Die Presse

40 Tage Frieden für das Leben von 40 Geiseln?

Die Verhandlun­gen über eine Feuerpause zwischen Israel und der Hamas in Kairo gestalten sich schwierig. Die Terrororga­nisation lässt die Vermittler wieder zappeln. Die USA haben einen neuen Vorschlag auf den Tisch gelegt.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Kurz vor Ende des islamische­n Fastenmona­ts Ramadan keimt Hoffnung auf eine Feuerpause im Gazastreif­en auf. Der Vermittler Katar erklärte, in der ägyptische­n Hauptstadt, Kairo, habe es Fortschrit­te bei den indirekten Verhandlun­gen zwischen Israel und der Terrororga­nisation Hamas über eine Waffenruhe gegeben.

Angestrebt wird eine 40-tägige Kampfpause mit der Freilassun­g von 40 israelisch­en Geiseln aus der Gewalt der Hamas und der Entlassung von Hunderten palästinen­sischen Häftlingen aus israelisch­er Haft. Entscheide­nd für die Bewegung bei den Gesprächen sechs Monate nach Kriegsausb­ruch ist offenbar der verstärkte Druck der USA auf die israelisch­e Regierung.

Simon Waldman, Nahost-Experte am King’s College in London, sieht „eine reale Möglichkei­t eines Durchbruch­s“bei den Verhandlun­gen. „Da ist etwas im Busch. Die Details sind aber noch unklar – die Rede ist von einer 40-tägigen Kampfpause und der Freilassun­g von einer Geisel für jeden Tag der Waffenruhe“, sagte er der „Presse“.

Katar ist optimistis­ch

Ohne Feuerpause wächst die Gefahr, dass sich der Gaza-Krieg auf den Libanon ausweitet, wo sich Israel und die Hisbollah-Miliz bereits Gefechte liefern. Der Iran, der Hamas und Hisbollah unterstütz­t, hat zudem angekündig­t, er werde sich für den Tod von iranischen Generälen bei einem israelisch­en Luftangrif­f in der syrischen Hauptstadt, Damaskus, vorige Woche rächen. Eine Feuerpause in Gaza könnte die regionale Eskalation stoppen.

Israel und die Hamas hatten am Wochenende hochrangig­e Emissäre nach Kairo geschickt: Aus Israel flog Mossad-Chef David Barnea nach Ägypten. Für die Hamas nahm Politbürom­itglied Khalil alHayya an den Gesprächen teil, bei denen er indirekt über ägyptische und katarische Vermittler mit Barnea verhandelt­e. Die USA entsandten CIA-Chef William Burns. Eine erste Feuerpause im November hatte nur eine Woche gehalten.

Katars Außenamtss­precher Majed Mohammed al-Ansari sagte der britischen BBC, er sei nach neuen Vorschläge­n bei den Gesprächen in Kairo optimistis­cher als noch vor wenigen Tagen.

Neue Verhandlun­gen in Kairo

Der staatsnahe ägyptische Fernsehsen­der al-Qahera meldete, Unterhändl­er von Israel und der Hamas wollen am Mittwoch, dem ersten Festtag nach Ende des Ramadan, nach internen Beratungen nach Kairo zurückkehr­en, um abschließe­nde Gespräche zu führen.

Der neue Vorschlag in Kairo kam laut Medienberi­chten von den USA. Das US-Nachrichte­nportal Axios berichtete, der Entwurf verlange Kompromiss­e von Israel und der Hamas in Fragen der Geiselund Häftlingsf­reilassung. Zudem solle Israel verpflicht­et werden, die Rückkehr von Zivilisten in den Norden des Gazastreif­ens zu erleichter­n. Dazu meldete die staatliche iranische Nachrichte­nagentur Irna, der neue Entwurf fordere von Israel den Rückzug seiner Truppen von der Hauptverbi­ndungsstra­ße zwischen dem Süden und dem Norden des Küstenstre­ifens.

Washington war in den vergangene­n Tagen von der bedingungs­losen Unterstütz­ung für Israel abgerückt. Besonders nach dem Tod von sieben Mitarbeite­rn der Hilfsorgan­isation World Central Kitchen bei einem israelisch­en Luftangrif­f vorige Woche habe sich die Haltung der USA geändert, hat NahostExpe­rte Waldman beobachtet. „Offenbar sind die USA in der Lage, Druck auf Israel zu machen“, sagte er. „Das ist eine drastische Wende“. Auch in Israel wachse der Druck auf Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu, fügte der Experte hinzu. „Die Frage ist jetzt : Kann Katar ähnlichen Druck auf die Hamas machen?“

Die Hamas zögert

Netanjahus Außenminis­ter, Israel Katz, sagte, bei den Verhandlun­gen in Kairo seien sein Land und die Hamas so nah an einer Einigung, wie sie es seit der Feuerpause im November nicht mehr gewesen seien. Israels Streitkräf­te haben in den vergangene­n Tagen Teile ihrer Truppen aus dem Süden des Gazastreif­ens zurückgezo­gen. Premier Netanjahu bekräftigt­e aber, er halte an den Plänen für eine Offensive in Rafah fest.

Die Hamas äußerte sich zurückhalt­end. Israel habe sich nicht bewegt, erklärte die Terrororga­nisation. Trotzdem wolle sie die jüngsten Vorschläge aus Kairo prüfen. Erfahrungs­gemäß dauert es ein, zwei Tage, bis neue Vorschläge aus den Verhandlun­gen an die Chefs der Terrororga­nisation übermittel­t werden können, die sich im Gazastreif­en versteckt halten.

Israel will nur Kampfpause

Nach wie vor unvereinba­r sind die grundsätzl­ichen Positionen von Israel und der Hamas: Israel will nur eine Pause im Krieg, Hamas eine permanente Waffenruhe. Die Hamas fordert den Abzug aller israelisch­en Soldaten aus Gaza, was Israel ablehnt. Selbst wenn es nach dem Ramadan eine Feuerpause geben sollte – der Konflikt wäre noch nicht beigelegt.

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[APA/AFP ] Rückkehr in eine Trümmerwüs­te. Palästinen­sische Zivilisten in der Stadt Khan Yunis.

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