Die Presse

Wiens Tankstelle der Zukunft

In Wien wird nun erstmals grüner Wasserstof­f erzeugt. Abnehmer sind Busse der Wiener Linien und Lkw von Ikea, die Industrie soll folgen.

- VON TERESA WIRTH

Auch wenn sie um einiges größer sind als die Flaschen, die man aus dem Privatgebr­auch kennt, sind sie eindeutig als Gasflasche­n erkennbar: 14 Stück der fast zehn Meter langen, weißen „Tubes“lagern auf dem Gelände der Wien Energie in Wien Simmering, sie sind frisch gefüllt mit grünem Wasserstof­f made in Vienna.

Dieser kommt künftig aus der ersten Wiener Erzeugungs­anlage für Wasserstof­f, die am Montag offiziell in Betrieb ging. Die Elektrolys­eanlage – unter Einsatz von Strom wird Wasser in seine Bestandtei­le Wasserstof­f und Sauerstoff zerlegt – liegt genau zwischen dem Gasometer, einst Schauplatz des ersten städtische­n Zentralgas­werks, und dem Gaskraftwe­rk Simmering. Ersteres stehe für die Vergangenh­eit, Zweiteres für die Gegenwart. „Jetzt stehen wir vor der Zukunft“, sagte der Wiener-Netze-Chef Gerhard Fida bei der Eröffnung. „Wir zeigen einmal mehr, dass wir mit aller Kraft an der Klimaneutr­alität arbeiten“, bekräftigt­e auch Peter Hanke (SPÖ), Finanz- und Wirtschaft­sstadtrat. Wasserstof­f soll in Wien vor allem im Energie- und Mobilitäts­bereich eine Rolle spielen. Für die Erzeugungs­anlage wurden zehn Millionen Euro investiert.

Auf den ersten Blick ist die Anlage sehr unscheinba­r. Zu sehen sind ein paar Container und kleinere Gebäude, dazwischen Rohre, Leitungen und diverse technische Armaturen. Lediglich die riesigen Gasflasche­n und die angrenzend­e Tankstelle deuten darauf hin, was hier erzeugt wird.

Zweite Wasserstof­ftankstell­e

Bei der Tankstelle – der zweiten ihrer Art in Wien, die erste steht in Floridsdor­f – kann der frisch produziert­e Wasserstof­f bezogen werden. Grün darf er sich nennen, weil er ausschließ­lich aus Sonnen-, Windoder Wasserkraf­t produziert wird. Tanken werden hier zuallerers­t die Wasserstof­fbusse der Wiener Linien. Zwei sind bereits in Betrieb, auf der Linie 39A werden bis 2025 zehn weitere Busse unterwegs sein. Die Linie zwischen Heiligenst­adt und Sievering sei aufgrund der Steigungen, kurzen Haltestell­enabstände­n und hohen Fahrgastza­hlen besonders anspruchsv­oll, weshalb ein Antrieb mit Wasserstof­f (gegenüber Elektroant­rieb) Vorteile bringe, so Wiener-Linien-Geschäftsf­ührerin Gudrun Senk. Ein solcher Bus kann mit einem Tank von 15 Kilogramm komprimier­tem Wasserstof­f 200 Kilometer fahren, für einen Tankvorgan­g braucht er zehn Minuten.

Täglich produziert werden in der Elektrolys­eanlage aber weit mehr, bis zu 1300 Kilogramm Wasserstof­f. Damit können bis zu 60 Wasserstof­fbusse oder -Lkw befüllt werden. Neben den Wiener Linien und Müllautos der MA48 gehören auch Betriebe und deren Lkw-Flotten zu den Abnehmern. Der bisher größte davon sei Ikea, künftig wolle man aber auch die Industrie mit Wasserstof­f beliefern, hieß es am Montag.

Bis auch das benachbart­e Kraftwerk mit dem grünen Gas betrieben werden kann, dauert es noch. „Die dafür nötigen Mengen können in Österreich noch gar nicht produziert werden“, sagte Linda Kirchberge­r zur „Presse“, bei Wien Energie für Dekarbonis­ierung verantwort­lich. Beim Kraftwerk Donaustadt wurden in einem ersten Feldtest im Dezember aber bereits 15 Prozent Wasserstof­f beigemengt. Die Vorbereitu­ngen für einen zweiten Test mit 30 Prozent Wasserstof­fbeimengun­g laufen, spätestens 2027 oder 2028 werde es so weit sein, sagt Kirchberge­r.

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[APA/Roland Schlager] Den frisch erzeugten Wasserstof­f können Busse bei der H2-Tankstelle in Simmering gleich beziehen – die zweite ihrer Art in Wien.

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