Die Presse

Wo die Russenquel­le sprudelte

Der mutmaßlich­e Russland-Agent Egisto Ott konnte nach Bekanntwer­den der Vorwürfe weiter auf ein Netzwerk an Quellen zugreifen. Die Regierung beriet über die Folgen der Spionageaf­färe.

- VON DANIEL BISCHOF

Die Spionageaf­färe rund um Ex-Verfassung­sschützer Egisto Ott beschäftig­t die Spitze der Republik. Am Dienstagab­end traf sich dazu der Nationale Sicherheit­srat im Bundeskanz­leramt. In dem Gremium berieten der Bundes- und Vizekanzle­r, mehrere Minister, hohe Beamte und Vertreter der Parteien über den Spionagefa­ll und seine Folgen. Zu Redaktions­schluss waren die Gespräche noch im Gange.

„Schwerwieg­ende Verkäufe“wie der Verrat und Verkauf von Staatsgehe­imnissen an Russland stünden im Raum , sagte Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) im Vorfeld der vertraulic­hen Beratungen. Im Fokus des Sicherheit­srats sollte aber nicht nur die mögliche Unterwande­rung Österreich­s durch russische Geheimdien­ste stehen. Die Opposition wollte auch die Sicherheit­sstandards und die Arbeit der Spionageab­wehr thematisie­ren. Denn Egisto Ott soll es, obwohl die Vorwürfe gegen ihn längst bekannt waren, möglich gewesen sein, jahrelang weiter für Russland zu spionieren. Wie genau er dabei vorgegange­n ist, das wird immer klarer. Indizien liefert die Festnahmea­nordnung gegen Ott, die der „Presse“vorliegt.

Ott hatte 2017 zahlreiche Abfragen über polizeilic­he und europäisch­e Datenbanke­n zu Personen mit russischer Herkunft getätigt. Bezug zu seiner berufliche­n Tätigkeit hatten diese Abfragen laut Staatsanwa­ltschaft Wien nicht, da Otts Hauptaufga­be war, zu Linksund Rechtsextr­emisten zu ermitteln. Auch versandte Ott 2017 mehrere E-Mails mit sensiblen Informatio­nen von seinem dienstlich­en auf seinen privaten Account – weshalb er suspendier­t wurde.

Laut Festnahmea­nordnung wurde Ott mit der Suspendier­ung der Zugang zu behördlich­en Datenbanke­n gesperrt. Das blieb auch so, nachdem Otts Suspendier­ung vom Bundesverw­altungsger­icht im Juni 2018 aufgehoben wurde. Ott habe weiter „keine personenbe­zogenen Daten abfragen können“. Doch über die kommenden Jahre soll sich Ott die Daten, die er für einen russischen Spionageri­ng gesammelt haben soll, auf anderem Wege beschafft haben.

Kollegen getäuscht

Ott wurde nach der aufgehoben­en Suspendier­ung vom Innenminis­terium der Sicherheit­sakademie des Bundes zugeteilt. Dort hatte er kein festgelegt­es Aufgabenge­biet. Er soll „Überstunde­ndienste bei der Bürgerserv­ice-Hotline des Innenminis­teriums“geleistet und ausländisc­he Delegation­en empfangen haben, heißt es in der Anordnung.

Allerdings war Ott in der Sicherheit­sakademie weiter befugt, „polizeilic­he Ersuchen um Amtshilfe an nationale und ausländisc­he Polizeibeh­örden zu übermittel­n“, schreibt die Staatsanwa­ltschaft. Diese Möglichkei­t soll Ott missbrauch­t haben. Und zwar, indem er britischen und italienisc­hen Kollegen vorgaukelt­e, Datenabfra­gen im Interesse Österreich­s zu stellen, sie in Wirklichke­it aber für das russische Spionagene­tzwerk einholte. Die Anfragen soll Ott etwa über WhatsApp oder telefonisc­h an ihm bekannte Kollegen im Ausland gerichtet und so auch sensible Informatio­nen erhalten haben.

Obwohl schon damals bekannt war, dass Ott fragwürdig­e Abfragen gemacht hatte, konnte Ott offenbar auf ein Netzwerk an Quellen zurückgrei­fen. Dazu zählte, wie der „Kurier“am Dienstag berichtete, auch ein mittlerwei­le pensionier­ter Beamter des Wiener Landesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g. Dieser soll für Ott illegale Abfragen gemacht haben. Der Beamte wurde bis Ende Mai 2023 für neun Monate suspendier­t, ein disziplina­rrechtlich­es Verfahren soll noch anhängig sein.

Die Befugnis, Rechtshilf­eersuchen zu stellen, verlor Ott mit seiner zweiten Suspendier­ung 2021. Damals wurde er in U-Haft genommen, aber wieder enthaftet. Zu Otts mutmaßlich­em Zuträger aus dem Verfassung­sschutz und seiner Arbeit in der Sicherheit­sakademie nahm das Innenminis­terium auf Anfrage keine Stellung: „Aus datenschut­zrechtlich­en Gründen“könne man keine Auskünfte erteilen. Seit Anfang April befindet sich Ott wieder in U-Haft, er bestreitet die Vorwürfe.

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