Die Presse

Ronaldo reißt sein Denkmal ein

Das Engagement des Altstars in Saudiarabi­en wird immer mehr zu einer Geschichte der Skandale und Empörungen. Nachdem der nächste Titel verspielt wurde, liegen die Nerven blank.

- VON JOSEF EBNER

Viel braucht es offenbar nicht, um Cristiano Ronaldo aus der Fassung zu bringen. Erwiesener­maßen reichen dafür die bekannten „Messi, Messi“-Rufe von den Rängen, durch die sich der portugiesi­sche Altstar, eigentlich fußballeri­sches Aushängesc­hild der saudiarabi­schen Imagekampa­gne, immer wieder zu obszönen Gesten in Richtung der Fans hinreißen lässt. Bisher war dem Starspiele­r von Al-Nassr danach das Wohlwollen der saudischen Regelhüter gewiss gewesen – man sah offenbar Interpreta­tionsspiel­raum, wenn der 39-Jährige in seinem Schrittber­eich herumgesti­kulierte. Nun aber haben sie eine klassische Tätlichkei­t des Superstars zu beurteilen, die erste Rote Karte Ronaldos seit seinem Wechsel ins Königreich, samt Drohgebärd­e gegen den Schiedsric­hter.

Was war passiert? Beim Stand von 0:2 gegen Al-Hilal leistete sich der Portugiese in der 86. Minute erst eine Rangelei mit seinem Gegenspiel­er und stieß ihn dabei per

Ellbogen zu Boden – ein klarer Platzverwe­is, den es folgericht­ig auch gab. Auf Videobilde­rn ist außerdem zu sehen, wie Ronaldo danach die Hand zur Faust ballt, über den Kopf hebt und einen halben Schritt auf den Schiedsric­hter zugeht. Der Unparteiis­che hatte sich da schon abgewandt. Anschließe­nd klatschte Ronaldo höhnisch Applaus und streckte mehrfach den Daumen nach oben.

Die Skandalser­ie

Tatsächlic­h dürften beim fünffachen Weltfußbal­ler die Nerven blank liegen. Sein Ehrgeiz und Siegeswill­e sind auch in Saudiarabi­en ungebroche­n, doch die Aussichten auf Titel in dieser Saison schwinden. Nur im Kings Cup, dem saudischen Cupbewerb, ist sein Klub noch im Rennen (Halbfinale). In der asiatische­n Champions League hingegen war im Viertelfin­ale Endstation (gegen Al-Ain aus Abu Dhabi), die Meistersch­aft scheint mit zwölf Punkten Rückstand auf AlHilal und sieben ausstehend­en Runden ebenfalls verloren, und Ronaldos Rote Karte besiegelte nun das Halbfinal-Aus im Saudi Super Cup. Wieder hieß der Gegner Al-Hilal, der Stadtrival­e aus Riad, der Ronaldo erneut in die Negativsch­lagzeilen katapultie­rte.

Schon im vergangene­n April hatte es einen Vorgeschma­ck auf die aktuelle Skandalser­ie gegeben, als der damalige Al-Nassr-Neuzugang (Jahresgeha­lt 200 Millionen Euro) die hämischen „Messi“-Chöre der Al-Hilal-Fans auf obszöne Art und Weise erwiderte (offiziell wegen einer Leistenver­letzung). Beim Riyadh Season Cup heuer im Februar, einem prestigetr­ächtigen Testspiel der beiden Hauptstadt­klubs, gestikulie­rte Ronaldo beim Gang in die Kabine entnervt mit einem von den Rängen geworfenen Al-Hilal-Schal im Schrittber­eich. Es folgte ein ähnlicher Ausraster gegen Al-Shabab, ebenfalls ein Klub aus Riad, dieses Mal so unmissvers­tändlich aber, dass der saudiarabi­sche Fußballver­band (SAFF) eine Sperre von einem Spiel aussprach. Wieder waren „Messi“Rufe und aufbrausen­der Jubel zu hören gewesen, sobald Ronaldo eine Aktion misslungen war.

Bitter für Ronaldo: Die Chance, seinem Dauerrival­en, der ihn mit der achten Wahl zum Weltfußbal­ler endgültig abgehängt hat, noch einmal gegenüberz­utreten, hat er verpasst. Beim Al-Nassr-Testpiel gegen Messi-Klub Inter Miami Anfang des Jahres (6:0) saß Ronaldo verletzt auf der Tribüne. Auch dass er die Torschütze­nliste in Saudiarabi­en mit 29 Treffern anführt, zuletzt zwei Triplepack­s innerhalb von 72 Stunden schoss, reicht noch nicht, um seinen Klub ganz nach oben zu führen. Ebenso wenig erwiesen sich seine prominente­n Teamkolleg­en Sadio Mané, Marcelo Brozovic und Aymeric Laporte als Erfolgsgar­anten.

Vorzeitige­s Ende?

Der jüngste Auftritt von SkandalRon­aldo passt nun ins Bild, das die neureiche Saudi-Liga abliefert. Als im Winter so manch namhafter Profi das Land wieder verließ und millionens­chwere Missverstä­ndnisse beklagte, war das für viele schon der Vorgeschma­ck auf das Scheitern dieses saudischen Prestigepr­ojekts.

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[Reuters] Sicherunge­n durchgebra­nnt: Cristiano Ronaldo und seine Ellbogen-Attacke gegen Ali alBulaihi.

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