Schule nahe Mailand gibt am Tag des Fastenbrechens frei
Dass eine Volksschule das Ramadan-Ende zum freien Tag macht, sorgt in der rechtsnationalen Regierung für Empörung.
Bisher kannte den kleinen Ort Pioltello nahe Mailand kaum jemand in Italien: Ein historischer Stadtkern, ein Bahnhof, anonyme Hochhäuser, verlassene Industriegebäude. Ein Ort also, der genauso grau und heruntergekommen ist wie viele Städtchen der Gegend, die unter der chronischen Wirtschaftskrise leiden. Eine traditionelle Arbeiterstadt eben, die lang auszusterben drohte und in der heute ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Zuwanderern lebt. In der lokalen Volks- und Mittelschule sind von den 1100 Schülern 40 Prozent Moslems.
Pioltello ist nun zur nationalen Berühmtheit geworden: Volks- und Mittelschüler haben am Dienstag, am Ende des Ramadan, dem Tag des Fastenbrechens (Eid al-Fitr), frei. Das beschloss die Schulleitung. In Italien dürfen Schulen (genauso wie in Österreich) über eine begrenzte Zahl autonomer freier Tage entscheiden. „Es wären am 10. April einfach zu wenige Kinder gekommen“, sagt Schuldirektor Alessandro Fanfoni.
Schuldirektor bedroht
Die Entscheidung löste eine Welle der Entrüstung aus. Fanfoni wird in den sozialen Medien beschimpft und persönlich bedroht, im Ort hängen Transparente mit der Schrift „Scuola italiana, mai mussulmana“– eine italienische Schule dürfe nie muslimisch werden. „Die Politik hat hier in Pioltello eine Bürgerkriegsstimmung ausgelöst“, protestiert die sozialdemokratische Bürgermeisterin, Ivonne Cosciotti.
Tatsächlich haben in den letzten Wochen rechtsnationale Regierungspolitiker den Protest gegen das schulfreie RamadanEnde angeheizt, allen voran Lega-Chef Matteo Salvini: „Ich glaube nicht, dass in irgendeinem islamischen Land Schulen zu Ostern oder Weihnachten geschlossen werden. Das ist ein sehr schlechtes Signal, ein Signal des Nachgebens“, schimpft der Verkehrsminister. Und: Es sollten nicht mehr als 20 Prozent „ausländischer Kinder“mit Italienern unterrichtet werden. De facto gibt es bereits eine 30-Prozent-Quote: „Aber es ist unmöglich, diese einzuhalten, wir dürfen nicht die Augen vor der Realität verschließen“, sagt Fanfoni.
Entrüstet ist auch die rechtsnationale Regierungspartei Fratelli d’Italia. Bildungsminister Giuseppe Valditara ordnete gar eine Inspektion in der Schule an, um möglichen Unregelmäßigkeiten beim Beschluss der Schulleitung zu prüfen. „Integration ist nur möglich, wenn ausländische Kinder unsere Sprache, Geschichte, Literatur, Kunst und Musik gut lernen.“
Rund 877.000 Buben und Mädchen ausländischer Nationalität besuchen italienische Schulen. Dabei handelt es sich vor allem um Schüler, die in Italien geboren wurden, aber keine italienische Staatsbürgerschaft besitzen, weil ihre Eltern aus anderen Ländern stammen. Nur etwa 7,2 Prozent aller Schulen zählen mehr als 30 Prozent ausländische Schüler, hoch ist der Anteil der Klassen mit mehr als 30 Prozent ausländischer Schüler im reicheren Norden – mit überdurchschnittlichen Quoten am Rande der Metropolen. Die Schule in Pioltello – benannt nach dem ermordeten zwölfjährigen pakistanischen Kinderrechtler Iqbal Masih – machte keinen Rückzieher und bestätigte die Schließung. Staatspräsident Sergio Mattarella drückte persönlich seine Solidarität aus.
Der Streit um die kleine Schule hat eine emotionsgeladene nationale Debatte ausgelöst: Muslimische Studenten fordern die Aussetzung der Vorlesungen zu Eid al-Fitr.
Das ist ein Signal des Nachgebens.
Matteo Salvini Lega-Chef