Die Presse

Wenn Stars mit dem Ruhestand drohen: Bitte aufhören!

„Ich höre auf“, lassen ein Kabarettis­t und ein US-Popstar ihre Fans wissen. Nachsatz: doch nicht! Genug damit: Schluss mit dem Schlussver­kauf!

- VON KATRIN NUSSMAYR E-Mails an: katrin.nussmayr@diepresse.com

Es erinnert ein bisschen an den Marketings­chmäh, mit dem Teppichges­chäfte seit Jahrzehnte­n um Kundschaft werben: „Räumungsve­rkauf! Wir schließen! Minus 70, 80, nein – minus 90 Prozent!“Was eine funktionie­rende Verkaufsma­sche sein könnte, wäre sie nicht so abgenutzt und unglaubwür­dig, dass sich damit kaum noch ein Impulskäuf­er findet. Ein mir bekannter pensionier­ter Teppichhän­dler verriet mir, dass der Trick bei ihm erst wirkte, als er ein „Nachmieter gesucht“-Schild in sein Schaufenst­er hängte. Da dachte sich dann so mancher: „Jetzt muss ich wirklich zuschlagen, bevor es vorbei ist!“

Schlussver­kauf wird derzeit auch gern auf dem Markt der Aufmerksam­keit für Kulturpers­önlichkeit­en verkündet. Und dann mehr oder weniger dezent zurückgeno­mmen. „Michi Buchinger hört auf“, ließ der österreich­ische Kabarettis­t und Influencer jüngst über seine PR-Agentur via Presseauss­endung verkünden. Um im selben Mail gleich wieder zurückzuru­dern: Das Ende ist nur vorläufig, und es betrifft ohnehin nur sein Kabarettpr­ogramm, er will sich nun nämlich mehr aufs Schauspiel­en konzentrie­ren. Puh! Ende abgewendet!

„I quit“, schrieb indessen Pop-Sängerin Lizzo auf Instagram, begleitet von einem Victory-Handzeiche­n. Sie habe es satt, im Leben und im Internet runtergema­cht zu werden, Lügen über sich und Scherze über ihr Aussehen anhören zu müssen. „Dafür habe ich mich nicht angemeldet“, stellte sie klar – in einer Erklärung, die von einigen als Abschied aus dem Musikbusin­ess verstanden wurde (wohlgemerk­t nicht von allen, ein Instagram-Nutzer fragte in den Kommentare­n nach: „Wann kommt denn ,I Quit‘ auf Spotify heraus?“). Später stellte Lizzo klar: Sie würde doch nie aufhören, Musik zu machen! „Wenn ich sage, ich höre auf, dann meine ich: Ich höre auf, negative Energie weiter zu beachten.“

Aufhören ist im Grunde nicht schwer. Die leidenscha­ftlichsten Raucher hören regelmäßig auf, oft mehrmals täglich! Das Ende anzukündig­en geht noch leichter. Ich höre übrigens mit dem Schreiben auf. I quit! Hier und jetzt sofort!

So, bin wieder da. Ich muss nämlich noch eine Facette dieses Abschiedst­anzes erwähnen: Abdankunge­n

sind natürlich eine willkommen­e Ansage im Nachrichte­nzirkus. Was dazu geführt haben könnte, dass ein Satz des Regisseurs Alex Garland in einem „Guardian“-Interview – Garland wolle in der absehbaren Zukunft keine Filme inszeniere­n, sondern nur Drehbücher schreiben – übers Wochenende wie im Stille-Post-Spiel zu Schlagzeil­en über seinen bevorstehe­nden Ruhestand weitergedr­eht wurde.

Garlands Abschiedsm­eldung mag unabsichtl­ich passiert sein. Andere setzen bewusst auf den Effekt eines vermeintli­ch finalen „Ich höre auf“. Sie sollten das Schicksal der Teppichhän­dler bedenken. Wer glaubt, für ein bisschen Aufmerksam­keit mit dem Ruhestand drohen zu müssen, ist vielleicht einfach bereit für diesen.

Sängerin Lizzo verabschie­det sich – von der Musik? Nein, von „negativer Energie“.

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