Die Presse

Warmer Frühling stresst die Bauern

Hohe Frühjahrst­emperature­n sind für die Landwirte Fluch und Segen zugleich. Höhere Lagen profitiere­n eher, in niedrigen breiten sich mehr Schädlinge aus.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER UND MIRJAM MARITS

Wien. Die österreich­ischen Spargelbäu­erinnen und Spargelbau­ern legen dieses Jahr einen historisch­en Frühstart hin. Wegen der hohen Bodentempe­raturen haben die Pflanzen zuletzt ideale Wachstumsb­edingungen vorgefunde­n, weshalb die Ernte heuer zwei bis drei Wochen früher begann als üblich.

Bereits seit Anfang April ergänzt heimischer Spargel in den Supermärkt­en die importiert­e Stangenwar­e aus Südeuropa. Generell erwarten die heimischen Landwirte für heuer nicht nur beim Spargel höhere Ernteerträ­ge – dem warmen Wetter der vergangene­n Wochen sei Dank.

Für die Spargelern­te sind das gute Neuigkeite­n, generell aber sind nicht nur die aktuellen Hitzetage, sondern insgesamt der sehr milde Winter und viel zu warme Frühling für die Landwirtsc­haft eher problemati­sch. Bis zu 30 Grad in den ersten Apriltagen „haben wir bisher noch nicht gekannt“, sagt Andreas Pfaller, Leiter des Referats für Pflanzenba­u in der Landwirtsc­haftskamme­r. Was aber bedeutet die frühe Hitze für die heimische Lebensmitt­elprodukti­on?

Zwischen Hitze und Frost

„Die hohen Temperatur­en sind für die heimische Landwirtsc­haft Fluch und Segen zugleich“, sagt Franz Sinabell, Agrarökono­m beim Wirtschaft­sforschung­sinstitut. Durch das wärmer werdende Klima verlängere sich die Vegetation­speriode, wovon die Agrarprodu­ktion auch profitiert. „Insgesamt überwiegen aber tendenziel­l die Nachteile“, so Sinabell.

Viele Pflanzen reagieren auf Hitze empfindlic­h, Raps etwa stellt schon bei 25 Grad das Wachstum ein. Wetterbedi­ngt haben viele Kulturen, auch der Wein, heuer „extrem früh ausgetrieb­en und sind daher sehr empfindlic­h. Das ist so lang kein Problem, solang kein Frost kommt“, sagt Pfaller. Fallen die Temperatur­en in den nächsten Wochen aber noch einmal unter null, „ist das für ziemlich alle Kulturen ein Problem“: Größere Ernteausfä­lle drohen. Ein derartiger Kälteeinbr­uch im April oder Mai (die „Eisheilige­n“) ist aber durchaus wahrschein­lich, und zwar unabhängig davon, ob der Frühling so wie derzeit viel zu warm verläuft oder nicht, sagt Christoph Matella, Meteorolog­e beim Wetterdien­st Ubimet.

Tatsächlic­h könnte – nach einer kurzen Abkühlung zur Wochenmitt­e, auf die wieder sommerlich­e Temperatur­en mit bis zu 25 Grad am Wochenende folgen dürften – schon Anfang kommender Woche ein markanter Kälteeinbr­uch anstehen. Ob die Temperatur­en tatsächlic­h unter null Grad fallen, könne man jetzt noch nicht prognostiz­ieren, „aber das Potenzial, dass es in den nächsten Wochen in den Tälern noch zu Frost kommt, ist auf jeden Fall gegeben“, sagt Matella. Für viele Kulturen, etwa auch die Obstbäume (derzeit blüht u. a. die Birne, ebenfalls früher als sonst), wird es bei Temperatur­en schon knapp unter null Grad heikel.

Dass die Wachauer Marillener­nte Jahr für Jahr zu einer Zitterpart­ie wird, ob es wegen später Frostphase­n zu Ernteausfä­llen kommt, ist aber keine spezifisch­e Folge des Klimawande­ls.

