Der „Friedenspräsident“der Slowakei
Wahl. Es liegt auch am Ukraine-Krieg, dass Peter Pellegrini Staatsoberhaupt wird. Die Opposition sieht in ihm den Erfüllungsgehilfen des linkspopulistischen Premiers Fico.
Bratislava. Das nächste Staatsoberhaupt der Slowakei heißt Peter Pellegrini. Der sozialdemokratische Parlamentspräsident hat die Stichwahl am Wochenende gewonnen. Mit seinem Harmonieversprechen an die von politischem Dauerstreit ermüdeten Slowaken fand er mehr Zustimmung als sein liberaler Rivale, Ivan Korčok. Der hatte zugesagt, ein Gegenpol zur Regierung unter dem Linkspopulisten Robert Fico zu sein. Dementsprechend zerknirscht gab sich der von den liberalen und konservativen Oppositionsparteien unterstützte Korčok, als seine Niederlage offenkundig wurde. Er sei „enttäuscht und desillusioniert“, sagte er vor Journalisten. Seinem erfolgreichen Gegenkandidaten Pellegrini gratulierte er dennoch höflich.
Statt des nach den letzten Umfragen erwarteten hauchdünnen Ergebnisses fiel der Wahlsieg des 48-jährigen Sozialdemokraten Pellegrini deutlich aus: 53,1 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen fielen nach dem offiziellen Endergebnis auf ihn, nur 46,9 Prozent auf Ex-Außenminister Korčok. Dabei hatte der ehemalige Botschafter in Deutschland und den USA nach seinem überraschenden Sieg im ersten Wahldurchgang zunächst Grund zum Optimismus: Zehntausende kamen zu Korčoks großen Wahlkundgebungen in Bratislava (Pressburg) zusammen, um ihm vor der Stichwahl ihre Unterstützung zu demonstrieren.
Wahlkampfthema Ukraine
Diesen Schwung, mit dem er die Wucht der seit Dezember anhaltenden Antiregierungsproteste in eine Euphorie zu seinen Gunsten ummünzte, sollte die traditionell gegen Fico stimmende bürgerliche Wählerschaft Bratislavas und anderer größerer Städte ausreichend zur Stimmabgabe motivieren. Tatsächlich stieg die Wahlbeteiligung von für eine slowakische Präsidentschaftswahl auch schon guten 52 Prozent im ersten Durchgang auf beachtliche 61,1 Prozent in der Stichwahl. Doch die knappen Umfrageergebnisse vor dem Urnengang hatten nicht nur die Fico-Gegner mobilisiert, sondern noch mehr die Wählergruppen, die sich vor Korčoks entschlossenem Einsatz für eine militärische Unterstützung der Ukraine fürchteten.
Der Krieg im von Russland angegriffenen Nachbarland sei natürlich ein wichtiges
Wahlkampfthema gewesen, sagte der Politikwissenschaftler Juraj Marušiak von der Slowakischen Akademie der Wissenschaften der „Presse“kurz vor dem Wahltag. Pellegrini habe sich als künftiger „Friedenspräsident“präsentiert, während die ihn unterstützenden Regierungsparteien den Gegenkandidaten Korčok als Kriegshetzer anprangerten. Dabei war auch Pellegrini als Chef der mitregierenden Partei „Stimme – Sozialdemokratie“(Hlas-SD) ursprünglich für Waffenlieferungen an das von Russland angegriffene Nachbarland Ukraine gewesen und hatte lediglich, sich am deutschen Kanzler Olaf Scholz orientierend, zur Vorsicht gemahnt.
Bündnis mit Populisten
Nach der Parlamentswahl im Herbst 2023 hatte er auch die Chance gehabt, selbst Regierungschef in einer Koalition mit liberalen und konservativen Parteien zu werden. Weil er mit solchen Partnern aber nicht seine Vorstellung eines starken Sozialstaats verwirklichen hätte können, wurde er am Ende doch lieber die Nummer zwei in einer Koalition mit der linkspopulistischen Partei „Richtung – Slowakische Sozialdemokratie“
(Smer-SSD) des Wahlsiegers Fico und der rechtspopulistisch-prorussischen Slowakischen Nationalpartei SNS. Seine eigene Partei hatte Pellegrini 2020 als Abspaltung von Ficos Smer gegründet, weil diese ihm zu nationalistisch wurde und obendrein unter Korruptionsverdacht stand.
„Er ist ein Taschenträger Ficos“
Mit dem Eintritt in diese Dreiparteienkoalition habe Pellegrini aber auch seine außenpolitischen Prioritäten „um 180 Grad gedreht“und die gleiche Rhetorik wie seine Koalitionspartner zu verwenden begonnen, sagt Politologe Marušiak. Korčok und die Oppositionsparteien hatten Pellegrini im Wahlkampf zudem vorgeworfen, der umstrittenen Justizreform der Regierung oder dem Plan der nationalistischen Kulturministerin, die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt RTVS aufzulösen, widerspruchslos zuzustimmen. Er sei lediglich ein „Taschenträger“Ficos und werde auch im Präsidentenamt dessen Erfüllungsgehilfe bleiben.
Hingegen betonte Pellegrini am Sonntag, wo immer die Regierung von westlichen Werten abzuweichen drohe, werde er dagegen einschreiten. Regierungschef Fico fällt im Unterschied zu Pellegrini immer wieder durch kritische Stellungnahmen zur Ukraineund Russland-Politik der EU auf. Korčok warf Fico deshalb vor, die Slowakei auf einen ähnlichen Kurs wie Ungarn unter Viktor Orbán zu führen und „prorussisch“zu sein. Tatsächlich stimmte die Slowakei aber allem zu, was in Brüssel zugunsten der Ukraine und gegen Russland beschlossen wurde. Die Fico-Regierung befürwortet auch einen Beitritt der Ukraine zur EU, nicht aber zur Nato.
Der Opposition wirft Fico vor, die Regierung in Brüssel mit falschen Behauptungen anzuschwärzen. In ein ähnliches Horn stieß zuletzt Pellegrini. Als die tschechische Regierung ankündigte, die gemeinsamen Sitzungen der tschechischen und slowakischen Regierung einzustellen, weil der slowakische Außenminister sich am Ende einer Konferenz mit dem russischen getroffen hatte, wertete Korčok das als Beispiel für einen internationalen Vetrauensverlust der Fico-Regierung. Pellegrini konterte, er würde als Präsident eilends nach Prag fahren, um dort die slowakische Haltung zu erklären und die Tschechen umzustimmen.