Die Presse

Der Insider, der Orbán herausford­ert

Petér Magyar, Ex-Mann der früheren Justizmini­sterin, stieg in nur zwei Monaten zum Hoffnungst­räger der Opposition auf.

- Von unserem Korrespond­enten PETER BOGNAR

Budapest. Péter Magyar ist in Ungarn der Mann der Stunde. Beobachter kommen aus dem Staunen nicht heraus, wie rasant Magyar vom politisch unbeschrie­benen Blatt zum charismati­schen PolitStar avanciert ist, dem zahllose Ungarn neuerdings wie einem Heilsbring­er folgen.

Einer seiner Mitstreite­r, der prominente Schauspiel­er Ervin Nagy, brachte das Phänomen Magyar auf den Punkt. Nagy sagte, Ungarn erlebe gerade einen „historisch­en Moment“. Nicht nur er sei dieser Tage in einer „revolution­ären Aufbruchss­timmung“, sondern auch eine Heerschar von Mitbürgern. Zum ersten Mal seit Langem witterten viele Magyaren die Chance, „ein neues Land zu errichten“, in dem „der Ungar nicht des Ungarn Wolf ist“. Damit spielte der Schauspiel­er auf die tiefe politische Spaltung der Gesellscha­ft an, die nicht zuletzt die nationalpo­pulistisch­e Regierung von Premier Viktor Orbán zu verantwort­en hat.

Besonders eindrückli­ch war der Zuspruch für Péter Magyar und seine Bewegung „Talpra magyar!“(Auf, Magyaren!) am vergangene­n Samstag bei einer Kundgebung vor dem ungarische­n Parlament, an der laut Schätzunge­n mehr als Hunderttau­send Menschen teilgenomm­en haben. Dort gab der PolitAufst­eiger das Ziel aus, die „diskrediti­erte politische Elite“abzulösen und ein „souveränes, modernes, europäisch­es“Land aufzubauen. Magyar will demnach nicht nur die „korrupte“Orbán-Regierung stürzen, sondern auch die linksliber­ale Opposition um Ex-Premier Ferenc Gyurcsány (2004-2009) aus dem Feld schlagen.

Keine Zeit für Parteigrün­dung

Bei der Wahl zum Europaparl­ament am 9. Juni will er den etablierte­n Parteien erstmals an den Urnen die Stirn bieten. Dabei soll eine bereits bestehende Kleinparte­i als Steigbügel­halter für seine Bewegung herhalten, ist doch die Gründung einer neuen Partei innerhalb von knapp zwei Monaten wegen des Fristenlau­fs nicht mehr möglich. Den Namen der politische­n Kraft, mit der er kooperiere­n will, gab er allerdings noch nicht preis.

Was Magyar verriet: Die Kandidaten für die Europawahl sollen auf eine in Ungarn bisher beispiello­se Weise ermittelt werden. So könne sich jede „unbestechl­iche und integre“Person „mit Lebenslauf und Visionen für Europa und Ungarn“für eine Kandidatur bewerben, sagte er. Sollten seine Kandidaten ins EU-Parlament gewählt werden, will Magyar sich der Europäisch­en Volksparte­i anschließe­n. Aktuelle Umfragen sind jedenfalls vielverspr­echend. Obwohl Magyar noch über keine Partei verfügt, liegt er bereits bei rund 20 Prozent.

Unterdesse­n läuft die von den gleichgesc­halteten Staats- und regierungs­nahen Medien lancierte Rufmordkam­pagne gegen ihn auf Hochtouren. Offenbar hat Orbáns Propaganda­maschineri­e dabei auch Magyars Ex-Frau, die ehemalige Justizmini­sterin Judit Varga, eingespann­t. In einem von Regierungs­medien ausgestrah­lten TVIntervie­w beschrieb Varga ihren ehemaligen Mann kürzlich als einen Psychopath­en, der einst furchteinf­lößend mit dem Küchenmess­er durch die Wohnung gegeistert sei und sie unentwegt gedemütigt habe. Magyar seinerseit­s bezeichnet­e die Vorwürfe seiner Ex-Frau prompt als „unwahr“.

Korruption­sskandal

Vielmehr sieht er dahinter den Versuch der Regierung, vom Inhalt einer von ihm unlängst veröffentl­ichten aufsehener­regenden Tonaufnahm­e abzulenken. Auf dieser spricht seine Ex-Frau noch als Justizmini­sterin davon, dass Antal Rogán, der mächtige Propaganda­und Geheimdien­stminister, Ermittlung­sakten der Staatsanwa­ltschaft in einem Korruption­sskandal manipulier­en ließ. Laut Magyar war Rogán selbst darin verwickelt.

Varga war erst im Februar als Fidesz-Spitzenkan­didatin für die EUWahl zurückgetr­eten. Seither hat Magyar hat einen kometenhaf­ten Aufstieg hingelegt. Nachdem er als ehemaliger hoher Funktionär des Systems Orbán brisante Regierungs­interna enthüllt hatte, stieg er schlagarti­g zum Hoffnungst­räger für all jene Wähler auf, die nicht nur der „Willkürher­rschaft“und „Vetternwir­tschaft“des Orbán-Regimes, sondern auch der „Inkompeten­z“der linksliber­alen Opposition überdrüssi­g sind.

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[Reuters ] Péter Magyar (re.) ist der Mann der Stunde in Budapest. Zu AntiOrbán-Demos kamen Zehntausen­de Menschen.

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