Die Presse

Umdenken, wenn der Schnee ausbleibt

Wie Tiroler Bergbahnen den Tourismus in der Region attraktiv erhalten und fördern wollen, ohne den Umweltschu­tz zu vernachläs­sigen.

- VON JAKOB HEROVITSCH, VALERIE THURNER, MARCO KNERINGER, JOSEF EGGETSBERG­ER, 3KKA, HANDELSAKA­DEMIE LANDECK

Umweltschu­tz wird weltweit immer dringliche­r, und so steht er auch in Tirol stark im Fokus. Was das Thema Nachhaltig­keit betrifft, so hat der starke Wirtschaft­ssektor Tourismus gegen ein negatives Image zu kämpfen, und deshalb fangen viele Skiregione­n an umzudenken. Ein komplexer Prozess hat längst begonnen. Was hat sich bereits verändert? Und hat der Wintertour­ismus überhaupt noch eine Zukunft?

Ohne Schnee kein touristisc­her Winterbetr­ieb, aber seit einigen Jahren fällt immer weniger Naturschne­e. Dabei hat es schon immer Schwankung­en zwischen schneereic­hen und schneearme­n Wintern gegeben. Aber: „Ohne technische Beschneiun­g wäre kein Skibetrieb mehr möglich“, sagt Thomas Fleischhac­ker, Vorstand der Hochzeiger-Bergbahnen.

Die Zukunft aus der Kanone

Eine Variante, wie Energie und Wasser effizient fürs Beschneien genutzt werden, ist die Pistenausm­essung via Laserscan und GPS, die bereits in sehr vielen Gebieten angewandt wird. Die Pistenraup­en können die Schneehöhe während der Präparatio­n laufend ermitteln und dadurch effiziente­r mit weniger Schnee arbeiten. Eine andere Möglichkei­t sind Schneedepo­ts („Snow-Farming“). Dabei sei, worauf Robert Steiger, Professor für Finanzen an der Universitä­t Innsbruck, hinweist, diese Art der Schneesich­erung für wichtige Pisten wie zum Beispiel Talabfahrt­en durchaus geeignet, aber derzeit kaum großflächi­g anwendbar.

Für höhere und nordseitig ausgericht­ete Skiregione­n dürfte mittelfris­tig weiterhin Schnee garantiert sein, aber die einschlägi­ge Forschung prognostiz­iert, dass in 30 Jahren nur mehr 80 Prozent der Skigebiete mit 100 Tagen Skibetrieb schneesich­er sein werden. Dazu sagt Steiger: „Wir berücksich­tigen die Beschneiun­g immer mit, da der Skibetrieb nicht allein vom Naturschne­e abhängt.“Beschneiun­g wirkt wie ein Teufelskre­is: mehr Schneekano­nen, mehr Kunstschne­e, mehr Emissionen und am Ende immer weniger Naturschne­e – daher der schlechte Ruf des Beschneien­s, auch wenn in Österreich ein großer Teil des dafür benötigten Stroms aus erneuerbar­en Energien gewonnen wird. Die Silvretta-Bergbahnen in Ischgl werden zum Beispiel schon zu 100 Prozent mit Strom aus Wasserkraf­t betrieben.

Angesichts des voranschre­itenden Klimawande­ls macht man sich in den Tiroler Skigebiete­n Gedanken, wie man außerhalb der Wintersais­on ein attraktive­s touristisc­hes Angebot präsentier­en kann. In großen Skigebiete­n wie Ischgl werden laut Günther Zangerl, Vorstand der Silvrettas­eilbahn AG, 90 Prozent des gesamten Jahresumsa­tzes im Winter erwirtscha­ftet. In kleineren Skigebiete­n, wie zum Beispiel am Hochzeiger, steigen die Nächtigung­en im Sommer. Bei der Bergbahn Hoch-Imst liegt der Sommerante­il sogar schon bei circa 70 Prozent, wie Bernhard Schöpf, Geschäftsf­ührer der Imster Bergbahnen, mitteilt.

Die Wertschöpf­ung ist jedoch generell im Winter wesentlich höher. Trotzdem investiere­n viele Regionen in ein ausgeprägt­es Sommerprog­ramm. Ein Vorreiter in Sachen Sommertour­ismus ist die

Region Serfaus-Fiss-Ladis, die mit vielen Angeboten und Attraktion­en speziell für Familien lockt. Auch St. Anton am Arlberg will mit verschiede­nen Maßnahmen seine Attraktivi­tät in der schneearme­n oder schneelose­n Zeit steigern. Gerhard Eichhorn, Nachhaltig­keitsbeauf­tragter des Tourismusv­erbandes St. Anton, zeigt sich aber überzeugt, dass die Sommersais­on nie an die Wintersais­on herankomme­n wird. Dabei können die bestehende­n Anlagen durchaus zum Ankurbeln des Sommertour­ismus genutzt werden: Liftanlage­n als Zubringer zu Wanderwege­n, zu Kletterste­igen, Biketrails oder Hütten. Speicherse­en sollten so gestaltet werden, dass sie als Badeseen dienen.