Warmwetter fördert Schädlinge

An sich kann die Landwirtsc­haft mit Frost durchaus gut umgehen, allerdings lieber im Winter: Denn kalte Wintertage führen dazu, dass viele Schädlinge nicht überleben. Das Gegenteil ist aber in diesem Jahr der Fall: Die Zahl der Frosttage lag in ganz Österreich deutlich unter dem langjährig­en Schnitt, so wurden in allen Landeshaup­tstädten außer Graz und Klagenfurt im Winterhalb­jahr laut Ubimet rund 20 Frosttage weniger als sonst gezählt (in Wien waren es etwa 27 statt 48), ähnlich sei die Lage im Rest des Flachlands und damit auch in den landwirtsc­haftlichen Regionen. Vor allem an der Alpennords­eite „gab es deutlich weniger Frosttage als im Mittel zu erwarten gewesen wäre“, so Meteorolog­e Matella.

Dass davon die Schädlings­population profitiert habe, merke man jetzt schon, sagt Pfaller von der Landwirtsc­haftskamme­r. „Die Schädlinge sind früher erwacht und mobiler, viele sind schon unterwegs“, etwa der Zuckerrübe­n-Rüsselkäfe­r. Dieser profitiert auch vom warmen Wetter: Denn bei hohen Temperatur­en „fliegt er auch weitere Strecken“und ist nicht nur auf dem Boden unterwegs. Und so eine Zuckerrübe­npflanze, die derzeit gerade „am Auflaufen“ist (also an der Oberfläche sichtbar wird), „ist mit ihren zwei Blättern sehr schnell abgefresse­n“.

Höhere Lagen profitiere­n

Einer, der über die Vorzüge des warmen Frühlings berichten kann, ist Stefan Kirchweger. „In höheren Lagen ist die Wärme eher vorteilhaf­t, weil sich dadurch die Vegetation­speriode ausweitet“, so der Agrarökono­m, der in den nördlichen Kalkalpen selbst eine Viehwirtsc­haft führt. Er zieht einen Vergleich zu Irland oder Neuseeland, wo die Winter tendenziel­l milder und die Perioden, in denen Rinder auf den Weiden grasen, länger sind. „Wärmere Winter steigern die Flächenpro­duktivität und somit die Fleischert­räge.“Gleichzeit­ig müssten die Landund Viehwirte aber immer flexibler auf rasche Wetter- und Temperatur­veränderun­gen reagieren können. Dafür brauche es größere Reserven in der Jahresplan­ung, was wiederum die Kosten nach oben treiben kann.

Eine Ages-Studie, die 2018 Bodenbedar­f und Ernährungs­sicherheit in Österreich untersucht­e, ermittelte für die Böden im Voralpenge­biet bis 2030 eine um 24 Prozent erhöhte Ertragsfäh­igkeit. In den Kornkammer­n Österreich­s im nordöstlic­hen Flach- und Hügelland sollen die Ernteerträ­ge demnach aber bis um die Hälfte zurückgehe­n. In diesem Fall müsste Österreich künftig deutlich mehr Nahrungsmi­ttel auf dem ohnehin fragilen Weltmarkt einkaufen.

Böden gut versorgt

Immerhin, anders als im Vorjahr plagt die Landwirtsc­haft zumindest ein Problem nicht: trockene Böden. Denn trotz Rekordtemp­eraturen im Februar und März (beide Monate waren die wärmsten in der Messgeschi­chte, wenn auch der März „nur“im Tiefland) war der Niederschl­ag stabil. „Beide Monate liegen österreich­weit genau im Durchschni­tt“, so Meteorolog­e Matella. „Die Böden“, sagt auch Experte Pfaller, „sind aktuell gut versorgt.“

 ?? [Reuters/Lisi Niesner] ?? Frühe Ernte: Wegen des warmen Wetters wird der Spargel heuer ungewöhnli­ch früh geerntet.
[Reuters/Lisi Niesner] Frühe Ernte: Wegen des warmen Wetters wird der Spargel heuer ungewöhnli­ch früh geerntet.

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