Ronaldo reißt sein Denkmal ein
Das Engagement des Altstars in Saudiarabien wird immer mehr zu einer Geschichte der Skandale und Empörungen. Nachdem der nächste Titel verspielt wurde, liegen die Nerven blank.
Viel braucht es offenbar nicht, um Cristiano Ronaldo aus der Fassung zu bringen. Erwiesenermaßen reichen dafür die bekannten „Messi, Messi“-Rufe von den Rängen, durch die sich der portugiesische Altstar, eigentlich fußballerisches Aushängeschild der saudiarabischen Imagekampagne, immer wieder zu obszönen Gesten in Richtung der Fans hinreißen lässt. Bisher war dem Starspieler von Al-Nassr danach das Wohlwollen der saudischen Regelhüter gewiss gewesen – man sah offenbar Interpretationsspielraum, wenn der 39-Jährige in seinem Schrittbereich herumgestikulierte. Nun aber haben sie eine klassische Tätlichkeit des Superstars zu beurteilen, die erste Rote Karte Ronaldos seit seinem Wechsel ins Königreich, samt Drohgebärde gegen den Schiedsrichter.
Was war passiert? Beim Stand von 0:2 gegen Al-Hilal leistete sich der Portugiese in der 86. Minute erst eine Rangelei mit seinem Gegenspieler und stieß ihn dabei per
Ellbogen zu Boden – ein klarer Platzverweis, den es folgerichtig auch gab. Auf Videobildern ist außerdem zu sehen, wie Ronaldo danach die Hand zur Faust ballt, über den Kopf hebt und einen halben Schritt auf den Schiedsrichter zugeht. Der Unparteiische hatte sich da schon abgewandt. Anschließend klatschte Ronaldo höhnisch Applaus und streckte mehrfach den Daumen nach oben.
Die Skandalserie
Tatsächlich dürften beim fünffachen Weltfußballer die Nerven blank liegen. Sein Ehrgeiz und Siegeswille sind auch in Saudiarabien ungebrochen, doch die Aussichten auf Titel in dieser Saison schwinden. Nur im Kings Cup, dem saudischen Cupbewerb, ist sein Klub noch im Rennen (Halbfinale). In der asiatischen Champions League hingegen war im Viertelfinale Endstation (gegen Al-Ain aus Abu Dhabi), die Meisterschaft scheint mit zwölf Punkten Rückstand auf AlHilal und sieben ausstehenden Runden ebenfalls verloren, und Ronaldos Rote Karte besiegelte nun das Halbfinal-Aus im Saudi Super Cup. Wieder hieß der Gegner Al-Hilal, der Stadtrivale aus Riad, der Ronaldo erneut in die Negativschlagzeilen katapultierte.
Schon im vergangenen April hatte es einen Vorgeschmack auf die aktuelle Skandalserie gegeben, als der damalige Al-Nassr-Neuzugang (Jahresgehalt 200 Millionen Euro) die hämischen „Messi“-Chöre der Al-Hilal-Fans auf obszöne Art und Weise erwiderte (offiziell wegen einer Leistenverletzung). Beim Riyadh Season Cup heuer im Februar, einem prestigeträchtigen Testspiel der beiden Hauptstadtklubs, gestikulierte Ronaldo beim Gang in die Kabine entnervt mit einem von den Rängen geworfenen Al-Hilal-Schal im Schrittbereich. Es folgte ein ähnlicher Ausraster gegen Al-Shabab, ebenfalls ein Klub aus Riad, dieses Mal so unmissverständlich aber, dass der saudiarabische Fußballverband (SAFF) eine Sperre von einem Spiel aussprach. Wieder waren „Messi“Rufe und aufbrausender Jubel zu hören gewesen, sobald Ronaldo eine Aktion misslungen war.
Bitter für Ronaldo: Die Chance, seinem Dauerrivalen, der ihn mit der achten Wahl zum Weltfußballer endgültig abgehängt hat, noch einmal gegenüberzutreten, hat er verpasst. Beim Al-Nassr-Testpiel gegen Messi-Klub Inter Miami Anfang des Jahres (6:0) saß Ronaldo verletzt auf der Tribüne. Auch dass er die Torschützenliste in Saudiarabien mit 29 Treffern anführt, zuletzt zwei Triplepacks innerhalb von 72 Stunden schoss, reicht noch nicht, um seinen Klub ganz nach oben zu führen. Ebenso wenig erwiesen sich seine prominenten Teamkollegen Sadio Mané, Marcelo Brozovic und Aymeric Laporte als Erfolgsgaranten.
Vorzeitiges Ende?
Der jüngste Auftritt von SkandalRonaldo passt nun ins Bild, das die neureiche Saudi-Liga abliefert. Als im Winter so manch namhafter Profi das Land wieder verließ und millionenschwere Missverständnisse beklagte, war das für viele schon der Vorgeschmack auf das Scheitern dieses saudischen Prestigeprojekts.