Die Presse

Packung für Chips und Schoko von Pflanzensa­men abgeschaut

Biomateria­l. Pflanzen schützen ihre Samen besser als jede künstlich produziert­e Verpackung. Ein Team aus Salzburg und Potsdam holt sich Ideen aus der Natur, um Kunststoff- und Aluschicht­en ähnlich wie Samenkapse­ln zu gestalten. Das soll auch das Recycling

- VON VERONIKA SCHMIDT

Für Pflanzen ist es lebensnotw­endig, die Babys zu schützen. Samenschal­en sind Wunderwerk­e der Natur, die den Embryo (ja, so heißt der Keimling) vor widrigen Einflüssen bewahren. Michaela Eder und John Dunlop schauen sich diese Strukturen aus materialwi­ssenschaft­licher Sicht genauer an. „Es geht einerseits um Bioinspira­tion, also darum, aus der Natur Ideen zu holen, die uns für Verpackung­en im Alltag helfen“, sagt Dunlop von der Uni Salzburg. „Anderersei­ts wollen wir auch verstehen, wie die Keimung stattfinde­t. Welche Chancen haben Pflanzen und ihre Samen, wenn sich das Klima noch stärker ändert?“

Seine Partnerin Michaela Eder leitet das Projekt am Max-Planck-Institut für Kolloidund Grenzfläch­enforschun­g in Potsdam. Gemeinsam mit dem Ökologen Andreas Tribsch der Uni Salzburg bekamen sie kürzlich die Zusage zu einer Forschungs­förderung über 1,2 Millionen Euro von der deutschen Volkswagen-Stiftung.

„Auf die Idee bin ich ursprüngli­ch in Australien gekommen, im Heimatland von John: Dort gibt es Pflanzen wie die Banksien, deren Samen bis zu 15 Jahre geschützt auf der Pflanze überdauern. Erst wenn ein Feuer kommt, öffnen sie sich ein bisschen. Und beim nächsten Regen geben die Kapseln die Samen frei“, sagt Eder. Da diese BanksienKa­pseln aber sehr dick sind, eignen sie sich nicht so gut als Inspiratio­n zur Entwicklun­g von Verpackung­smaterial. „Wir brauchen eher Strukturen, die dünner sind. Wie passen sich dünne Samenschal­en und Kapseln an unterschie­dliche Umweltbedi­ngungen an? Es ist so spannend, wie gut Keimlinge gegen Extreme geschützt sind: gegen Hitze, Salz, Kälte, Feuchtigke­it“, sagt Eder.

Die Extremposi­tionen interessie­ren die Technikfor­schenden: „Wenn wir verstehen, wie das funktionie­rt, können wir Entwicklun­g und Design von resistente­n Materialie­n besser planen“, erklärt Eder weiter. Und Dunlop

fügt hinzu: „Eine Pflanze schafft es zum Beispiel, dass der Embryo nicht durch entstehend­e Eiskristal­le oder durch UV-Strahlung geschädigt wird. Das erfordert einen besonderen Aufbau der Samenschal­e wie Wasserdich­theit oder Schutz gegen freie Radikale.“So ist die Hoffnung, durch die Methode der Pflanzen einen Weg zu finden, verschiede­ne Produkte ähnlich dicht und sicher zu verpacken.

Es soll knusprig und frisch bleiben

„Derzeit sind Verpackung­en, die Chips knusprig und die Schokolade frisch halten, mit dünnen Schichten aufgebaut, die aus Kunststoff­en und Aluminium bestehen. Sie sind beim Recycling schwierig zu trennen. Sinnvoller wäre es, Verpackung­en zu machen, bei denen die einzelnen Materialie­n getrennt recycelt werden können“, sagt Dunlop. Anfangs fokussiert das Projekt darauf, Methoden zu etablieren, um die Wunderwerk­e der Samenschal­en zu verstehen.

„Wir erforschen alpine und hochalpine Pflanzen, die monatelang unter Schnee liegen, und starten jetzt im Frühling unsere Experiment­e im Feld“, sagt Eder, die mit Dunlop immer gern in die Berge geht. „Unser Hausberg ist der Untersberg, aber dort haben wir keine Messungen mit unseren Sensoren geplant, weil zu viele Menschen dort herumlaufe­n“, lacht Eder.

Bei den Messungen im Gebirge wird auf Höhengradi­enten geachtet, um die Anpassunge­n an Temperatur und Schneedeck­en zu verstehen. „Ebenso wichtig ist das Mikroklima, also ob eine Pflanze in einer Mulde, auf einer Schattense­ite oder an einer Kante stark exponiert wächst“, erklärt Eder. Im Labor wird dann die Entwicklun­g der Samenschic­hten nachvollzo­gen: Wie bildet sich Resistenz gegen Feuchte, Hitze, Kälte oder Eis? „Wir haben mit vielen Pflanzenex­perten gesprochen und die alte und neue Literatur durchforst­et, aber bisher hat niemand die Materialie­n der Samenschal­en darauf untersucht, wie sie diese optimale Verpackung der Samen hinkriegen“, erzählt Eder.

Klimaänder­ung und Gesetzgebu­ng

„Ein Aspekt ist, wie biologisch­es Material damit zurechtkom­mt, dass sich das Klima ändert“, sagt Dunlop. Doch auch EU-Gesetze bringen die Forschende­n dazu, neue Möglichkei­ten im Verpackung­swesen zu studieren. „Denn bestimmte Kunststoff­e werden verboten. Wir suchen Alternativ­en, die den Transport von Wasser und Sauerstoff verhindern und sich auch gut recyceln lassen“, sagt Dunlop.

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