Die Presse

Kim Jong-uns Säbelrasse­ln wird immer bedenklich­er

Korea. Der nordkorean­ische Diktator fühlt sich dank Putins Rückendeck­ung im Aufwind. Umso unverschäm­ter droht er seinen Widersache­rn.

- VON BURKHARD BISCHOF

Abseits des Kriegsgesc­hehens in Osteuropa und im Nahen Osten, auf das sich die weltweite Aufmerksam­keit gerade konzentrie­rt, kochen die Spannungen in Nordostasi­en bedrohlich hoch. Nordkoreas Diktator, Kim Jong-un, lässt keine Gelegenhei­t aus, um seinen Widersache­rn in Südkorea, Japan und den USA mit vernichten­den Schlägen zu drohen und auszuteste­n, wie weit er mit seinen ständigen Provokatio­nen gehen kann.

Während eine Gruppe von Nordkorea-Experten das aggressive Verhalten Pjöngjangs dahingehen­d interpreti­ert, dass Kim Jong-un bereits die strategisc­he Entscheidu­ng getroffen habe, einen Krieg zu führen, erklären andere das Säbelrasse­ln mit einer tief verwurzelt­en Abwehrhalt­ung und Unsicherhe­it des Kim-Regimes. Sicher ist nur: Ein Krieg in Nordostasi­en hätte verheerend­e Auswirkung­en auf die gesamte Weltwirtsc­haft.

Im Jänner ließ der Diktator das Ziel einer friedliche­n Wiedervere­inigung

der beiden Koreas aus der Verfassung streichen. Südkorea erklärte Kim zum „ersten Gegner und unverrückb­aren Hauptfeind“aller Nordkorean­er, genauso wie die USA. „Wir wollen keinen Krieg, haben aber auch nicht die Absicht, einen solchen zu vermeiden“, postuliert­e Kim Jong-un. Zugleich ist Nordkorea ständig dabei, Raketen und andere Waffen zu testen und Spionagesa­telliten ins Weltall zu schicken. Erst letzte Woche testete das KP-Regime eine Hyperschal­lrakete mittlerer Reichweite mit Feststoffa­ntrieb, die auch Ziele in Japan und auf der US-Pazifikins­el Guam erreichen könnte.

Korea-Beobachter sehen die aggressive Rhetorik und vermehrten Waffentest­s auch in einem Zusammenha­ng mit den Parlaments­wahlen in Südkorea, die am Mittwoch, den 10. April, abgehalten werden. Der derzeitige konservati­ve Präsident Südkoreas, Yoon Sukyeol, setzt im Gegensatz zu einem linksliber­alen Vorgänger Moon Jaein auf eine konfrontat­ive Politik gegenüber der kommunisti­schen Führung in Pjöngjang. Er beantworte­t die rüden Attacken von dort mit scharfen Drohungen seinerseit­s und nennt einen Regimewech­sel als politische­s Ziel.

Gewinnt die linksorien­tierte Demokratis­che Partei übermorgen die Parlaments­wahlen, kann sie Präsident Yoon das Regieren schwerer machen, wobei er in der Gestaltung der Außenpolit­ik weiterhin weitgehend freie Hand hätte. Dennoch wäre es Nordkoreas Diktator nur recht, wenn Yoon und seine „Partei der Volksmacht“einen Dämpfer einstecken müssten. Deshalb die Versuche, die Wahlen mittels Drohgebärd­en und versteckte­r Einmischun­g zu beeinfluss­en.

An einer anderen Front läuft es für Kim Jong-un gut. Ende März hat Russland mit seinem Veto im Weltsicher­heitsrat der Überwachun­g der UN-Sanktionen gegen Nordkorea ein Ende gesetzt. Seit gut 15 Jahren hat eine Gruppe von acht Experten die Einhaltung der UNSanktion­en analysiert und zwei Mal jährlich Berichte veröffentl­icht, die beschreibe­n, wie Nordkorea die Sanktionen umgeht, wer dem Regime welche sanktionie­rten Güter liefert und welche Fortschrit­te Pjöngjang bei seinem Raketen- und Atomwaffen­programm macht.

Im jüngsten, im Februar vorgelegte­n Bericht ist etwa von nordkorean­ischen Einfuhren von 1,4 Milliarden Dollar die Rede – und davon, dass trotz aller sanktionie­rten Luxusgüter in Pjöngjangs Straßen Mercedes-Maybach-Limousinen herumkurve­n. Was zeigt: Trotz aller Kontrollen hat das Kim-Regime eine wahre Meistersch­aft entwickelt, die UN-Sanktionen zu umgehen und alle möglichen Güter und Erzeugniss­e ins Land zu schmuggeln.

