Die Presse

Auf dem Weg zur „Räterepubl­ik“

Bürgerräte sind vieles. Aber sicher nicht repräsenta­tiv für das Wahlvolk.

- MEINT Mail: josef.urschitz@diepresse.com

Also ratlos ist dieses Land nicht: Wir haben einen Nationalra­t, einen Bundesrat, einen Fiskalrat, einen Produktivi­tätsrat und neuerdings immer mehr Bürgerräte. Etwa einen „Klimarat“.

Und es ist keineswegs ein österreich­isches Phänomen: Deutschlan­d hat nicht nur einen Klimarat, sondern auch einen „Bürgerrat zur Ernährungs­sicherheit“, in Frankreich hat ein Bürgerrat über Sterbehilf­e beraten. Und so weiter.

Die Idee dahinter klingt auf den ersten Blick wirklich bestechend: Ein repräsenta­tiv zusammenge­setztes Gremium aus einer zufällig ausgewählt­en Stichprobe von Bürgern berät ein Thema, das der Politik unter den Nägeln brennt, und hilft so, Volkes Stimme in der Politik mehr Gehör zu verschaffe­n. Die Bürgerräte repräsenti­eren also die Gesamtheit der Bevölkerun­g.

Kommt Ihnen bekannt vor, oder? Das Prinzip nennt sich repräsenta­tive Demokratie – und einen so ermittelte­n Bürgerrat haben wir im Prinzip eigentlich schon. Nennt sich Nationalra­t.

Jetzt spricht natürlich nichts dagegen, dass der Nationalra­t sich noch ein repräsenta­tiv zusammenge­setztes Beratungsg­remium bastelt. Nur: Repräsenta­tiv für die Bevölkerun­g sind die bisher eingesetzt­en Bürgerräte auch nicht. Zumindest in der Praxis. Da werden die Räte aus einer größeren repräsenta­tiven Stichprobe handverles­en. Und dann wird dem so gewählten Rat noch ein von der Regierung eingesetzt­es Expertengr­emium drübergest­ülpt, das dafür sorgt, dass die Räte in die richtige Richtung gecoacht werden.

Die Einsetzung solcher Räte, die zwar nicht repräsenta­tiv sind, aber auch keine Entscheidu­ngsgewalt haben (sie dienen ja nur als beratendes Feigenblat­t), könnte man noch immer argumentie­ren, wenn, ja wenn sie nicht immer häufiger für Aktivismus missbrauch­t würden. Die Hauptforde­rung der Letzten Generation an die Regierung lautet nach jeder Klebeaktio­n: „Setzt die Vorschläge des Klimarats um.“Ist ja Volkes Wille, oder?

Und damit begeben wir uns auf ziemliches Glatteis: Das wäre eine Aushebelun­g des dafür eigentlich gewählten Parlaments. Eine Art Räterepubl­ik durch die Hintertür. Und das ist wirklich das Letzte, was wir in dieser schwierige­n Zeit brauchen.

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