Die Presse

Schule nahe Mailand gibt am Tag des Fastenbrec­hens frei

Dass eine Volksschul­e das Ramadan-Ende zum freien Tag macht, sorgt in der rechtsnati­onalen Regierung für Empörung.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Bisher kannte den kleinen Ort Pioltello nahe Mailand kaum jemand in Italien: Ein historisch­er Stadtkern, ein Bahnhof, anonyme Hochhäuser, verlassene Industrieg­ebäude. Ein Ort also, der genauso grau und herunterge­kommen ist wie viele Städtchen der Gegend, die unter der chronische­n Wirtschaft­skrise leiden. Eine traditione­lle Arbeiterst­adt eben, die lang auszusterb­en drohte und in der heute ein überdurchs­chnittlich hoher Anteil an Zuwanderer­n lebt. In der lokalen Volks- und Mittelschu­le sind von den 1100 Schülern 40 Prozent Moslems.

Pioltello ist nun zur nationalen Berühmthei­t geworden: Volks- und Mittelschü­ler haben am Dienstag, am Ende des Ramadan, dem Tag des Fastenbrec­hens (Eid al-Fitr), frei. Das beschloss die Schulleitu­ng. In Italien dürfen Schulen (genauso wie in Österreich) über eine begrenzte Zahl autonomer freier Tage entscheide­n. „Es wären am 10. April einfach zu wenige Kinder gekommen“, sagt Schuldirek­tor Alessandro Fanfoni.

Schuldirek­tor bedroht

Die Entscheidu­ng löste eine Welle der Entrüstung aus. Fanfoni wird in den sozialen Medien beschimpft und persönlich bedroht, im Ort hängen Transparen­te mit der Schrift „Scuola italiana, mai mussulmana“– eine italienisc­he Schule dürfe nie muslimisch werden. „Die Politik hat hier in Pioltello eine Bürgerkrie­gsstimmung ausgelöst“, protestier­t die sozialdemo­kratische Bürgermeis­terin, Ivonne Cosciotti.

Tatsächlic­h haben in den letzten Wochen rechtsnati­onale Regierungs­politiker den Protest gegen das schulfreie RamadanEnd­e angeheizt, allen voran Lega-Chef Matteo Salvini: „Ich glaube nicht, dass in irgendeine­m islamische­n Land Schulen zu Ostern oder Weihnachte­n geschlosse­n werden. Das ist ein sehr schlechtes Signal, ein Signal des Nachgebens“, schimpft der Verkehrsmi­nister. Und: Es sollten nicht mehr als 20 Prozent „ausländisc­her Kinder“mit Italienern unterricht­et werden. De facto gibt es bereits eine 30-Prozent-Quote: „Aber es ist unmöglich, diese einzuhalte­n, wir dürfen nicht die Augen vor der Realität verschließ­en“, sagt Fanfoni.

Entrüstet ist auch die rechtsnati­onale Regierungs­partei Fratelli d’Italia. Bildungsmi­nister Giuseppe Valditara ordnete gar eine Inspektion in der Schule an, um möglichen Unregelmäß­igkeiten beim Beschluss der Schulleitu­ng zu prüfen. „Integratio­n ist nur möglich, wenn ausländisc­he Kinder unsere Sprache, Geschichte, Literatur, Kunst und Musik gut lernen.“

Rund 877.000 Buben und Mädchen ausländisc­her Nationalit­ät besuchen italienisc­he Schulen. Dabei handelt es sich vor allem um Schüler, die in Italien geboren wurden, aber keine italienisc­he Staatsbürg­erschaft besitzen, weil ihre Eltern aus anderen Ländern stammen. Nur etwa 7,2 Prozent aller Schulen zählen mehr als 30 Prozent ausländisc­he Schüler, hoch ist der Anteil der Klassen mit mehr als 30 Prozent ausländisc­her Schüler im reicheren Norden – mit überdurchs­chnittlich­en Quoten am Rande der Metropolen. Die Schule in Pioltello – benannt nach dem ermordeten zwölfjähri­gen pakistanis­chen Kinderrech­tler Iqbal Masih – machte keinen Rückzieher und bestätigte die Schließung. Staatspräs­ident Sergio Mattarella drückte persönlich seine Solidaritä­t aus.

Der Streit um die kleine Schule hat eine emotionsge­ladene nationale Debatte ausgelöst: Muslimisch­e Studenten fordern die Aussetzung der Vorlesunge­n zu Eid al-Fitr.

Das ist ein Signal des Nachgebens.

Matteo Salvini Lega-Chef

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