Pfeile gegen Temu werden spitzer
Chinesische Billighändler fluten den Markt. Europaweit sagen Behörden und Verbraucherschützer Temu und Shein nun den Kampf an. Wohin führt das?
Nicht nur für den stationären Handel war das vergangene Jahr eines zum Vergessen. Auch im Onlinehandel war die Konsumzurückhaltung zu spüren. Zum zweiten Mal in Folge dürften heuer die Ausgaben auf digitalen Marktplätzen wie Amazon und Co. inflationsbereinigt stark zurückgehen.
Doch die offizielle Statistik ist nur ein Teil der Wahrheit. Ein starkes Wachstum bei den Paketzustellungen der Post zeigt, dass deutlich mehr Pakete verschickt und zugestellt werden als in den vergangenen Jahren. Auch das Marktanalyseunternehmen Branchenradar stellt in seiner jüngsten Erhebung im Frühjahr ein Wachstum von 21,5 Mio. Paketen fest. „Rund die Hälfte dieser Summe ist auf Pakete aus China zurückzuführen“, sagt Branchenradar-Chef Andreas Kreutzer.
Wie aber ist es möglich, dass der Onlinehandel offiziellen Zahlen zufolge einbricht, die Paketmenge aber gleichzeitig in bisher ungekannte Höhen schießt?
Schlecht für Umwelt und Konsumenten
„Die Diskrepanz zu den offiziellen Zahlen kann nur von jenen Händlern kommen, die in Österreich keine Umsatzsteuernummer haben“, sagt Kreutzer. Gemeint sind damit die chinesischen Billigonlineshops Temu und Shein, die seit Monaten den Markt mit Ramschware aus Fernost fluten und damit die europäischen Steuer- und Zollbehörden vor sich hertreiben. Die chinesischen Anbieter schicken ihre Waren mit dem Flugzeug nach Europa, was etwa eine fünfzig Mal höhere CO2-Belastung bedeutet als per Schiff. Dazu kommen fragwürdige Produktionsbedingungen sowie der Einsatz von Chemikalien, die den strengen EU-Vorschriften nicht entsprechen, aber nicht ausreichend kontrolliert werden können.
Neben den ökologischen Risiken durch die chinesischen Anbieter gerät nun auch zunehmend deren aggressives Onlinemarketing, das besonders auf Kinder und Jugendliche abzielt, in den Fokus der Behörden. Nach mehreren Ankündigungen europäischer Verbraucherschutzverbände, Klagen vorzubereiten, holte am Wochenende auch die deutsche Verbraucherschutz-Staatssekretärin, Christiane Rohleder, erste spitze Pfeile gegen Temu aus dem Köcher. Sie kündigte an, strikt gegen die „manipulativen oder süchtig machenden Praktiken“des Onlinemarktplatzes vorgehen zu wollen. Im Digital Services Act (DSA) der EU sei die manipulative Gestaltung von Onlineplattformen verboten worden, das gelte es nun im Sinne der Konsumenten konsequent umzusetzen.
VKI bereitet sich auf Verbandsklage vor
Auch andere Länder, etwa Frankreich, haben angekündigt, den chinesischen Billighändlern das Handwerk legen zu wollen.
Und Österreich? Das Geschäftsmodell vonTemu und anderen chinesischen Billig anbietern werde derzeit„ sorgfältig beobachtet “, heißt es aus dem zuständigen Bundesministerium für Konsumenten schutz. „Klar ist, dass auch die genannten Anbieter den in Österreich geltenden einschlägigen Rechtsrahmen zum Schutz der Verbraucher, inklusive des Produkts ich er heits gesetzes, einzuhalten haben“, teilt das Ministerium auf „Presse“-Anfrage mit und verweist auf den Verein für Konsumenteninformation (VKI).
Dort prüfe man derzeit bereits, ob Verstöße durch Shein und Temu vorliegen. Laut VKI nahmen die diesbezüglichen Beschwerden in den vergangenen Monaten deutlich zu.
„Die häufigsten Beschwerdepunkte betreffen lange Lieferzeiten, kostspielige und unklare Retouren, schlechte Produktqualität oder gefälschte Produkte“, so die Konsumentenschützer. Teilweise werde das zustehende Rücktrittsrecht nicht anerkannt, oder es werde versucht, Verbraucher mit Gutscheinen abzuspeisen, obwohl ihnen nach EU-Recht ein 14-tägiges Rücktrittsrecht zusteht und der Kaufpreis der Ware zu erstatten ist.
Konkret prüfe man beim VKI derzeit Verbandsklagen im Zusammenhang mit Verstößen gegen das UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb), die DSGVO und – wie in Deutschland – den Digital Services Act.