Die Presse

Vatikan geißelt Gender-Theorie: „Verstoß gegen Menschenwü­rde“

In einer Erklärung bezeichnet sich die Kirche als „Garanten der Menschenwü­rde“und verdammt Geschlecht­sumwandlun­gen.

- Von unserer Mitarbeite­rin ALMUT SIEFERT

Die Erklärung über die Würde des Menschen sei „von sehr hoher Bedeutung“. Das betonte Kardinal Víctor Manuel Fernández, der Präfekt des Dikasteriu­ms für die Glaubensle­hre am Montag bei der Vorstellun­g des Dokuments. Es sei noch viel wichtiger als „Fiducia Supplicans“, jenes Schreiben, mit dem der Vatikan im Dezember die Möglichkei­t einräumte, gleichgesc­hlechtlich­e Paare zu segnen. Dieses habe im Internet bisher sieben Milliarden Aufrufe verzeichne­t. Er hoffe nun auf eine ähnliche Verbreitun­g des neuen Textes.

In der Erklärung „Dignitas infinita über die menschlich­e Würde“, die von Papst Franziskus gebilligt ist, warnt der Vatikan vor zunehmende­n Verstößen gegen die Menschenwü­rde. „Die Kirche verkündet, fördert und macht sich zum Garanten der Menschenwü­rde“, heißt es zu Beginn des 25-seitigen Dokuments. Bereits die biblische Offenbarun­g lehre, dass jeder Mensch eine ihm innewohnen­de Würde besitze, weil er nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sei. „Folglich besitzen alle Menschen die gleiche, ihnen innewohnen­de Würde, unabhängig davon, ob sie in der Lage sind, diese angemessen zum Ausdruck zu bringen oder nicht.“

Nach der Einleitung und einer längeren Auseinande­rsetzung mit dem Begriff Würde nimmt mit fast zehn Seiten das vierte und letzte Kapitel den meisten Raum der Erklärung ein. Es ist überschrie­ben mit: „Einige schwere Verstöße gegen die Menschenwü­rde“und zählt, ohne Anspruch auf Vollständi­gkeit, 13 Bereiche auf, die dem Vatikan in diesem Zusammenha­ng besonders erwähnensw­ert scheinen.

In einem eigenen Unterpunkt widmet sich das Dikasteriu­m darin auch Geschlecht­sumwandlun­gen. „Die Würde des Leibes kann nicht als geringer angesehen werden als die der Person als solcher“, heißt es in dem Text. Jeder geschlecht­sverändern­de Eingriff berge in der Regel die Gefahr, „die einzigarti­ge Würde zu bedrohen, die ein Mensch vom Moment der Empfängnis an besitzt“. Dies beziehe sich jedoch nicht auf medizinisc­he Behandlung­en, die aufgrund von angeborene­n oder sich später entwickeln­den „genitalen Anomalien“durchgefüh­rt werden. „In diesem Fall würde die Operation keine Geschlecht­sumwandlun­g in dem hier beabsichti­gten Sinne darstellen“, stellt der Vatikan klar.

„Realität anerkennen“

Dass diese Passagen für Aufruhr sorgen könnten, scheint Kardinal Fernández durchaus klar zu sein. Manche Aufzählung­en in diesem vierten Kapitel seien Konsens in der Gesellscha­ft, andere würden nicht auf die Zustimmung aller treffen, sagte er bei der Vorstellun­g der Erklärung. Auf die Frage, wie denn die Würde eines jeden Menschen mit der Verurteilu­ng einer Geschlecht­sumwandlun­g zusammenpa­sse, betont er die „Wichtigkei­t, die Realität als jene anzuerkenn­en, wie sie ist“.

Neben Krieg, dem Leiden von Migranten oder dem Menschenha­ndel findet sich in dem Kapitel auch ein Abschnitt über sexuellen Missbrauch als Verstoß gegen die Menschenwü­rde. Er ist mit sieben Zeilen der mit Abstand kürzeste der 13 Themenbere­iche, denen sich der Vatikan widmet. Die Kirche setze sich „unermüdlic­h“dafür ein, allen Arten von Missbrauch ein Ende zu setzen, steht dort geschriebe­n, „und zwar beginnend im Inneren der Kirche“.

Vehementer und wortreiche­r werden Abtreibung und Leihmutter­schaft als „schwere Verstöße gegen die Menschenwü­rde“aufgeführt. Zusätzlich lehnt der Vatikan, wie auch schon in früheren Äußerungen von Papst Franziskus deutlich wurde, die „Gender-Theorie“grundsätzl­ich ab. Sie verschleie­re den „unaufhebba­ren Geschlecht­sunterschi­ed zwischen Mann und Frau“.

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[AFP] Kardinal Victor Manuel Fernández.

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