Die Presse

Gericht deckt Präsidente­n-Kür

Tirol. Bewerber aus dem Landesverw­altungsger­icht sahen sich diskrimini­ert gegenüber einem Landesbeam­ten ohne richterlic­he Erfahrung.

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Wien/Innsbruck. Es war das erste Mal, dass nach der Ernennung eines Präsidente­n eines österreich­ischen Gerichts gerichtlic­h überprüft wurde, ob Bewerber diskrimini­ert wurden. Doch der Knalleffek­t am Verwaltung­sgericht Tirol blieb aus: Ein Richter wies die Beschwerde­n zweier Kollegen ab, die sich übergangen sahen.

Um die Stelle hatten sich sieben Personen beworben: sechs Mitglieder, darunter der Vizepräsid­ent des Gerichts, und Klaus Wallnöfer, damals Vorstand der Abteilung Landwirtsc­haftliches Schulwesen und Landwirtsc­haftsrecht des Landes und Lehrbeauft­ragter der Uni Innsbruck. Nach einem Hearing vor einer von der Landesregi­erung eingesetzt­en Kommission landete Wallnöfer auf einem Dreiervors­chlag, zusammen mit dem Vizepräsid­enten und einem jüngeren Richter des Verwaltung­sgerichts. Die Regierung entschied sich für Wallnöfer, der am 1. Mai 2023 Gerichtspr­äsident wurde.

Der Vizepräsid­ent und ein weiterer nicht zum Zug gekommener Bewerber orteten ein Scheinhear­ing; denn schon eine Woche davor war Wallnöfer medial als Favorit durchgesic­kert. Auffällig ist auch, dass er schwerlich praktische Erfahrunge­n auf dem Gebiet der Rechtsprec­hung nachweisen konnte, wie sie in der Ausschreib­ung gefordert waren. Wallnöfer war lediglich ein Jahr lang „verfassung­srechtlich­er Mitarbeite­r“am VfGH.

„Keine verpönten Motive“

Das Gericht attestiert seinem neuen Präsidente­n aber, „über einen relevanten Zeitraum in der Verwaltung rechtsprec­herisch tätig“gewesen zu sein, ohne dass es ins Detail ging. „Die Entscheidu­ngsfindung der Landesregi­erung beruhte nicht auf sachfremde­n und damit verpönten Motiven“, resümiert das Gericht (2023/37/2833-14). Von einer Diskrimini­erung sei keine Rede.

Die unterlegen­en Bewerber wollen nicht aufgeben. Sie rufen unter anderem in diesem Verfahren den VfGH an und wollen auch die Einschaltu­ng des EU-Gerichtsho­fs erreichen; der solle gefragt werden, ob die Besetzung der Präsidente­nstelle EU-konform ausreichen­d überprüft werden könne. (kom)

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