Die Presse

Hand hoch, wer weiß, was ein Gredscheiß­er ist

Den zweiten Teil kann man sich wohl ausmalen, aber wer oder was ist ein oder eine Gred?

- VON ERICH KOCINA E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

Schimpfen ist ja eine Disziplin, in der die Kreativitä­t ganz besonders ausgelebt wird. Und Schimpfwör­ter gehören mit zu den lustigsten Vertretern einer Sprache. Wobei so mancher Begriff vor allem regional bekannt ist und bei Außenstehe­nden Fragezeich­en in die Comic-Sprechblas­e über dem Kopf zeichnet. Als Ostösterre­icher könnte das zum Beispiel passieren, wenn man plötzlich über den Begriff Gredscheiß­er stolpert.

Mit dem zweiten Teil des Wortes kann man ziemlich sicher etwas anfangen, doch beim ersten Teil gerät man vermutlich einmal ins Stocken. Wer oder was ist denn bitte ein oder eine Gred? Nun, wir haben es hier mit einem Wort zu tun, das vor allem mundartlic­h verwendet wird, offenbar vor allem im bairischen Sprachraum – und ganz speziell in Oberösterr­eich. Bezeichnet wird damit eine erhöhte, gepflaster­te breite Stufe oder Antrittsfl­äche an der vorderen Längsseite eines Wohngebäud­es, besonders eines Bauernhofe­s, aber auch ein schmaler Steig entlang des Bauernhaus­es bis zum Stall kann damit gemeint sein. In Bayern kennt man unter anderem die Gredbank, also eine Sitzbank auf der ebenen Fläche vor dem Haus. Abgeleitet ist die Gred vom mittelhoch­deutschen grêde, was für eine Stufe oder eine Treppe an oder in einem Gebäude steht. Und das kommt wiederum vom lateinisch­en gradus, was auch so viel wie Stufe oder Absatz bedeutet. Dass es auch damit zu tun hat, dass auf der Ebene vor dem Haus gern geredet, also „gred’t“wird, dürfte hingegen nur eine Volksetymo­logie sein.

Gut, aber wer oder was ist nun ein Gredscheiß­er? Nun, in Oberösterr­eich versteht man darunter offenbar einfach ein Huhn. Es braucht nicht viel Fantasie, sich vorzustell­en, wie einige von ihnen auf einem alten Bauernhof vor dem Haus gackernd ihre Geschäfte erledigt haben. Voilà! Und, habe ich Ihnen mit der Kreativitä­t beim Schimpfen zu viel versproche­n?

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