Engpass bei Betriebsflächen droht
In Wien werden Flächen für die Ansiedelung von Betrieben knapp. Langfristig drohen wirtschaftliche Nachteile und Einschränkungen bei der grünen Transformation.
In Österreichs Hauptstadt wurden die Betriebsflächen in den letzten dreißig Jahren stark reduziert. Diese Entwicklung bringe ernste Probleme für die Wirtschaft der Stadt, warnt Stefan EhrlichAdám, Spartenobmann Industrie in der Wirtschaftskammer Wien. Aktuell seien noch 140 Hektar Betriebsflächen frei, erläutert er, „aber in den vergangenen zehn Jahren sind 138 Hektar verbaut worden. Das bedeutet, dass uns bei diesem Tempo in zehn Jahren der Platz ausgeht.“
Die Folgen wären fatal. Es könnten sich keine neuen Betriebe in Wien ansiedeln. Darüber hinaus würden mangels Erweiterungsflächen auch bestehende Betriebe zum Abwandern gezwungen sein. Für die Stadt würde dies Verluste von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung bringen. Derzeit beschäftigt Wiens Industrie rund 53.000 Mitarbeiter und erwirtschaftet pro Jahr einen Produktionswert von 63 Milliarden Euro, die Wertschöpfung beträgt 7,3 Milliarden Euro. „Unsere Industrie garantiert Wohlstand, aber dafür braucht sie Platz. Und diesen Platz müssen wir rechtzeitig sicherstellen“, fordert deshalb Ehrlich-Adám.
Hohe Nachfrage in Inzersdorf
Die Abwanderung der Betriebe aus Wien brächte zudem das Risiko, dass die neuen Produktionsstätten weder in Österreich noch in der EU, sondern im schlimmsten Fall in Asien oder Nordamerika geschaffen würden. Diese Regionen punkten nicht nur mit ausreichend Betriebsflächen, sondern vor allem auch mit geringeren Lohnnebenkosten, geringeren Energiekosten und weniger Bürokratie.
Von den noch verfügbaren Flächen befindet sich knapp mehr als die Hälfte (74 Hektar) im 22. Bezirk. Die größte Nachfrage nach Betriebsflächen herrscht aufgrund der optimalen Verkehrsanbindung im 23. Bezirk und hier besonders im Betriebsgebiet Inzersdorf. Allerdings sind dort mit 12 Hektar kaum noch Flächen frei. Rückmeldungen aus den Vienna Business Districts sowie eine jährliche Analyse der Neuverbauung durch die Wirtschaftskammer Wien zeigen, dass die Nachfrage nach Betriebsflächen konstant hoch ist.
„Es ist daher notwendig, nicht nur bestehende Betriebsflächen zu sichern und vor einer Umwidmung zu schützen, sondern auch neue Betriebsflächen zu erschließen“, erklärt Ehrlich-Adám. Die Gelegenheit zur Veränderung der Situation ist günstig: „Die Stadt Wien stellt heuer den Stadtentwicklungsplan 2035 auf die Beine“, sagt EhrlichAdám. Die Wirtschaftskammer Wien ist in diesen Prozess eingebunden und werde sich für die ausreichende Verfügbarkeit von Betriebsflächen einsetzen: „Wir vertrauen darauf, dass dieses wichtige Thema im neuen Stadtentwicklungsplan angemessene Berücksichtigung findet.“
Ehrlich-Adám betont, dass die Wiener Industrie kaum etwas mit dem veralteten Bild rauchender Fabrikschlote zu tun habe, sondern es sich größtenteils um hochmoderne und vor allem saubere Betriebe handle, die etwa in den Bereichen Pharmazeutik, Nahrungsmittel oder Elektronik arbeiten. Ansiedlungen und Erweiterungen eröffnen zusätzliche Möglichkeiten zur Realisierung von Klimaschutzmaßnahmen, meint Ehrlich-Adám. Auf Dächern von Hallen oder Parkplätzen ließen sich großflächige PV-Anlagen installieren, Fassaden und bisher versiegelte Flächen könnten begrünt werden.
Stakeholder vernetzen
Eine wichtige Unterstützung bei der Ansiedlung von Betrieben bieten die Vienna Business Districts, ein Gemeinschaftsprojekt der Wirtschaftskammer Wien, der Stadt Wien und der Wirtschaftsagentur Wien. Die Organisation steht mit allen Stakeholdern in Kontakt, sie vernetzt die Unternehmen untereinander und mit dem Bezirk beziehungsweise den Behörden. In dieser Funktion als Drehscheibe zwischen Wirtschaft und Verwaltung erleichtert sie Ansiedlungsprozess und Standortentscheidung erheblich.