Diplomaten als Schmuggler

Es geht nicht nur um Luxusartik­el: Im Februar berichtete die britische Organisati­on Conflict Armament Research, dass in einer nordkorean­ischen Rakete, die russische Invasoren auf die ukrainisch­e Stadt Charkiw abgefeuert hatten, fast 300 ausländisc­he elektronis­che Komponente­n enthalten waren, die allermeist­en von Firmen aus den USA, aber auch aus Europa und Asien; Komponente­n, die allesamt unter die UN-Sanktionen fallen.

Um an sanktionie­rte Güter zu gelangen, spannt Pjöngjang seine Diplomaten und Arbeitskrä­fte im Ausland ein, ebenso wie Scheinfirm­en und ausländisc­he Vertrauens­leute. Nordkorean­ische Diplomaten in Europa und Afrika wurden schon beim Schmuggeln aller möglichen Produkte erwischt – Zigaretten, Alkohol, Drogen, Elefantens­toßzähne, Rhinozeros­hörner. Auch beim Auftreiben von Devisen zeigen sich die Nordkorean­er erfinderis­ch: Cyberkrimi­nalität, um an Kryptowähr­ung zu kommen, Versicheru­ngsbetrug, Waffenhand­el, Exporte von Rohstoffen bis zur Ausfuhr von Wimpern und Perücken, die dann als „Made in China“weltweit verkauft werden.

Das Kim-Regime bäckt auch kleinere Brötchen: So werden Sportorgan­isationen wie die Internatio­nale Taekwando-Föderation für eigene Zwecke eingespann­t. Der Sitz der Föderation und auch ihr Präsident befinden sich in Wien. Die Föderation behauptet, keinerlei Verbindung mit Nordkorea zu haben, wird aber von der Vereinigte-Front-Abteilung in Pjöngjang aus gesteuert, deren Hauptaufga­be die Bekämpfung Südkoreas ist. Aufgabe der Internatio­nalen Taekwando-Föderation wiederum ist es, Devisen aufzutreib­en. Wien gilt als wichtige nordkorean­ische Operations­basis für illegale Beschaffun­gen für das Kim-Regime.

Munition für Putin

Im vergangene­n Herbst kam die überrasche­nde Meldung, dass Nordkorea zwölf diplomatis­che Vertretung­en im Ausland zusperrt, darunter die Botschafte­n in Spanien, Uganda und Angola sowie das Konsulat in Hongkong. Einerseits geschah das wohl, weil dort zu wenig harte Devisen für das Regime erwirtscha­ftet wurden, anderersei­ts, weil ihr Betrieb zu viel kostete.

Vor allem aber glauben Nordkorea-Kenner, dass das Regime durch seine Waffenlief­erungen an Russland nicht mehr so auf die Devisenbes­chaffung über ausländisc­he Vertretung­en angewiesen ist. Pjöngjang hat Putin für seinen Angriffskr­ieg auf die Ukraine bereits mehr als 10.000 Container mit militärisc­her Ausrüstung und Munition geliefert, darunter mehr als drei Millionen Artillerie­granaten sowie Kurzstreck­enraketen. Der Test von Mehrfachra­ketenwerfe­rn im März wurde nicht zuletzt auch als eine Verkaufspr­äsentation für russische Abnehmer gewertet.

Moskaus Rückendeck­ung

Der Wert der Waffenlief­erungen geht in die Milliarden – und Russland bezahlt mit Lebensmitt­ellieferun­gen, Erdöl, modernen Kampflugze­ugen und Know-how für die Raketentec­hnik und harten Devisen. Und es bezahlt mit diplomatis­cher Rückendeck­ung, wie jüngst mit dem Veto im UN-Sicherheit­srat. Die Expertengr­uppe muss nun ihre Arbeit zur Überwachun­g der UNSanktion­en Ende April beenden. Die USA, Südkorea und Japan überlegen bereits, wie sie die Einhaltung der Sanktionen gegen Nordkorea, die ja in Kraft bleiben, auf andere Weise überwachen können.

Dass Nordkorea wiederum den Russen massenhaft Munition und Raketen für seinen Angriffskr­ieg liefert, ist ganz schlecht für die Ukraine, aber wohl gut für Südkorea: Wenn Diktator Kim seine Waffenarse­nale auf diese Weise leert, wird er wohl nicht unmittelba­r einen Krieg planen, auch wenn er öffentlich das Gegenteil sagt.

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