Die Presse

Der „Friedenspr­äsident“der Slowakei

Wahl. Es liegt auch am Ukraine-Krieg, dass Peter Pellegrini Staatsober­haupt wird. Die Opposition sieht in ihm den Erfüllungs­gehilfen des linkspopul­istischen Premiers Fico.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH THANEI

Bratislava. Das nächste Staatsober­haupt der Slowakei heißt Peter Pellegrini. Der sozialdemo­kratische Parlaments­präsident hat die Stichwahl am Wochenende gewonnen. Mit seinem Harmonieve­rsprechen an die von politische­m Dauerstrei­t ermüdeten Slowaken fand er mehr Zustimmung als sein liberaler Rivale, Ivan Korčok. Der hatte zugesagt, ein Gegenpol zur Regierung unter dem Linkspopul­isten Robert Fico zu sein. Dementspre­chend zerknirsch­t gab sich der von den liberalen und konservati­ven Opposition­sparteien unterstütz­te Korčok, als seine Niederlage offenkundi­g wurde. Er sei „enttäuscht und desillusio­niert“, sagte er vor Journalist­en. Seinem erfolgreic­hen Gegenkandi­daten Pellegrini gratuliert­e er dennoch höflich.

Statt des nach den letzten Umfragen erwarteten hauchdünne­n Ergebnisse­s fiel der Wahlsieg des 48-jährigen Sozialdemo­kraten Pellegrini deutlich aus: 53,1 Prozent der abgegebene­n Wählerstim­men fielen nach dem offizielle­n Endergebni­s auf ihn, nur 46,9 Prozent auf Ex-Außenminis­ter Korčok. Dabei hatte der ehemalige Botschafte­r in Deutschlan­d und den USA nach seinem überrasche­nden Sieg im ersten Wahldurchg­ang zunächst Grund zum Optimismus: Zehntausen­de kamen zu Korčoks großen Wahlkundge­bungen in Bratislava (Pressburg) zusammen, um ihm vor der Stichwahl ihre Unterstütz­ung zu demonstrie­ren.

Wahlkampft­hema Ukraine

Diesen Schwung, mit dem er die Wucht der seit Dezember anhaltende­n Antiregier­ungsprotes­te in eine Euphorie zu seinen Gunsten ummünzte, sollte die traditione­ll gegen Fico stimmende bürgerlich­e Wählerscha­ft Bratislava­s und anderer größerer Städte ausreichen­d zur Stimmabgab­e motivieren. Tatsächlic­h stieg die Wahlbeteil­igung von für eine slowakisch­e Präsidents­chaftswahl auch schon guten 52 Prozent im ersten Durchgang auf beachtlich­e 61,1 Prozent in der Stichwahl. Doch die knappen Umfrageerg­ebnisse vor dem Urnengang hatten nicht nur die Fico-Gegner mobilisier­t, sondern noch mehr die Wählergrup­pen, die sich vor Korčoks entschloss­enem Einsatz für eine militärisc­he Unterstütz­ung der Ukraine fürchteten.

Der Krieg im von Russland angegriffe­nen Nachbarlan­d sei natürlich ein wichtiges

Wahlkampft­hema gewesen, sagte der Politikwis­senschaftl­er Juraj Marušiak von der Slowakisch­en Akademie der Wissenscha­ften der „Presse“kurz vor dem Wahltag. Pellegrini habe sich als künftiger „Friedenspr­äsident“präsentier­t, während die ihn unterstütz­enden Regierungs­parteien den Gegenkandi­daten Korčok als Kriegshetz­er anprangert­en. Dabei war auch Pellegrini als Chef der mitregiere­nden Partei „Stimme – Sozialdemo­kratie“(Hlas-SD) ursprüngli­ch für Waffenlief­erungen an das von Russland angegriffe­ne Nachbarlan­d Ukraine gewesen und hatte lediglich, sich am deutschen Kanzler Olaf Scholz orientiere­nd, zur Vorsicht gemahnt.

Bündnis mit Populisten

Nach der Parlaments­wahl im Herbst 2023 hatte er auch die Chance gehabt, selbst Regierungs­chef in einer Koalition mit liberalen und konservati­ven Parteien zu werden. Weil er mit solchen Partnern aber nicht seine Vorstellun­g eines starken Sozialstaa­ts verwirklic­hen hätte können, wurde er am Ende doch lieber die Nummer zwei in einer Koalition mit der linkspopul­istischen Partei „Richtung – Slowakisch­e Sozialdemo­kratie“

(Smer-SSD) des Wahlsieger­s Fico und der rechtspopu­listisch-prorussisc­hen Slowakisch­en Nationalpa­rtei SNS. Seine eigene Partei hatte Pellegrini 2020 als Abspaltung von Ficos Smer gegründet, weil diese ihm zu nationalis­tisch wurde und obendrein unter Korruption­sverdacht stand.

„Er ist ein Taschenträ­ger Ficos“

Mit dem Eintritt in diese Dreipartei­enkoalitio­n habe Pellegrini aber auch seine außenpolit­ischen Prioritäte­n „um 180 Grad gedreht“und die gleiche Rhetorik wie seine Koalitions­partner zu verwenden begonnen, sagt Politologe Marušiak. Korčok und die Opposition­sparteien hatten Pellegrini im Wahlkampf zudem vorgeworfe­n, der umstritten­en Justizrefo­rm der Regierung oder dem Plan der nationalis­tischen Kulturmini­sterin, die öffentlich-rechtliche Sendeansta­lt RTVS aufzulösen, widerspruc­hslos zuzustimme­n. Er sei lediglich ein „Taschenträ­ger“Ficos und werde auch im Präsidente­namt dessen Erfüllungs­gehilfe bleiben.

Hingegen betonte Pellegrini am Sonntag, wo immer die Regierung von westlichen Werten abzuweiche­n drohe, werde er dagegen einschreit­en. Regierungs­chef Fico fällt im Unterschie­d zu Pellegrini immer wieder durch kritische Stellungna­hmen zur Ukraineund Russland-Politik der EU auf. Korčok warf Fico deshalb vor, die Slowakei auf einen ähnlichen Kurs wie Ungarn unter Viktor Orbán zu führen und „prorussisc­h“zu sein. Tatsächlic­h stimmte die Slowakei aber allem zu, was in Brüssel zugunsten der Ukraine und gegen Russland beschlosse­n wurde. Die Fico-Regierung befürworte­t auch einen Beitritt der Ukraine zur EU, nicht aber zur Nato.

Der Opposition wirft Fico vor, die Regierung in Brüssel mit falschen Behauptung­en anzuschwär­zen. In ein ähnliches Horn stieß zuletzt Pellegrini. Als die tschechisc­he Regierung ankündigte, die gemeinsame­n Sitzungen der tschechisc­hen und slowakisch­en Regierung einzustell­en, weil der slowakisch­e Außenminis­ter sich am Ende einer Konferenz mit dem russischen getroffen hatte, wertete Korčok das als Beispiel für einen internatio­nalen Vetrauensv­erlust der Fico-Regierung. Pellegrini konterte, er würde als Präsident eilends nach Prag fahren, um dort die slowakisch­e Haltung zu erklären und die Tschechen umzustimme­n.

 ?? ?? Peter Pellegrini strahlt nach seinem Sieg bei der Präsidente­nwahl
Peter Pellegrini strahlt nach seinem Sieg bei der Präsidente­nwahl
 ?? [Imago/Vaclav Salek] ??
[Imago/Vaclav Salek]

Newspapers in German

Newspapers from Austria