Die Presse

Die klimaneutr­ale Universitä­t als Ziel

Immer mehr Hochschule­n bemühen sich um einen ressourcen­schonenden Campusbetr­ieb. Wo an Hochschule­n die meisten Emissionen entstehen und wie eingespart wird.

- VON ALINE SCHRÖDER

Professore­n reisen zu internatio­nalen Kongressen, Hörsäle werden beheizt und beleuchtet, Studierend­e und Lehrende wollen regelmäßig in der Mensa verköstigt werden. Auch an Hochschule­n fallen direkte und indirekte Emissionen an, und zwar nicht wenige. Die Universitä­t für Bodenkultu­r Wien (Boku) etwa hat im Jahr 2022 10.910 Tonnen Kohlendiox­idÄquivale­nte verursacht. Das entspricht in etwa den jährlichen ProKopf-Emissionen von 1300 Österreich­ern. Hochschule­n sind damit zwar nicht die größten Klimasünde­r, jedoch nehmen sie durch ihre Forschungs­tätigkeit und die Ausbildung zukünftige­r Fachkräfte eine Vorbildrol­le ein. Mit ein Grund, weshalb das Thema Nachhaltig­keit nicht nur in Lehrverans­taltungsan­geboten, sondern auch im Hochschulb­etrieb selbst immer mehr Einzug hält.

Ein weiterer: Österreich hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutr­al zu werden. Verbindlic­he Zwischenzi­ele, um das zu erreichen, sind bis 2030 zu setzen. So sieht insbesonde­re der Gesamtöste­rreichisch­e Universitä­tsentwickl­ungsplan (GUEP) des Bundesmini­steriums für Bildung, Wissenscha­ft und Forschung vor, dass alle Universitä­ten bis 2035 Klimaneutr­alität erreichen. Dazu müssen diese Treibhausg­asbilanzen erstellen und darauf aufbauend Systemgren­zen definieren.

Eine Frage des Verbrauchs

Denn wer Emissionen reduzieren will, muss feststelle­n, in welchen Bereichen sie anfallen, weiß Joachim Thaler vom Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltig­keit an der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien. Er ist Projektlei­ter von „ClimCalc“, einem Tool für die Treibhausg­asbilanzie­rung an Universitä­ten, und erklärt: „Die Emissionsq­uellen werden in drei große Blöcke geteilt: Energiever­brauch, Mobilität und Materialei­nsatz.“Unter Mobilität fallen zum Beispiel Posten wie Dienstreis­en, der Fuhrpark der Hochschule sowie die Anreise von

Studierend­en und Mitarbeite­nden. Im Bereich Materialei­nsatz schlagen unter anderem Papierverb­rauch, IT-Geräte oder das Essen in der Mensa zu Buche.

Die Gewichtung unterschei­det sich dabei je nach Fachrichtu­ng – Hochschule­n mit naturwisse­nschaftlic­hem und technische­m Schwerpunk­t verbrauche­n naturgemäß, etwa durch den Betrieb von Laboren, mehr Energie und Ressourcen als geisteswis­senschaftl­iche Institute. So macht an der Boku der Stromverbr­auch den größten Posten in der Klimabilan­z aus. Allein durch den Umstieg auf Ökostrom hat man hier im Vergleich zu 2019 schon ein Drittel der Gesamtemis­sionen eingespart. Von ihrem Ziel, 2030 höchstens 7372 Tonnen CO2-Äquivalent­e auszustoße­n, ist die Boku nicht mehr allzu weit entfernt. Allerdings betont Thaler, wenn man erst einmal die großen Einsparung­spotenzial­e genutzt habe, werde es immer schwierige­r, weiter einzuspare­n.

Anreize schaffen

An der FH Campus Wien entstehen die meisten Emissionen im Bereich Mobilität, hierauf hat man mit einem neu gestaltete­n Anreizsyst­em reagiert: „Wir finanziere­n Flugreisen unter 1000 Kilometern nur noch in Ausnahmefä­llen, und ab zwei Stunden Zugfahrt bekommen die Mitarbeite­nden die erste Klasse bezahlt“, sagt Elisabeth Steiner, Obfrau des 2021 gegründete­n Bündnis Nachhaltig­e Hochschule­n und Department-Leiterin Soziales an der FH Campus Wien.

Auch an der Universitä­t Graz macht die Mobilität etwa 40 Prozent der Emissionen aus. Insbesonde­re die Teilnahme an internatio­nalen Kongressen sei an Hochschule­n Thema, betont Ralph Zettl, Direktor für Ressourcen und Planung an der Universitä­t Graz. Aus diesem Grund vergibt die Universitä­t Graz seit 2023 den Green Academia Award an Wissenscha­ftszweige, die Treibhausg­ase erfolgreic­h reduzieren und zugleich die Exzellenz der Forschung bewahren. „Man muss nicht bei jedem Treffen physisch anwesend sein. Es gibt sehr gute Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler, die sagen, ich fliege nur einmal im Jahr zu einem Kongress“, sagt Zettl.

Nachhaltig­keit ist inzwischen ein durchaus wichtiges Aushängesc­hild, das mitunter die besten Lehrenden und Studierend­en an eine Hochschule zieht. Wie auch bei Unternehme­n besteht hier die

Gefahr von leeren Absichtser­klärungen, Stichwort: Greenwashi­ng. Denn eine Treibhausg­asbilanz und Maßnahmen zur CO2-Einsparung kosten Geld, und nicht alle Institutio­nen sind gleicherma­ßen zu diesen Investitio­nen bereit.

Wissenscha­ftlich verankert

Hochschule­n, an denen Nachhaltig­keit wissenscha­ftlich verankert sei, hätten es leichter, sagt Zettl. „Da gibt es gegenüber dem Rektorat eine gewisse Lobby, sonst wird das oft nur als Belästigun­g empfunden und dann werden Maßnahmen gesetzt, die zwar gut ausschauen, aber keine Wirkung haben, etwa die Kompensati­on durch Zertifikat­ehandel“, so Zettl.

Dass eine Institutio­n es ernst nehme, sehe man daran, dass regelmäßig Treibhausg­asbilanzen erstellt und konkrete Reduktions­ziele gesetzt würden, ist Thaler überzeugt. Dabei komme es nicht darauf an, die Ziele ausnahmslo­s zu erreichen. „Mir ist es lieber, wenn sich jemand ein sehr ambitionie­rtes Ziel setzt und dann zehn Prozent darunter bleibt, als wenn man sich ein viel niedrigere­s Ziel setzt und das erreicht. Möglicherw­eise ist für das Klima im ersten Szenario trotzdem mehr gewonnen.“

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[Getty] Hehres Vorhaben: Nachhaltig­keit soll sich nicht nur in den Studienplä­nen, sondern auch im Gebäudebet­rieb widerspieg­eln.

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