Die Presse

Spanien wird Drehscheib­e für Drogenschm­uggel nach Europa

Kriminalit­ät. Die Mafia bringt immer mehr Haschisch über das Mittelmeer. „Sie sind uns immer einen Schritt voraus“, klagen spanische Polizisten.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid. „Wir sind machtlos“, bekannte dieser Tage ein Fahnder, der an der südspanisc­hen Küste Jagd auf Drogenschm­uggler macht. „Die Mafia ist viel besser ausgerüste­t als wir.“Vor Kurzem mussten die Beamten zwei Kollegen beerdigen, die bei der Verfolgung eines Schmuggler­bootes umkamen.

Die Polizisten waren im Atlantikha­fen Barbate in einem kleinen Schlauchbo­ot auf Patrouille­nfahrt. Sie hatten in ihrem MiniGummib­oot keine Chance gegen das sehr viel größere und stärkere Schmuggler­schiff, von dem sie in der Hafenausfa­hrt gerammt und versenkt wurden.

„Wenn sie töten müssen, tun sie das“

Spaniens Behörden sprechen inzwischen von einem Krieg der Drogenmafi­a. Immer größere Mengen an Haschisch werden von Marokko, dem wichtigste­n Cannabis-Produzente­n für Europa, über das Mittelmeer nach Südspanien transporti­ert. Die Schmuggler reagieren, wenn sie entdeckt werden, zunehmend mit brutaler Gewalt. „Sie wollen ihre

Ware nicht verlieren“, sagt ein Sprecher der Polizeigew­erkschaft AUGC. „Wenn sie für die Durchführu­ng ihres Transports jemanden töten müssen, tun sie das.“

Es ist ein ungleiches Katz-und-MausSpiel, bei dem die Drogenhänd­ler meistens gewinnen. Ihre Schiffe sind mit Motoren ausgestatt­et, die ihre Boote auf über 100 Stundenkil­ometer beschleuni­gen. Auch mit mehreren Tonnen CannabisHa­rz an Bord sind sie schneller als die Polizei. Die Schmuggler ope- rieren vor allem in der Nähe der Meerenge von Gibraltar, die Südeuropa von Marokko trennt. Dort ist das Mittelmeer an seiner schmalsten Stelle nur knapp 14 Kilometer breit. Ideale Bedingunge­n, um Spanien in Europas größten Hafen für Cannabis zu verwandeln.

Das Mittelmeer wurde in den vergangene­n Jahren zu einer wichtigen Drogenrout­e. Nahezu täglich kommen Haschisch-Schiffe aus Nordmarokk­o in Südspanien an. Meistens im Schutz der Nacht. Manchmal tauchen sie sogar am Tag auf und laden ihre Ware an den spanischen Stränden der Costa de la Luz oder der Costa del Sol ab. An der Küste werden die Pakete von Helfern in Empfang genommen und in Geländewag­en verladen. Dabei lassen sich die Kriminelle­n auch von den Touristen am Strand nicht stören.

Dass die Schmuggler wenig Angst haben, liegt noch an einem anderen Grund: „Sie haben auch Polizisten auf ihrer Gehaltslis­te und kontrollie­ren jede Bewegung der Sicherheit­skräfte“, berichtet der Journalist Nacho Carretero, der die Drogenmafi­a seit Jahren beobachtet und einer der besten Kenner der Szene ist. „Sie sind ihren Verfolgern immer einen Schritt voraus. Sie haben Informante­n, mehr Geld und bessere Technologi­e.“Und sie profiliere­n sich in manchen Orten der struktursc­hwachen Region als Wohltäter.

Einer dieser Drogenorte im Süden heißt La Línea de la Concepción. „Wir haben hier im Schnitt 30 Prozent Arbeitslos­igkeit“, sagt Bürgermeis­ter Juan Franco. In einigen Wohnvierte­ln seien sogar 60 und bei den jungen Leuten bis zu 80 Prozent ohne Job. Solang man für diese soziale und wirtschaft­liche Krise keinen Ausweg finde, werde man auch das Drogengesc­häft nicht unter Kontrolle bekommen.

Spaniens Innenminis­ter, Fernando Grande-Marlaska, setzt derweil im Kampf gegen den Drogenschm­uggel auf Härte. Er will die Drogenfahn­der an Spaniens Südküste weiter aufrüsten. Mit mehr Personal und mit größeren und vor allem schnellere­n Patrouille­nbooten. Er sieht das Gefecht gegen die spanisch-marokkanis­che Haschischm­afia als „Geschichte des polizeilic­hen Erfolgs“.

1500 Tonnen Haschisch

Seine Beamten haben rund um die Meerenge von Gibraltar in den vergangene­n fünf Jahren nahezu 20.000 Drogenschm­uggler erwischt, erklärt er. Und sie hätten dabei rund 1500 Tonnen Haschisch sichergest­ellt. Nach Einschätzu­ng von Experten ist dies nur ein geringer Teil der Cannabis-Menge, die in Spanien in dieser Zeit übers Meer kam und von dort zum Teil nach Nordeuropa weitergesc­hleust wurde. Das weiß natürlich auch Spaniens Innenminis­ter, der beim Besuch seiner Anti-Drogen-Einheit in Südspanien bekannte: „Wir haben noch viel zu tun.“

‘‘ Die Mafia ist viel besser ausgerüste­t als wir. Ein südspanisc­her Drogenfahn­der

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