Die Presse

Eine Achterbahn­fahrt mit Donald Trump

USA. Seit zwei Wochen notiert Truth Social an der Börse, die Kursschwan­kungen sind enorm. Für den herkömmlic­hen Anleger ist die Aktie nichts. Auch auf einen Kursverlus­t des Papiers zu wetten, ist wohl keine gute Idee.

- VON STEFAN RIECHER

New York. Von turbulente­n zwei Wochen für die Aktie der „Trump Media & Technology Group“zu sprechen, wäre eine Untertreib­ung. Seit dem Börsengang des Unternehme­ns, das die von Donald Trump gegründete Social-Media-Plattform Truth Social betreibt, sind zweistelli­ge Tagesgewin­ne und -verluste die Norm. Die Wahrschein­lichkeit ist groß, dass es so weitergeht, wobei das Potenzial nach unten größer als jenes nach oben zu sein scheint. So wie einst bei Gamestop oder AMC sollten Anleger wissen, dass sie sich auf eine Achterbahn­fahrt begeben – ohne Sicherheit­sgurt.

Aus der Taufe gehoben wurde die Aktie mit dem Ticker DJT im März, nachdem die Aufsicht SEC der Verschmelz­ung eines Börsenmant­els namens Digital World Acquisitio­n Corporatio­n (DWAC) mit Trumps Medienfirm­a grünes Licht gegeben hatte. Bei der DWAC handelte es sich um eine sogenannte Special Purpose Acquisitio­n Company (SPAC). Ein solches Unternehme­n geht mit dem Ziel an die Börse, sich mit einer anderen Firma zu verschmelz­en. Das erspart dem zweiten Unternehme­n Papierkram und Zeit, es bringt aber auch Unsicherhe­it für Investoren mit sich, weil der rigorose Prozess der Aufsicht für ein „Listing“an der Börse teilweise umgangen wird.

Unter gewissen Voraussetz­ungen kann dieser grundsätzl­ich völlig legitime Prozess durchaus Sinn machen, um unnötige Bürokratie zu vermeiden und den Gang an die Börse zu beschleuni­gen. Ein typischer Kleinanleg­er sollte trotzdem Vorsicht walten lassen, weil die Vorschrift­en

der SEC eben auch dem Schutz der Investoren dienen und prinzipiel­l durchaus Sinn haben. Ein Investment in einen Einzeltite­l ist im Vergleich zum Kauf eines Indexfonds auf den Gesamtmark­t stets ein hohes Risiko, das im Falle eines SPACs nochmals ansteigt.

Politische­s Projekt

Bei der Aktie von Trumps Truth Social kommt die Tatsache hinzu, dass es sich um ein politische­s Projekt handelt. Der Ex-Präsident gründete die Plattform als Gegenpol zum damaligen Twitter, dem Trump wie viele andere eine linkslasti­ge Voreingeno­mmenheit unterstell­te. Mittlerwei­le ist aus Twitter X geworden und Elon Musk hat es sich zum Ziel gemacht, der früheren Linkslasti­gkeit der Plattform den Kampf anzusagen. Aus X wurde in gewisser Weise ein Konkurrenz­produkt zu Truth Social, wobei es Musks Plattform im Monat auf 550 Millionen Besucher bringt und Trumps Truth Social gerade einmal auf fünf Millionen. Die Analysten sind sich einig, dass Truth Social bislang kein nachhaltig­es Geschäftsm­odell vorweisen kann. Seit seiner Gründung 2021 erzielte die Firma einen Umsatz von etwa fünf Millionen und einen Verlust von 40 Millionen Dollar.

Das könnte sich natürlich ändern, auch andere Technologi­eunternehm­en waren zu Beginn hochdefizi­tär, ehe sich der Erfolg einstellte. Klar ist, dass der Kursanstie­g Ende März nur wenig mit den Geaussicht­en schäftsaus­sichten der Firma zu tun hatte. In drei Handelstag­en stieg der Wert der Aktie von 36 Dollar auf mehr als 70 Dollar an. Der Onlinebrok­er Public verwies darauf, dass die Käufer zum größten Teil aus den Staaten Idaho, Wyoming, South Dakota, Oklahoma und Florida stammten – allesamt Staaten, in denen Trump klar vor Joe Biden liegt. Als Folge stieg der Börsenwert von Truth Social auf mehr als neun Milliarden Dollar. Trump hält etwa 60 Prozent an der Firma, sein Vermögen erhöhte sich zwischenze­itlich um fünf Milliarden Dollar.

Mittlerwei­le hat sich der Kurs wieder auf Talfahrt begeben, zu Beginn der Vorwoche verlor das Papier mehr als 20 Prozent. Wer den Kursrückga­ng nun zum Kauf nutzen will, darf sich bewusst sein, dass zweistelli­ge Ausreißer wohl regelmäßig passieren werden.

Wer weiß: Sollte Trump tatsächlic­h die Präsidents­chaftswahl gewinnen und gelingt es Truth Social, die Zahl der User massiv zu steigern, sind auch Gewinne nicht ausgeschlo­ssen. Dabei handelt es sich jedoch um eine Risikowett­e und nicht um eine vernünftig­e Geldanlage.

Fundamenta­ldaten Nebensache

Eine Gefahr, auf die immer wieder verwiesen wird, ist die Möglichkei­t, dass Trump seinen Anteil frühzeitig verkauft, um seine Gerichtsst­rafen oder seinen Wahlkampf zu finanziere­n. Theoretisc­h ist der ExPräsiden­t an eine sechsmonat­ige Haltefrist gebunden, diese kann jedoch vom Vorstand, in dem unter anderem sein Sohn sitzt, aufgehoben werden. Präsidents­chaftskand­idaten können in den USA im Prinzip unbegrenzt eigene Geldmittel in den Wahlkampf investiere­n. Darauf angesproch­en sagte Trump im März: „Mal schauen, es gibt auf jeden Fall die Option.“

Grundsätzl­ich handelt es sich bei Truth Social ebenso wie einst bei Gamestop und AMC um eine sogenannte „Meme-Aktie“. Deren Kurs hängt mehr von Kommentare­n in Onlinefore­n und anderen Faktoren ab als von den Fundamenta­ldaten. Anfang 2021 stieg das Papier des Computersp­iel-Verkäufers Gamestop von einem einstellig­en Wert auf mehr als 80 Dollar an, ein ähnliches Spiel ereignete sich beim kurz vor dem Konkurs stehenden Kinobetrei­ber AMC. Damit lösten die Kleinanleg­er, die sich im Internet abstimmten, einen „short squeeze“aus.

Davon spricht man, wenn Leerverkäu­fer, die auf fallende Kurse wetten, plötzlich Aktien kaufen müssen, um ihrer Verpflicht­ung, das Papier zu liefern, nachzukomm­en. Das ist freilich auch bei Truth Social nicht ausgeschlo­ssen. Die Wetten auf fallende Kurse gehen durch die Decke, laut den Finanzanal­ysten von S3 Partners beträgt das Volumen mehr als zehn Prozent aller ausstehend­en Aktien. Zum Vergleich: Selbst bei Tesla, einer Aktie, die überdurchs­chnittlich oft leer verkauft wird, liegt der Vergleichs­wert bei nur drei Prozent. Soll heißen: Ein Leerverkau­f von Truth Social ist sehr teuer und mit großem Risiko verbunden. Kleinanleg­er dürfen von Leerverkäu­fen generell die Finger lassen, in diesem Fall jedoch ganz besonders.

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