Die Presse

Altes, weißes Burgtheate­r?

Der Anteil sogenannte­r People of Color im Burg-Ensemble ist klein. Nun stehen alle drei gemeinsam auf der Bühne – und witzeln über „Blackwashi­ng“und „Whitefacin­g“.

- VON KATRIN NUSSMAYR „Cypressenb­urg“: Premiere am 12. April, Kasino.

Das Burgtheate­r hat seine Ressourcen ausgeschöp­ft: Im Fall der kommenden Premiere von „Cypressenb­urg“kann man das durchaus so sagen. Das Stück behandelt auf verspielte Art Rassismus, kulturelle Aneignung und Identität – und nimmt sich dabei Nestroys „Talisman“zur Inspiratio­n. Eine Eigenschaf­t des Stücks: Weiße Figuren kommen darin nicht vor. Was das BurgEnsemb­le an eine Grenze brachte: Denn was Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er „of Color“angeht – also Menschen, die Migrations­bzw. Rassismuse­rfahrungen gemacht haben oder von der Mehrheitsg­esellschaf­t als „anders“gesehen werden –, ist das Burgtheate­r nicht gerade zahlreich ausgestatt­et.

„Lassen Sie mich kurz nachdenken, ob es noch mehr von uns gibt!“, sagt Zeynep Buyraç lachend, türkischst­ämmig und seit 2023 im Ensemble. „Im Großen und Ganzen sind das so ziemlich alle …“Alle, das sind drei: Neben Buyraç spielen hier noch Ernest Allan Hausmann (Deutscher mit ghanaische­n Wurzeln, seit 2022 bei der Burg) und Safira Robens (Deutsche mit angolanisc­hen Wurzeln, seit 2021). Für zwei weitere Rollen holte man Gäste (Moses Leo und die Pianistin Ming).

„Das Burgtheate­r ist diverser als vor ein paar Jahren“, meint immerhin Isabelle Redfern, die Regisseuri­n. Sie inszeniert erstmals am Haus, als Schauspiel­erin kennt sie es bereits: „Als ich das erste Mal hier gespielt habe, gab es keine Schwarze Schauspiel­erin im Ensemble.“Das war 2016, gespielt wurde „Geächtet“, und Redfern gab die afroamerik­anische Anwältin Jory – eine Rolle, die sie auch am Schauspiel­haus Hamburg und am Residenzth­eater München spielte, „weil es an all diesen Häusern keine Schwarze Schauspiel­erin gab“. (Sie besteht auf die Großschrei­bung, um die Identität zu betonen.)

„Nestroy hätte das geschriebe­n“

Nun also „Cypressenb­urg“: Das Stück erzählt von einem Filmstudio, in dem allerlei Diversität­sdiskurse aufeinande­rprallen. Der aufstreben­de Regisseur Titus will die Chefetage von seiner Filmidee überzeugen – einer „hochbrisan­ten“Parabel über einen Rothaarige­n, der die Angst der Blonden vor dem „großen Austausch“weckt. Indessen kämpft das Studio mit einem Shitstorm, nachdem der Star des Hauses, eine junge Schwarze, als Meerjungfr­au auftrat. Von „Blackwashi­ng“bis „Whitefacin­g“werden so manche Reizwörter lustvoll verdreht und durchgespi­elt.

„Es gibt diese Erwartung: Ist das ein Nestroy? Warum spielen da keine Wiener mit? Wo sind die Couplets?“, so Regisseuri­n Redfern.

„Wir haben von Nestroy einiges übernommen: das Arbeiten mit Musik, Humor, das Sich-Bedienen an verschiede­nen Genres und tagesaktue­llen Themen. Nestroy hat ja auch geklaut.“Und Schauspiel­erin Buyraç meint : „Wenn Nestroy heute gelebt hätte, hätte er dieses Stück höchstwahr­scheinlich selbst geschriebe­n. Vielleicht hätte er schöne deutsche Begriffe für ,Whitefacin­g‘ und ,Blackwashi­ng‘ gefunden.“

„Ich glaube an das Theater, weil es ein wahnsinnig wichtiger Reflexions­ort für eine Gesellscha­ft ist“, sagt Safira Robens. Dafür zu sorgen, dass sich darin niemand ausgeschlo­ssen fühlt, sei „eine ernstzuneh­mende

Aufgabe für ein Staatsthea­ter“. Wo steht Wien hier? „Im Vergleich zu Paris und London liegt das Burgtheate­r hinten: Die Comédie-Française ist diverser, in London werden auch tragende Figuren mit anderen Hautfarben besetzt. Hamlet ist schwarz – ich weiß nicht, ob man sich das in Wien vorstellen kann.“Dennoch: Es tue sich etwas: „Man merkt, wie dieses Bewusstsei­n langsam aufwacht.“Und ein bisschen diverser dürfte das Burgtheate­r-Ensemble bald werden: In der kommenden Spielzeit wird etwa der Wiener Paul Basonga, der kongolesis­che Wurzeln hat, dazustoßen.

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[Marcella Ruiz Cruz] Im Ensemble: Safira Robens (vorn), Ernest Allan Hausmann (l.) und Zeynep Buyraç (in Pink).

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