Warmer Frühling stresst die Bauern
Hohe Frühjahrstemperaturen sind für die Landwirte Fluch und Segen zugleich. Höhere Lagen profitieren eher, in niedrigen breiten sich mehr Schädlinge aus.
Wien. Die österreichischen Spargelbäuerinnen und Spargelbauern legen dieses Jahr einen historischen Frühstart hin. Wegen der hohen Bodentemperaturen haben die Pflanzen zuletzt ideale Wachstumsbedingungen vorgefunden, weshalb die Ernte heuer zwei bis drei Wochen früher begann als üblich.
Bereits seit Anfang April ergänzt heimischer Spargel in den Supermärkten die importierte Stangenware aus Südeuropa. Generell erwarten die heimischen Landwirte für heuer nicht nur beim Spargel höhere Ernteerträge – dem warmen Wetter der vergangenen Wochen sei Dank.
Für die Spargelernte sind das gute Neuigkeiten, generell aber sind nicht nur die aktuellen Hitzetage, sondern insgesamt der sehr milde Winter und viel zu warme Frühling für die Landwirtschaft eher problematisch. Bis zu 30 Grad in den ersten Apriltagen „haben wir bisher noch nicht gekannt“, sagt Andreas Pfaller, Leiter des Referats für Pflanzenbau in der Landwirtschaftskammer. Was aber bedeutet die frühe Hitze für die heimische Lebensmittelproduktion?
Zwischen Hitze und Frost
„Die hohen Temperaturen sind für die heimische Landwirtschaft Fluch und Segen zugleich“, sagt Franz Sinabell, Agrarökonom beim Wirtschaftsforschungsinstitut. Durch das wärmer werdende Klima verlängere sich die Vegetationsperiode, wovon die Agrarproduktion auch profitiert. „Insgesamt überwiegen aber tendenziell die Nachteile“, so Sinabell.
Viele Pflanzen reagieren auf Hitze empfindlich, Raps etwa stellt schon bei 25 Grad das Wachstum ein. Wetterbedingt haben viele Kulturen, auch der Wein, heuer „extrem früh ausgetrieben und sind daher sehr empfindlich. Das ist so lang kein Problem, solang kein Frost kommt“, sagt Pfaller. Fallen die Temperaturen in den nächsten Wochen aber noch einmal unter null, „ist das für ziemlich alle Kulturen ein Problem“: Größere Ernteausfälle drohen. Ein derartiger Kälteeinbruch im April oder Mai (die „Eisheiligen“) ist aber durchaus wahrscheinlich, und zwar unabhängig davon, ob der Frühling so wie derzeit viel zu warm verläuft oder nicht, sagt Christoph Matella, Meteorologe beim Wetterdienst Ubimet.
Tatsächlich könnte – nach einer kurzen Abkühlung zur Wochenmitte, auf die wieder sommerliche Temperaturen mit bis zu 25 Grad am Wochenende folgen dürften – schon Anfang kommender Woche ein markanter Kälteeinbruch anstehen. Ob die Temperaturen tatsächlich unter null Grad fallen, könne man jetzt noch nicht prognostizieren, „aber das Potenzial, dass es in den nächsten Wochen in den Tälern noch zu Frost kommt, ist auf jeden Fall gegeben“, sagt Matella. Für viele Kulturen, etwa auch die Obstbäume (derzeit blüht u. a. die Birne, ebenfalls früher als sonst), wird es bei Temperaturen schon knapp unter null Grad heikel.
Dass die Wachauer Marillenernte Jahr für Jahr zu einer Zitterpartie wird, ob es wegen später Frostphasen zu Ernteausfällen kommt, ist aber keine spezifische Folge des Klimawandels.
Warmwetter fördert Schädlinge
An sich kann die Landwirtschaft mit Frost durchaus gut umgehen, allerdings lieber im Winter: Denn kalte Wintertage führen dazu, dass viele Schädlinge nicht überleben. Das Gegenteil ist aber in diesem Jahr der Fall: Die Zahl der Frosttage lag in ganz Österreich deutlich unter dem langjährigen Schnitt, so wurden in allen Landeshauptstädten außer Graz und Klagenfurt im Winterhalbjahr laut Ubimet rund 20 Frosttage weniger als sonst gezählt (in Wien waren es etwa 27 statt 48), ähnlich sei die Lage im Rest des Flachlands und damit auch in den landwirtschaftlichen Regionen. Vor allem an der Alpennordseite „gab es deutlich weniger Frosttage als im Mittel zu erwarten gewesen wäre“, so Meteorologe Matella.
Dass davon die Schädlingspopulation profitiert habe, merke man jetzt schon, sagt Pfaller von der Landwirtschaftskammer. „Die Schädlinge sind früher erwacht und mobiler, viele sind schon unterwegs“, etwa der Zuckerrüben-Rüsselkäfer. Dieser profitiert auch vom warmen Wetter: Denn bei hohen Temperaturen „fliegt er auch weitere Strecken“und ist nicht nur auf dem Boden unterwegs. Und so eine Zuckerrübenpflanze, die derzeit gerade „am Auflaufen“ist (also an der Oberfläche sichtbar wird), „ist mit ihren zwei Blättern sehr schnell abgefressen“.
Höhere Lagen profitieren
Einer, der über die Vorzüge des warmen Frühlings berichten kann, ist Stefan Kirchweger. „In höheren Lagen ist die Wärme eher vorteilhaft, weil sich dadurch die Vegetationsperiode ausweitet“, so der Agrarökonom, der in den nördlichen Kalkalpen selbst eine Viehwirtschaft führt. Er zieht einen Vergleich zu Irland oder Neuseeland, wo die Winter tendenziell milder und die Perioden, in denen Rinder auf den Weiden grasen, länger sind. „Wärmere Winter steigern die Flächenproduktivität und somit die Fleischerträge.“Gleichzeitig müssten die Landund Viehwirte aber immer flexibler auf rasche Wetter- und Temperaturveränderungen reagieren können. Dafür brauche es größere Reserven in der Jahresplanung, was wiederum die Kosten nach oben treiben kann.
Eine Ages-Studie, die 2018 Bodenbedarf und Ernährungssicherheit in Österreich untersuchte, ermittelte für die Böden im Voralpengebiet bis 2030 eine um 24 Prozent erhöhte Ertragsfähigkeit. In den Kornkammern Österreichs im nordöstlichen Flach- und Hügelland sollen die Ernteerträge demnach aber bis um die Hälfte zurückgehen. In diesem Fall müsste Österreich künftig deutlich mehr Nahrungsmittel auf dem ohnehin fragilen Weltmarkt einkaufen.
Böden gut versorgt
Immerhin, anders als im Vorjahr plagt die Landwirtschaft zumindest ein Problem nicht: trockene Böden. Denn trotz Rekordtemperaturen im Februar und März (beide Monate waren die wärmsten in der Messgeschichte, wenn auch der März „nur“im Tiefland) war der Niederschlag stabil. „Beide Monate liegen österreichweit genau im Durchschnitt“, so Meteorologe Matella. „Die Böden“, sagt auch Experte Pfaller, „sind aktuell gut versorgt.“