Wird das zweite Quartal schwieriger?
Für Anleger verläuft das Jahr bis dato ausgezeichnet. Doch nun sei bei Aktien schon sehr viel Positives eingepreist, meinen Experten.
Wenn jemand zu Jahresbeginn gewusst hätte, dass im ersten Quartal die Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen schwinden, Chinas Immobilienmarkt nicht aus der Krise und die deutsche Wirtschaft nicht aus der Rezession kommen würde, hätte er wohl kaum auf einen Anstieg der Aktienmärkte gewettet.
Doch die sind gestiegen: US-Aktien kletterten um elf Prozent in die Höhe, europäische Papiere um zehn Prozent und solche aus den Schwellenländern um zwei Prozent. Japanische Papiere erhöhten sich gar um 18 Prozent und erreichten nach fast 35 Jahren wieder ein Rekordhoch. Das verdanken sie zum Teil jedoch auch dem schwachen Yen.
Anders sah es für Anleihen aus. Deren Renditen sind angesichts der Erwartung moderaterer Zinssenkungen gestiegen, ihre Kurse sind gefallen. Hatten die Marktteilnehmer zu Jahresbeginn noch mit sechs Zinssenkungen in den USA gerechnet, so erwarten sie jetzt nur noch drei solche Schritte. Grund ist die Inflation, die sich als hartnäckiger erweist als angenommen. Den Aktien hat das nicht geschadet, da die Unternehmensgewinne und die Konjunktur in den USA überraschend gut ausgefallen sind. Unter den Anleihen profitierten lediglich die Erträge von High-Yield-Anleihen, also Unternehmensanleihen mit schlechter Bonität, wie aus einem Marktausblick von JP Morgan hervorgeht. Nicht gut ist das Umfeld auch für Immobilien: Der Sektor leidet unter den hohen Zinsen.
Gold steigt trotz Zinsen
Gestiegen sind indes die Kurse von Gold und Bitcoin, beide Vermögenswerte haben neue Rekordhochs erreicht. Die Anlagestrategen von Flossbach von Storch finden den Goldpreisanstieg auf den ersten Blick „irritierend“, da steigende Anleiherenditen normalerweise nicht gut für das zinslose Gold seien. Allerdings sei die Investorennachfrage nach Gold auch gesunken, wie sich an den Beständen
von Gold-ETFs ablesen lasse. Es spreche also einiges dafür, dass andere Käuferschichten aktiv geworden seien. Eine könnten die traditionell goldaffinen Chinesen sein, die wegen ihres schwächelnden Aktienmarkts und der mangelnden Möglichkeit, ausländische Papiere zu kaufen, in einen Anlagenotstand geraten seien. Eine andere dürften die Notenbanken sein. „Goldinsider nennen staatliche Stellen aus China, Saudiarabien und Russland als mögliche Käufer.“
Gold bleibt für die FlossbachExperten „ein Wertspeicher, der gleichzeitig als Versicherung gegen viele bekannte und unbekannte Risiken dient, denn Gold hat kein Gegenparteirisiko“. Doch wenn der Preis in allzu luftige Höhen schieße, könnten auch einmal Gewinne mitgenommen werden.
Inzwischen ist das zweite Quartal angelaufen, Unternehmensberichte gibt es derzeit aber nur vereinzelt. Spannend wird die Woche ab dem 22. April, in der nahezu alle großen Technologiekonzerne ihre Quartalszahlen bekannt geben. Sie haben im ersten Quartal schon wieder die großen Indizes nach oben gezogen: Börsenstar Nvidia fand sich auf der Performanceliste des S&P 500 ganz oben, nur der Computerhersteller Super Micro Computer war noch besser. Doch auch Meta, Amazon, Alphabet und Microsoft haben erneut zweistellige Kursgewinne verzeichnet. Doch zeigten sich auch Gewitterwol
ken. Da war etwa die Schwäche des E-Autobauers Tesla oder des iPhone-Konzerns Apple, an deren Wachstum zeitweise Zweifel laut wurden.
Auch insgesamt werde die Luft am Aktienmarkt dünner, warnen die Flossbach-Experten. Die Bewertung von US-Aktien basiere auf rekordhohen Gewinnerwartungen von neun Prozent für die kommenden zwölf Monate. Und diese müssten erst erfüllt werden. Und selbst, wenn sie erfüllt würden, wäre das Forward-KGV (das erwartete KursGewinn-Verhältnis auf Basis der Gewinne der nächsten zwölf Monate) mit 21,5 noch immer historisch hoch. Noch ein Faktor weise darauf hin, dass Technologieaktien – ob zu Recht oder zu Unrecht – sehr hoch bewertet sind: Der Anteil der zehn größten Unternehmen im S&P 500 (und dabei handelt es sich vor allem um Technologieaktien) ist von 18 Prozent im Jahr 2014 auf nunmehr 32 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt des
Internetbooms um die Jahrtausendwende waren es 27 Prozent.
Auch Vincent Juvyns, Global Market Strategist von JP Morgan Asset Management, sieht eine Gefahr in den hohen Erwartungen: „Während die Widerstandsfähigkeit der Weltwirtschaft und die Aussicht auf Zinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte diesen (positiven) Trend weiter unterstützen könnten, scheint bei einigen Märkten zunehmend eine perfekte Entwicklung eingepreist zu sein, und sie sind daher nicht gegen Gewinnmitnahmen gefeit“, heißt es in einem Marktausblick des Vermögensverwalters. Globale Anleger, die über die Konzentrationsrisiken des US-Marktes besorgt seien, könnten sich Europa zuwenden, wo günstigere Bewertungen und eine potenzielle Verringerung der wirtschaftlichen Wachstumslücke die Region attraktiver erscheinen lassen.
Anleihen als Alternative?
Bei der Schoellerbank stellt man ebenfalls fest, dass die Anleger bereits sehr optimistisch seien. Das eröffne Raum für Enttäuschungen und mögliche Kurskorrekturen. Die Experten verweisen darauf, dass Investorenlegende Warren Buffett im Vorjahr mehr Aktienpositionen verkauft als neue Beteiligungen erworben habe. Einen Teil der verfügbaren Mittel habe Berkshire Hathaway in US-Staatsanleihen investiert.