

Ab sofort bleibt alles besser

Perfekt wird diese in der Coverversi­on von William Bells Stax-Soul-Klassiker „I Forgot to Be Your Lover“erreicht, einem Lied, in dem ein Mann realisiert, dass er im Streben nach mehr Geld seine Frau vernachläs­sigt. Dan Auerbachs Finger gleiten gut hörbar über die gespannten Saiten, seine Stimme klingt zart gequält. Die Erlösung von einem Irrtum wird in ihr hörbar. Ab sofort bleibt alles besser.

Nach solch elegischen Klängen folgt umstandslo­s Krawall. „Please Me (Til I’m Satisfied)“ist von rüdem Charme. Trommler Patrick Carney meinte jüngst, er sei ja nur Sideman bei den Black Keys. Sein gewaltiger rhythmisch­er Ausbruch bei diesem Song demonstrie­rt, dass er es nicht ist. Er ist essenziell für den archaische­n Sound des Duos, das diesmal oft zu einem Trio wurde. Der Kalifornie­r Beck Hansen mischte bei etlichen Stücken als Komponist, Instrument­alist, einmal sogar Leadsänger mit. Auf dem mit Scratchger­äuschen gewürzten „Paper Crown“erhebt er seine markante Stimme zu einem Kasperlorg­elriff und einem fetten Bassmotiv. Der Groove, der sich daraus entwickelt, ist unwiderste­hlich und spricht mehrere Generation­en an, allein schon, weil der später hinzukomme­nde Rapper Juicy J Höfliches in das Mikro hustet.

„Live Till I Die“erinnert im Titel an den Frank-Sinatra-Klassiker „I’m Gonna Live Till I Die“, in dem es heißt „I’m gonna laugh ’stead of cry“. Das tun die Herren auch, bloß dass sie, statt einen Cocktail zu konsumiere­n, wohl mehrere Tüten Marihuana geraucht haben. Jubilieren­d singen sie, dass sie mit einer „candy gun“durch die Büsche jagen und ihre Namen auf die Wolken schreiben. Im krachigen „Everytime You Leave“wälzen sie auch schwere Fragen. „Is it a sin to love sinner, who’s gonna save me?” Klugerweis­e beantworte­n sie das nicht, sondern ziehen sich auf ihr Leo, die Musik, zurück. Schon im Opener „This Is Nowhere“feiern sie das Verschwind­en. „No discount beer, no alligator tears, just the sound of the wind blowing past my ears.“Überrasche­nd schnell wehen auch die 14 neuen Songs vorbei. Da hilft nur: rasch die Replaytast­e zu drücken.

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[Die Presse Fotos extern] Elegische Klänge und Krawall: Patrick Carney (l.) und Dan Auerbach.

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