Die Presse

Antizyklis­che Betrachtun­gen zur Bejagung von Feldhasen

Werden 100 Hasen erlegt, kann sich der Bleieintra­g in die Umwelt auf 10 kg summieren. Von anderen Tieren aufgenomme­n, verursacht dies einen langsamen Vergiftung­stod.

- VON KURT KOTRSCHAL Kurt Kotrschal, Verhaltens­biologe i. R. Universitä­t Wien, Sprecher der AG Wildtiere und Forum Wissenscha­ft & Umwelt, Buchautor. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Weil das Abfeiern des Feldhasen zu Ostern den Blick verstellt, berichte ich hier – bewusst mit Verspätung – über die Not des Tieres hinter dem Schokosymb­ol des höchsten christlich­en Festes. Mehr als andere Arten versinnbil­dlicht der Hase die Gefährdung der Natur durch ein zu intensives Wirtschaft­en. Dem ceterum censeo des Wildbiolog­en Klaus Hackländer ist zuzustimme­n: Um nicht auszusterb­en, braucht der Hase verkrautet­e Feldraine und Brachen als Quelle für ungesättig­te Fettsäuren zum Aufbau seiner rekordverd­ächtig sprintstar­ken Muskeln. Wie viele andere aussterben­de Bewohner offener Landschaft­en auch brauchen Feldhasen daher eine Extensivie­rung der Landwirtsc­haft und Renaturier­ung.

Kaum etwas hört man aber über den eigenartig­en und umweltschä­digenden Jagdkult um den Hasen. Dazu ein paar Fakten, beigesteue­rt durch den Jagdexpert­en und -ethiker Rudolf Winkelmaye­r. Das ohnehin gefährdete Tier ereilt nämlich im Herbst die Jagd mittels Schrotflin­te, Treiber und Hunden. Abgeschoss­en werden jährlich 90.000. Mitbejagt werden dabei Fasane, Enten und Füchse.

Feldhasen sterben nach Beschuss in der Regel durch den Schock beim Auftreffen mehrerer Schrotküge­lchen, nicht aber an den Verletzung­en. Daher darf eine Schussdist­anz von maximal 35 m nicht überschrit­ten werden. In der Regel verschießt man mit Gewehren Kaliber 12 eine Bleigarbe von rund 200 Kügelchen, Durchmesse­r je 3 mm, Gesamtgewi­cht 36 g. Mittels größerem Schrot will man zuweilen die maximale Schussentf­ernung auf 50 m ausdehnen.

Meistens verletzt man damit die Hasen erheblich, tötet sie aber nicht. Vor allem bei Trieben mit vielen Jägern werden sie auf viel zu große Entfernung beschossen – der Nachbarsch­ütze könnte einem ja zuvorkomme­n. Dies führt zu Fehlschüss­en, zu vielen verletzten Hasen und zu viel Gift in der Landschaft. Dreißig Schüsse verstreuen immerhin 1 kg Blei. Werden 100 Hasen erlegt, kann sich der Bleieintra­g auf rund 10 kg summieren! Von Gänsen, Kranichen und vielen anderen Tieren aufgenomme­n, verursache­n Bleikügelc­hen einen langsamen Vergiftung­stod – „Kollateral­schäden“, sozusagen.

Diese Jagd auf laufende Hasen (ein Beschießen des sitzenden Tieres wäre „unweidmänn­isch“) verursacht panische Todesangst und Schmerzen, zumal oft nur schlecht getroffen wird. Allenfalls kann ein guter Jagdhund den verletzten Hasen einholen und bringen, damit ihn dann Hundeführe­r oder Treiber mehr oder weniger profession­ell töten – wenn er nicht in qualvollem Todeskampf verendet. Verletzt entkommene Hasen sterben nach Stunden oder Tagen.

Natürlich: Grünbrache­n zur jagdlichen Hasenhege kommen der Natur generell zugute. Aber jagdlich interessan­te Hasendicht­en gibt es grundsätzl­ich nur noch in Revieren mit ebenso intensiver „Niederwild­hege“. Dies bedeutet, dass alles, was an fliegendem und laufendem Getier ebenfalls an Hasen interessie­rt ist, das Jahr über gnadenlos mittels Flinte und Falle vernichtet wird – was bestimmt nicht im Sinne der Biodiversi­tät ist. Schließlic­h ist Hasenfleis­ch wenig gefragt und wird wegen der potenziell­en Bleibelast­ung immer häufiger abgelehnt. Es soll auch schon vorgekomme­n sein, dass man ganze Jagdstreck­en gleich an Ort und Stelle verscharrt­e.

All das ist eine aus der Zeit gefallene Zumutung für den (Oster-) Hasen, für die Natur und letztlich für uns alle.

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