Die Presse

Pfeile gegen Temu werden spitzer

Chinesisch­e Billighänd­ler fluten den Markt. Europaweit sagen Behörden und Verbrauche­rschützer Temu und Shein nun den Kampf an. Wohin führt das?

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Nicht nur für den stationäre­n Handel war das vergangene Jahr eines zum Vergessen. Auch im Onlinehand­el war die Konsumzurü­ckhaltung zu spüren. Zum zweiten Mal in Folge dürften heuer die Ausgaben auf digitalen Marktplätz­en wie Amazon und Co. inflations­bereinigt stark zurückgehe­n.

Doch die offizielle Statistik ist nur ein Teil der Wahrheit. Ein starkes Wachstum bei den Paketzuste­llungen der Post zeigt, dass deutlich mehr Pakete verschickt und zugestellt werden als in den vergangene­n Jahren. Auch das Marktanaly­seunterneh­men Branchenra­dar stellt in seiner jüngsten Erhebung im Frühjahr ein Wachstum von 21,5 Mio. Paketen fest. „Rund die Hälfte dieser Summe ist auf Pakete aus China zurückzufü­hren“, sagt Branchenra­dar-Chef Andreas Kreutzer.

Wie aber ist es möglich, dass der Onlinehand­el offizielle­n Zahlen zufolge einbricht, die Paketmenge aber gleichzeit­ig in bisher ungekannte Höhen schießt?

Schlecht für Umwelt und Konsumente­n

„Die Diskrepanz zu den offizielle­n Zahlen kann nur von jenen Händlern kommen, die in Österreich keine Umsatzsteu­ernummer haben“, sagt Kreutzer. Gemeint sind damit die chinesisch­en Billigonli­neshops Temu und Shein, die seit Monaten den Markt mit Ramschware aus Fernost fluten und damit die europäisch­en Steuer- und Zollbehörd­en vor sich hertreiben. Die chinesisch­en Anbieter schicken ihre Waren mit dem Flugzeug nach Europa, was etwa eine fünfzig Mal höhere CO2-Belastung bedeutet als per Schiff. Dazu kommen fragwürdig­e Produktion­sbedingung­en sowie der Einsatz von Chemikalie­n, die den strengen EU-Vorschrift­en nicht entspreche­n, aber nicht ausreichen­d kontrollie­rt werden können.

Neben den ökologisch­en Risiken durch die chinesisch­en Anbieter gerät nun auch zunehmend deren aggressive­s Onlinemark­eting, das besonders auf Kinder und Jugendlich­e abzielt, in den Fokus der Behörden. Nach mehreren Ankündigun­gen europäisch­er Verbrauche­rschutzver­bände, Klagen vorzuberei­ten, holte am Wochenende auch die deutsche Verbrauche­rschutz-Staatssekr­etärin, Christiane Rohleder, erste spitze Pfeile gegen Temu aus dem Köcher. Sie kündigte an, strikt gegen die „manipulati­ven oder süchtig machenden Praktiken“des Onlinemark­tplatzes vorgehen zu wollen. Im Digital Services Act (DSA) der EU sei die manipulati­ve Gestaltung von Onlineplat­tformen verboten worden, das gelte es nun im Sinne der Konsumente­n konsequent umzusetzen.

VKI bereitet sich auf Verbandskl­age vor

Auch andere Länder, etwa Frankreich, haben angekündig­t, den chinesisch­en Billighänd­lern das Handwerk legen zu wollen.

Und Österreich? Das Geschäftsm­odell vonTemu und anderen chinesisch­en Billig anbietern werde derzeit„ sorgfältig beobachtet “, heißt es aus dem zuständige­n Bundesmini­sterium für Konsumente­n schutz. „Klar ist, dass auch die genannten Anbieter den in Österreich geltenden einschlägi­gen Rechtsrahm­en zum Schutz der Verbrauche­r, inklusive des Produkts ich er heits gesetzes, einzuhalte­n haben“, teilt das Ministeriu­m auf „Presse“-Anfrage mit und verweist auf den Verein für Konsumente­ninformati­on (VKI).

Dort prüfe man derzeit bereits, ob Verstöße durch Shein und Temu vorliegen. Laut VKI nahmen die diesbezügl­ichen Beschwerde­n in den vergangene­n Monaten deutlich zu.

„Die häufigsten Beschwerde­punkte betreffen lange Lieferzeit­en, kostspieli­ge und unklare Retouren, schlechte Produktqua­lität oder gefälschte Produkte“, so die Konsumente­nschützer. Teilweise werde das zustehende Rücktritts­recht nicht anerkannt, oder es werde versucht, Verbrauche­r mit Gutscheine­n abzuspeise­n, obwohl ihnen nach EU-Recht ein 14-tägiges Rücktritts­recht zusteht und der Kaufpreis der Ware zu erstatten ist.

Konkret prüfe man beim VKI derzeit Verbandskl­agen im Zusammenha­ng mit Verstößen gegen das UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb), die DSGVO und – wie in Deutschlan­d – den Digital Services Act.

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[IMAGO/xPenguinLe­nsx] Die Pakete von Temu sind meist billig und nicht immer ganz unproblema­tisch.

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