Die Gefahr Overtouris­m

Viele Arbeitsplä­tze und der finanziell­e Wohlstand in vielen Tiroler Tälern hängen vor allem vom Wintertour­ismus ab. Es gibt jedoch zunehmend ein Spannungsv­erhältnis zwischen wirtschaft­lichem Wachstum und den Bedürfniss­en der lokalen Bevölkerun­g. Es stellt sich die Frage, welchen Preis die lokale Gemeinscha­ft für den Wohlstand der Region zahlen kann und zahlen muss. Wenn immer mehr Gäste kommen, wächst die Gefahr des „Overtouris­m“. Aber immerhin gebe es, darauf verweist Zangerl, in

den betroffene­n Orten fast keine Abwanderun­g. „Es war immer das Bestreben für die Bewohner der Täler Tirols, eine Beschäftig­ung und eine Wertschöpf­ung zu schaffen.“

Viele Bergrestau­rants und Bergbahnen arbeiten mit lokalen Bauern zusammen und kaufen deren Produkte. Anstatt für neue Bauprojekt­e fremde Unternehme­n anzuheuern, werden am Hochzeiger regionale Bauunterne­hmen damit beauftragt, sagt Fleischhac­ker. Auch Familien werden von den Bergbahnen unterstütz­t. Es gibt viele Angebote für Kinder, denen – als zukünftige Gäste – mit günstigen Schulskiku­rsen, Gratis-Liftkarten und verbilligt­en Unterkünft­en das Schneeerle­ben erleichter­t wird. Diese Angebote können auch von Schulklass­en aus anderen Regionen oder Ländern genutzt werden.

Stress bei der Anreise

Die Anreise ist das größte Problem im Wintertour­ismus: Zu wenig Parkplätze in den Skigebiete­n, hohes Verkehrsau­fkommen, aber auch der große CO2-Ausstoß der Fahrzeuge – all das führt zu Stress und Umweltschä­den. Hier sind neue Konzepte, wie zum Beispiel der Ausbau und die Taktung der öffentlich­en Verkehrsmi­ttel, gefragt, so Zangerl. Eine andere Maßnahme sind Pkw-Parkgebühr­en in Skiorten.

St. Anton hat sich laut Eichhorn als Ziel gesetzt, bis 2030 frei von Individual­verkehr zu werden. Da St. Anton eine Zuganbindu­ng hat, ist auch die Anreise mit der Bahn leicht möglich, und neue Direktverb­indungen begünstige­n diesen Trend. Serfaus ist dank seiner U-Bahn schon seit 1985 nahezu frei von Individual­verkehr im Dorf. Eine andere Möglichkei­t, die Anreise zu erleichter­n, kann eine Zubringer-Seilbahn vom Tal sein, wie zum Beispiel von Ried im Oberinntal nach Fendels. Auch im Skigebiet Hochzeiger wird über ein solches Projekt diskutiert.

Um nachhaltig­er zu werden, müsse man bei der Anreise im Wintertour­ismus ansetzen, so die Forschung: 18 Prozent der CO2-Emissionen kommen von den Bergbahnen, 32 Prozent durch die Bewirtung im Tal und 50 Prozent des CO2-Ausstoßes verursacht der Verkehr.

 ?? [Silvretta Bergbahnen] ?? In großen Skigebiete­n werden 90 Prozent des gesamten Jahresumsa­tzes im Winter erwirtscha­ftet: Günther Zangerl, Vorstand der Silvrettas­eilbahn AG (mit rotem Anorak), mit den Schülern Nick Aloys-Ecker (links), Marco Kneringer und Djerdj Djurasevic (rechts).
[Silvretta Bergbahnen] In großen Skigebiete­n werden 90 Prozent des gesamten Jahresumsa­tzes im Winter erwirtscha­ftet: Günther Zangerl, Vorstand der Silvrettas­eilbahn AG (mit rotem Anorak), mit den Schülern Nick Aloys-Ecker (links), Marco Kneringer und Djerdj Djurasevic (rechts).

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