Umdenken, wenn der Schnee ausbleibt
Wie Tiroler Bergbahnen den Tourismus in der Region attraktiv erhalten und fördern wollen, ohne den Umweltschutz zu vernachlässigen.
Umweltschutz wird weltweit immer dringlicher, und so steht er auch in Tirol stark im Fokus. Was das Thema Nachhaltigkeit betrifft, so hat der starke Wirtschaftssektor Tourismus gegen ein negatives Image zu kämpfen, und deshalb fangen viele Skiregionen an umzudenken. Ein komplexer Prozess hat längst begonnen. Was hat sich bereits verändert? Und hat der Wintertourismus überhaupt noch eine Zukunft?
Ohne Schnee kein touristischer Winterbetrieb, aber seit einigen Jahren fällt immer weniger Naturschnee. Dabei hat es schon immer Schwankungen zwischen schneereichen und schneearmen Wintern gegeben. Aber: „Ohne technische Beschneiung wäre kein Skibetrieb mehr möglich“, sagt Thomas Fleischhacker, Vorstand der Hochzeiger-Bergbahnen.
Die Zukunft aus der Kanone
Eine Variante, wie Energie und Wasser effizient fürs Beschneien genutzt werden, ist die Pistenausmessung via Laserscan und GPS, die bereits in sehr vielen Gebieten angewandt wird. Die Pistenraupen können die Schneehöhe während der Präparation laufend ermitteln und dadurch effizienter mit weniger Schnee arbeiten. Eine andere Möglichkeit sind Schneedepots („Snow-Farming“). Dabei sei, worauf Robert Steiger, Professor für Finanzen an der Universität Innsbruck, hinweist, diese Art der Schneesicherung für wichtige Pisten wie zum Beispiel Talabfahrten durchaus geeignet, aber derzeit kaum großflächig anwendbar.
Für höhere und nordseitig ausgerichtete Skiregionen dürfte mittelfristig weiterhin Schnee garantiert sein, aber die einschlägige Forschung prognostiziert, dass in 30 Jahren nur mehr 80 Prozent der Skigebiete mit 100 Tagen Skibetrieb schneesicher sein werden. Dazu sagt Steiger: „Wir berücksichtigen die Beschneiung immer mit, da der Skibetrieb nicht allein vom Naturschnee abhängt.“Beschneiung wirkt wie ein Teufelskreis: mehr Schneekanonen, mehr Kunstschnee, mehr Emissionen und am Ende immer weniger Naturschnee – daher der schlechte Ruf des Beschneiens, auch wenn in Österreich ein großer Teil des dafür benötigten Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Die Silvretta-Bergbahnen in Ischgl werden zum Beispiel schon zu 100 Prozent mit Strom aus Wasserkraft betrieben.
Angesichts des voranschreitenden Klimawandels macht man sich in den Tiroler Skigebieten Gedanken, wie man außerhalb der Wintersaison ein attraktives touristisches Angebot präsentieren kann. In großen Skigebieten wie Ischgl werden laut Günther Zangerl, Vorstand der Silvrettaseilbahn AG, 90 Prozent des gesamten Jahresumsatzes im Winter erwirtschaftet. In kleineren Skigebieten, wie zum Beispiel am Hochzeiger, steigen die Nächtigungen im Sommer. Bei der Bergbahn Hoch-Imst liegt der Sommeranteil sogar schon bei circa 70 Prozent, wie Bernhard Schöpf, Geschäftsführer der Imster Bergbahnen, mitteilt.
Die Wertschöpfung ist jedoch generell im Winter wesentlich höher. Trotzdem investieren viele Regionen in ein ausgeprägtes Sommerprogramm. Ein Vorreiter in Sachen Sommertourismus ist die
Region Serfaus-Fiss-Ladis, die mit vielen Angeboten und Attraktionen speziell für Familien lockt. Auch St. Anton am Arlberg will mit verschiedenen Maßnahmen seine Attraktivität in der schneearmen oder schneelosen Zeit steigern. Gerhard Eichhorn, Nachhaltigkeitsbeauftragter des Tourismusverbandes St. Anton, zeigt sich aber überzeugt, dass die Sommersaison nie an die Wintersaison herankommen wird. Dabei können die bestehenden Anlagen durchaus zum Ankurbeln des Sommertourismus genutzt werden: Liftanlagen als Zubringer zu Wanderwegen, zu Klettersteigen, Biketrails oder Hütten. Speicherseen sollten so gestaltet werden, dass sie als Badeseen dienen.
Die Gefahr Overtourism
Viele Arbeitsplätze und der finanzielle Wohlstand in vielen Tiroler Tälern hängen vor allem vom Wintertourismus ab. Es gibt jedoch zunehmend ein Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichem Wachstum und den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung. Es stellt sich die Frage, welchen Preis die lokale Gemeinschaft für den Wohlstand der Region zahlen kann und zahlen muss. Wenn immer mehr Gäste kommen, wächst die Gefahr des „Overtourism“. Aber immerhin gebe es, darauf verweist Zangerl, in
den betroffenen Orten fast keine Abwanderung. „Es war immer das Bestreben für die Bewohner der Täler Tirols, eine Beschäftigung und eine Wertschöpfung zu schaffen.“
Viele Bergrestaurants und Bergbahnen arbeiten mit lokalen Bauern zusammen und kaufen deren Produkte. Anstatt für neue Bauprojekte fremde Unternehmen anzuheuern, werden am Hochzeiger regionale Bauunternehmen damit beauftragt, sagt Fleischhacker. Auch Familien werden von den Bergbahnen unterstützt. Es gibt viele Angebote für Kinder, denen – als zukünftige Gäste – mit günstigen Schulskikursen, Gratis-Liftkarten und verbilligten Unterkünften das Schneeerleben erleichtert wird. Diese Angebote können auch von Schulklassen aus anderen Regionen oder Ländern genutzt werden.
Stress bei der Anreise
Die Anreise ist das größte Problem im Wintertourismus: Zu wenig Parkplätze in den Skigebieten, hohes Verkehrsaufkommen, aber auch der große CO2-Ausstoß der Fahrzeuge – all das führt zu Stress und Umweltschäden. Hier sind neue Konzepte, wie zum Beispiel der Ausbau und die Taktung der öffentlichen Verkehrsmittel, gefragt, so Zangerl. Eine andere Maßnahme sind Pkw-Parkgebühren in Skiorten.
St. Anton hat sich laut Eichhorn als Ziel gesetzt, bis 2030 frei von Individualverkehr zu werden. Da St. Anton eine Zuganbindung hat, ist auch die Anreise mit der Bahn leicht möglich, und neue Direktverbindungen begünstigen diesen Trend. Serfaus ist dank seiner U-Bahn schon seit 1985 nahezu frei von Individualverkehr im Dorf. Eine andere Möglichkeit, die Anreise zu erleichtern, kann eine Zubringer-Seilbahn vom Tal sein, wie zum Beispiel von Ried im Oberinntal nach Fendels. Auch im Skigebiet Hochzeiger wird über ein solches Projekt diskutiert.
Um nachhaltiger zu werden, müsse man bei der Anreise im Wintertourismus ansetzen, so die Forschung: 18 Prozent der CO2-Emissionen kommen von den Bergbahnen, 32 Prozent durch die Bewirtung im Tal und 50 Prozent des CO2-Ausstoßes verursacht der Verkehr.