Das Essl-Museum lebt wieder!
Am Donnerstag wird das alte Essl Museum wieder eröffnet. Gar nicht so verhalten und mutlos, wie das noch im Jänner klang. Ganz im Gegenteil!
Auch ins kritischste Gemüt schlich sich am Montag ein wenig Seligkeit. Als man nach acht Jahren, in denen einen das Essl-Museum wie ein Mahnmal kulturpolitischen Versagens vom Klosterneuburger Feld grüßte, als blasse Museumsleiche vor aller Augen, endlich wieder die Rampe zum Eingang nehmen durfte. Und diesen zum Depot degradierten lichten Heinz-Tesar-Bau endlich wieder offiziell besuchen konnte.
Errichten ließ es Ende der Neunzigerjahre Karlheinz Essl, der mit seiner Frau Agnes eine der ganz großen europäischen Sammlungen von Kunst nach 1945, mit Fokus auf Österreich, aufgebaut hatte. Wie unrecht tat man dem eifrigen Baumax-Chef, mit wie viel Häme bedachte man ihn, als er 2014 finanziell gezwungen war, das Museum sowie einen großen Teil seiner Sammlung an Hans Peter Haselsteiner abzugeben (als Gegenleistung für Kreditsicherheiten).
Der Bund hätte diese 7000 Werke einst um 86 Mio. kaufen können. Heute, schätzt Klaus Albrecht Schröder, wären diese eine halbe Milliarde wert. Schröder zumindest braucht sich darob nicht zu grämen, denn die Essls schenkten der Albertina über 1300 Werke daraus. Haselsteiner gab seinen Teil als Dauerleihgabe bis 2044 und vermietete den Essl-Bau dem Bundesmuseum als Depot (damals für 420.000 Euro; jetzt kamen noch zwei Geschoße dazu). Nach, wie man hört, extrem zähem Ringen mit dem Bund kann Schröder am Donnerstag dort nun seinen dritten Standort eröffnen: die Albertina Klosterneuburg. Und aus einem Bunker wieder das offene Haus machen, das es früher war, besonders beliebt bei Familien.
Alles viel besser als gedacht
Was bei der Ankündigung der Öffnung im Jänner seltsam verhalten klang – saisonaler Betrieb, wenig Wechselausstellungen, kein Café – sieht jetzt ganz anders aus. Das Café ist schick und hat Gartenzugang. An den Wochenenden wird es ein Atelier für alle Altersstufen ohne (!) Voranmeldung geben. Vor allem aber: Zwei von drei Ausstellungen sind grandios. Sie legen nicht nur den Finger in die offene Wunde, dass man in keinem Bundesmuseum einen Überblick österreichischer Kunst seit 1945 gewinnen kann – sie schließen diese Wunde zum Teil auch, und zwar mit erstaunlichen Hauptwerken und einigen Neuentdeckungen.
Hier wird ein neuer Kanon etabliert, der an Nathalie Lettners neues Standardwerk zur heimischen Kunstgeschichte erinnert – mit Großformaten vieler Künstlerinnen, denen viele nicht zugetraut hatten, sich derart behaupten zu können. Sie können. Allein der Showdown zwischen Christian Ludwig Attersee und Kiki Kogelnik, zwischen Schinkenrollen-Frauenfingern zum Abbeißen und Kochlöffel als Waffe schwingende, mondäne Frauen, ist grenzgenial. Daneben wabert ein fluide wirkendes Objekt von Erwin Thorn (hätten Sie ihn gekannt?) über die Wand. Es könnte von heute sein, ist aber von 1968. Gefolgt von knalligen, reliefartigen Cut-Outs von Ernst Zdrahal, ebenfalls aus einer ähnlichen Zeit. Eine echte Entdeckung, dabei wären sie fast im Müll gelandet.
Ähnliches bei der abstrakten Malerei: Da hängt ein Wolfgang Hollegha in dem Umfeld, in das er gehört, neben Stars der amerikanischen Moderne wie Morris Louis und Sam Francis. Oder gehört hätte, wäre er nach dem Krieg dem Ruf in die USA gefolgt. Hollegha aber blieb lieber in der Steiermark. Ein bemerkenswerter Raum ist der aktionistischen Malerei gewidmet, mit den allerersten Action-Paintings von Günter Brus, Alfons Schilling und – als riesiges Kreuz – von Otto Muehl (von 1962). Aber nicht nur an diesen absoluten Hauptwerken merkt man die unglaubliche Qualität der Essl Sammlung.
Hier liegt Wotrubas „Gefallener“
Den Raum voll Maria Lassnig, den voll Anselm Kiefer nimmt man schon routiniert zur Kenntnis. Eine dritte Ausstellung im Obergeschoß, in dem Tesars Liebe zum Tageslicht am stärksten zurückgenommen werden musste, ist dem „lädierten Körper“gewidmet und im Albertina-Style mit spektakulären Großformaten abgehandelt. Darunter auch ein großartiger „Pas de Deux“von Franz West mit einem ins Lächerliche gezogenen „Sisyphos“-Papierstein und Fritz Wotruba mit einem Schlüsselwerk, dem „Großen liegenden Jüngling“, der einst auf der Albertina-Rampe den Kopf in den Nacken warf. Jetzt tut er es hier. Nicht als Artefakt der sonst ungeliebten Bildhauer-Ikone, aufgebahrt in einer Museumsleiche, sondern zeitgemäß präsentiert. Fehlt nur noch der Skulpturengarten, den Schröder sich ums Museum wünscht, auf dem Stiftsareal, das baurechtlich der Kultur gewidmet ist –und nicht den Pferdekoppeln und Schulbaracken, die jetzt dort stehen.
10. April bis 2. November, Do bis So 10 bis 18 Uhr