Die Presse

„Grüne“Bonds: Echt oder ein Werbegag?

Anleihen. An der Wiener Börse – und nicht nur dort – wächst das ESG-Segment. Aber wie sicher kann man sein, dass auch drin ist, was draufsteht?

- VON CHRISTINE KARY

Wien. Bei der Geldanlage kommt es auf die Rendite an – daran ist nicht zu rütteln. Für immer mehr Anlegerinn­en und Anleger ist das jedoch nicht das einzige Kriterium. Sie wollen auch selbst entscheide­n, in welche Projekte ihr Geld fließt, und suchen gezielt nach Anlageprod­ukten, die ihren Wertvorste­llungen entspreche­n.

Da kommen dann oft Begriffe wie ethisch, ökologisch oder nachhaltig ins Spiel. Mangels allgemeing­ültiger Definition hält sich die Aussagekra­ft solcher Schlagwort­e jedoch in Grenzen. Deshalb lösen sie auch Misstrauen aus, mit gutem Grund, Stichwort Greenwashi­ng. Mehr Regeln – vor allem auf unionsrech­tlicher Ebene – sollen hier nun Klarheit schaffen.

So definiert die Taxonomie-Verordnung, welche wirtschaft­lichen Tätigkeite­n als nachhaltig gelten. Die Offenlegun­gsverordnu­ng wiederum verlangt von Anbietern „nachhaltig­er“Investment­produkte, dass sie Informatio­nen darüber liefern, welche Strategie dahinterst­eckt. „Hellgrüne“Fonds nach „Chapter 8“der Verordnung sind solche, die laut Eigendefin­ition Nachhaltig­keitskrite­rien berücksich­tigen. Die selteneren „dunkelgrün­en“Fonds (Chapter 9) wiederum deklariere­n sich dahingehen­d, ein bestimmtes Nachhaltig­keitsziel im Sinne der Taxonomie-Verordnung aktiv zu verfolgen.

Bonds statt Fonds für Risikoaffi­ne

Über die konkrete Mittelverw­endung sagt das freilich immer noch wenig aus. Dafür müsste man sich schon mit den im Fonds enthaltene­n Einzeltite­ln auseinande­rsetzen.

Oder aber man riskiert es, direkt in Einzeltite­l zu investiere­n – etwa in „Green Bonds“. Diese gibt es teils auch in Stückelung­en, die für risikoaffi­ne Privatanle­ger infrage kommen. „Normalerwe­ise wissen Anleger nicht, was mit ihrem Geld geschieht, Green und Social Bonds ermögliche­n das jedoch“, bringt Reinhard Friesenbic­hler, Geschäftsf­ührer der auf Nachhaltig­keit spezialisi­erten

RFU, das Verlockend­e daran auf den Punkt.

Aber wie sicher kann man sein, dass Unternehme­n, die Green Bonds begeben, das Geld dann auch wirklich so verwenden, wie sie es in ihrer Werbung verspreche­n? Ein Restrisiko bleibt immer, niemand kann garantiere­n, dass sich alle Emittenten an rechtliche Vorgaben und Selbstverp­flichtunge­n halten.

Die Überschaub­arkeit ist immerhin besser. Und Regulative, die Greenwashi­ng vorbeugen sollen, gibt es auch hier. Auf Unionseben­e wird der Green Bond Standard ab 21. Dezember 2024 in vollem Umfang anwendbar sein, dann müssen grundsätzl­ich alle Erlöse aus „Europäisch­en Green Bonds“in wirtschaft­liche Tätigkeite­n investiert werden, die an die EU-Nachhaltig­keitstaxon­omie angegliche­n sind. Für Wirtschaft­saktivität­en, die noch nicht unter die EU-Taxonomie fallen, bleibt ein sogenannte­r Flexibilit­ätsrahmen von 15 Prozent.

Informatio­nen über Projekte, in die investiert wird, müssen die Green-Bonds-Emittenten dann in einem Factsheet veröffentl­ichen. Und dazu auch eine „Second Party Opinion“einholen – ein Prüfgutach­ten einer externen Stelle, die bei der Europäisch­en Wertpapier- und Marktaufsi­chtsbehörd­e Esma registrier­t ist. Während der Laufzeit der Anleihe gelten dazu weitere Offenlegun­gs- und Prüfpflich­ten.

Und ähnliche Verfahren gibt es auch derzeit schon. Das ESG-Segment an der Wiener Börse, in dem nachhaltig­e Anleihen gelistet sind, hat ein eigenes Regelwerk, das sich an den „Green Bond Principles“der Internatio­nal Capital Market Associatio­n (ICMA) – einem freiwillig­en Branchenst­andard – orientiert. Eine externe Überprüfun­g durch eine ESG-Ratingagen­tur ist hier ebenfalls vorgesehen.

In „grüne“KMU investiere­n

Geprüft werde dabei nicht nur, ob das Geld überhaupt in das angegebene Projekt fließt, sagt Friesenbic­hler, dessen Agentur solche „Second Party Opinions“erstellt. Die Mittel müssen auch weiterhin zweckentsp­rechend verwendet werden, falls das Projekt z. B. schon vor dem Laufzeiten­de abgeschlos­sen wird oder aus irgendeine­m Grund nicht weiterverf­olgt werden kann. „Für solche Fälle muss es Mechanisme­n für eine adäquate Ersatzvera­nlagung geben.“

Neben Anleihen, die Einzelproj­ekte finanziere­n, können auch Projektpoo­ls gebildet werden, die Emittenten sind dann typischerw­eise Banken. „Für einen Green Pool kann sich auch ein KMU qualifizie­ren, das 80.000 Euro z. B. für Fotovoltai­k braucht“, sagt Friesenbic­hler. Damit eröffne sich auch für kleinere Betriebe eine Alternativ­e zum Bankkredit. „Und Anleger sehen genau, in welche Unternehme­n sie investiere­n.“Auch regionale Aspekte könnten dabei eine Rolle spielen.

Gut fürs „grüne“Image

Aus Sicht der Unternehme­n sei es nicht zuletzt ein Imageinstr­ument, sich für einen Green Bond oder für die Teilnahme an einem solchen Projektpoo­l zu qualifizie­ren, sagt Friesenbic­hler. Denn es belegt, dass NachResear­ch-Agentur haltigkeit­skriterien erfüllt und nicht bloß behauptet werden. Und die Zielgruppe, die das goutieren könnte, wächst. Insofern kann sich der Aufwand lohnen. Noch ist die Zahl der Emittenten freilich überschaub­ar: Im ESG-Segment der Wiener Börse waren zuletzt 114 Bonds gelistet (Stand 6. April 2024). Immerhin, die Zahl der Neuemissio­nen steigt von Jahr zu Jahr. Nur sechs waren es 2018, im vergangene­n Jahr bereits 35.

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[Getty Images]

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