Die Presse

(Der) Weg von Produkt zu Patient

Michaela Latzelsber­ger leitet die Geschäfte im Göttlichen Heiland. Aus der Wissenscha­ft kommend, wünschte sie sich nach der Pharmabran­che die Nähe zum Patienten.

- VON ESTHER REISERER

Patienten, Pflegepers­onal und Ärzte grüßen sie auf dem Gang unterwegs in ihr Büro. Dieses befindet sich seit Herbst 2023 im Göttlichen Heiland Krankenhau­s. Zuvor war Michaela Latzelsber­ger für Philips Austria, Coloplast, AstraZenec­a und Novartis tätig. Die studierte Biologin spezialisi­erte sich früh auf Genetik und hegte den Wunsch, sich mit medizinisc­her Forschung zu beschäftig­en und ihr Wissen wirtschaft­lich nutzen zu können. Das brachte sie schließlic­h in die Pharmaindu­strie.

Ihr Vater, im IT-Personalwe­sen tätig, riet ihr bereits damals, sich breit aufzustell­en und das Interesse am Menschen nicht zu vernachläs­sigen. Dieses Vorhaben fließe in fachliche sowie soziale Kompetenze­n. „Wenn man ein Produkt von der Herstellun­g über die Zulassung bis zur Vermarktun­g begleitet, fällt es leichter, zu erklären“, sagt die Wienerin. Und sich erklären müsse man als Frau in Führung oft.

Hier kommt ihre soziale Stärke zum Tragen: „Ich habe mich zum Inklusions- und Diversität­s- sowie Konfliktco­ach ausbilden lassen. Zudem hab ich ein PR- und Kommunikat­ionstraini­ng im Ausland abgeschlos­sen. Für eine Rolle in der Geschäftsf­ührung muss man sich auch mit HR und Beratung auseinande­rsetzen“, sagt die 52Jährige. Besonders bei Philips, wo sie zuletzt CEO war, habe sie vor Augen geführt bekommen, wie wenig sich Frauen noch die (Medizin-)Technik zutrauen. „Ich bin froh, dass sich das in den letzten

Michaela Latzelsber­ger

Jahren immer mehr geändert hat.“Im Vordergrun­d müsse die Begabung, nicht das Geschlecht, stehen. Wichtig dabei sei, sich nicht zu „vermännlic­hen“, sich nicht mehr farbenfroh und sittlich zu zeigen. „Das ist ein Fehler. Ich muss mich nicht männlicher machen, um dazuzugehö­ren. Wichtig ist, in Meetings zu sagen: ,Denken wir divers. Überlegt euch, wen ihr ansprecht‘ – und die (An-)Sprache entspreche­nd zu wählen.“Damit laufe man zwar Gefahr, sich nicht immer beliebt zu machen, doch sie ist davon überzeugt, „den Weg für die nächste Generation zu ebnen. (Mehr) Frauen sollen es künftig leichter – oder zumindest gleich schwer wie ihre Kollegen – haben.“Schwer hatte sie es anfangs auch bei Philips, da zu ihrem Start der Lockdown verordnet wurde. Doch: „Empathisch­e Verbindung funktionie­rt auch über Videokonfe­renzen. Ich habe neben Coffee-Corner und Eins-zu-einsGesprä­chen darauf geachtet, die Kommunikat­ion intakt zu halten.“

Darauf, transparen­t zu kommunizie­ren, achte sie auch in der Verantwort­ung für 780 Mitarbeite­nde. Ins Krankenhau­s sei sie gewechselt, da es „an der Zeit war. Ich wollte meine Vision verwirklic­hen, ein sinnhaftes und wertstifte­ndes Gesundheit­ssystem mitzugesta­lten.“Denn wenn es um Werte geht, engagiert sich das christlich­e Haus auf allen Ebenen. Eine Mitarbeite­rin, die für die Realisieru­ng der Werte zuständig ist, gehöre dem Vorstand an. „Wir sind ein christlich­es Haus und versuchen, möglichst bunt zu sein“, sagt Latzelsber­ger. „Im Sommer ist auch ein Nationen-Mittagesse­n geplant. Selbst kleine Initiative­n schaffen Nähe.“

In ihrer Funktion fühle sie sich wie eine Dirigentin, „die alle Instrument­e anleitet“. Die Richtung vorzugeben und Verantwort­ung zu übernehmen falle ihr nicht schwer. Im Gegenteil, hier angekommen, freue sie sich jeden Tag aufs Neue. In dem Wissen, „richtig zu sein“. Richtig liegen die Mitarbeite­nden auch, wenn sie ihr gegenüber das Du-Wort wählen, ihr auf Augenhöhe begegnen. Wie auf dem eingangs erwähnten Gang. Denn: „Respekt erhält man nicht durch die Position, sondern Person.“

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[Fabry] „Muss mich nicht männlicher machen, um dazuzugehö­ren“, so Latzelsber­ger.

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