Altes, weißes Burgtheater?
Der Anteil sogenannter People of Color im Burg-Ensemble ist klein. Nun stehen alle drei gemeinsam auf der Bühne – und witzeln über „Blackwashing“und „Whitefacing“.
Das Burgtheater hat seine Ressourcen ausgeschöpft: Im Fall der kommenden Premiere von „Cypressenburg“kann man das durchaus so sagen. Das Stück behandelt auf verspielte Art Rassismus, kulturelle Aneignung und Identität – und nimmt sich dabei Nestroys „Talisman“zur Inspiration. Eine Eigenschaft des Stücks: Weiße Figuren kommen darin nicht vor. Was das BurgEnsemble an eine Grenze brachte: Denn was Schauspielerinnen und Schauspieler „of Color“angeht – also Menschen, die Migrationsbzw. Rassismuserfahrungen gemacht haben oder von der Mehrheitsgesellschaft als „anders“gesehen werden –, ist das Burgtheater nicht gerade zahlreich ausgestattet.
„Lassen Sie mich kurz nachdenken, ob es noch mehr von uns gibt!“, sagt Zeynep Buyraç lachend, türkischstämmig und seit 2023 im Ensemble. „Im Großen und Ganzen sind das so ziemlich alle …“Alle, das sind drei: Neben Buyraç spielen hier noch Ernest Allan Hausmann (Deutscher mit ghanaischen Wurzeln, seit 2022 bei der Burg) und Safira Robens (Deutsche mit angolanischen Wurzeln, seit 2021). Für zwei weitere Rollen holte man Gäste (Moses Leo und die Pianistin Ming).
„Das Burgtheater ist diverser als vor ein paar Jahren“, meint immerhin Isabelle Redfern, die Regisseurin. Sie inszeniert erstmals am Haus, als Schauspielerin kennt sie es bereits: „Als ich das erste Mal hier gespielt habe, gab es keine Schwarze Schauspielerin im Ensemble.“Das war 2016, gespielt wurde „Geächtet“, und Redfern gab die afroamerikanische Anwältin Jory – eine Rolle, die sie auch am Schauspielhaus Hamburg und am Residenztheater München spielte, „weil es an all diesen Häusern keine Schwarze Schauspielerin gab“. (Sie besteht auf die Großschreibung, um die Identität zu betonen.)
„Nestroy hätte das geschrieben“
Nun also „Cypressenburg“: Das Stück erzählt von einem Filmstudio, in dem allerlei Diversitätsdiskurse aufeinanderprallen. Der aufstrebende Regisseur Titus will die Chefetage von seiner Filmidee überzeugen – einer „hochbrisanten“Parabel über einen Rothaarigen, der die Angst der Blonden vor dem „großen Austausch“weckt. Indessen kämpft das Studio mit einem Shitstorm, nachdem der Star des Hauses, eine junge Schwarze, als Meerjungfrau auftrat. Von „Blackwashing“bis „Whitefacing“werden so manche Reizwörter lustvoll verdreht und durchgespielt.
„Es gibt diese Erwartung: Ist das ein Nestroy? Warum spielen da keine Wiener mit? Wo sind die Couplets?“, so Regisseurin Redfern.
„Wir haben von Nestroy einiges übernommen: das Arbeiten mit Musik, Humor, das Sich-Bedienen an verschiedenen Genres und tagesaktuellen Themen. Nestroy hat ja auch geklaut.“Und Schauspielerin Buyraç meint : „Wenn Nestroy heute gelebt hätte, hätte er dieses Stück höchstwahrscheinlich selbst geschrieben. Vielleicht hätte er schöne deutsche Begriffe für ,Whitefacing‘ und ,Blackwashing‘ gefunden.“
„Ich glaube an das Theater, weil es ein wahnsinnig wichtiger Reflexionsort für eine Gesellschaft ist“, sagt Safira Robens. Dafür zu sorgen, dass sich darin niemand ausgeschlossen fühlt, sei „eine ernstzunehmende
Aufgabe für ein Staatstheater“. Wo steht Wien hier? „Im Vergleich zu Paris und London liegt das Burgtheater hinten: Die Comédie-Française ist diverser, in London werden auch tragende Figuren mit anderen Hautfarben besetzt. Hamlet ist schwarz – ich weiß nicht, ob man sich das in Wien vorstellen kann.“Dennoch: Es tue sich etwas: „Man merkt, wie dieses Bewusstsein langsam aufwacht.“Und ein bisschen diverser dürfte das Burgtheater-Ensemble bald werden: In der kommenden Spielzeit wird etwa der Wiener Paul Basonga, der kongolesische Wurzeln hat, dazustoßen.