Mehr Polizei wird die Probleme in Favoriten nicht lösen
Der zehnte Wiener Gemeindebezirk gilt neuerdings als No-go-Area. Das ist er nicht. Doch die planlose Zuwanderung hat Spuren hinterlassen.
Vor ein paar Tagen fand vor dem Amalienbad in Wien Favoriten eine Protestveranstaltung statt. Mitarbeiter des Schwimmbads nahmen vor dem Eingang Aufstellung und präsentierten ein Transparent mit der Aufschrift „Herr Innenminister! Mehr Polizei zum Schutz unserer KollegInnen und der Bevölkerung!!!“Die Situation sei untragbar, erklärte der anwesende Gewerkschafter laut Medienberichten. „Meine Kolleginnen und Kollegen (…) fühlen sich sehr unsicher und sind verängstigt – vor allem im Dunkeln.“Gefordert wird eine Polizeistreife direkt vor dem Amalienbad, und zwar täglich von sechs bis 24 Uhr.
Fairerweise müsste das Gleiche dann wohl auch für die Apotheke gegenüber gelten. Ebenso für die Buchhandlung, das FastFood-Restaurant, den Drogeriemarkt und natürlich das Eisgeschäft. Am besten wird sein, wir parken die ganze Gegend mit Polizeiautos zu. Jeder Passant kann dann entweder beschützt oder perlustriert werden – je nachdem, wie hilflos oder gefährlich er aussieht. Unter solchen Bedingungen werden sich vielleicht auch die zartbesaiteten Bademeister des Amalienbads wieder an ihren Arbeitsplatz trauen.
Sorry, falls das jetzt so wirkt, als wollte ich mich über die Nöte braver Gemeindebediensteter lustig machen. Nichts läge mir ferner. Ich wundere mich bloß über die aktuellen Bemühungen, den Reumannplatz medial zur No-go-Area aufzurüsten. Zufällig kenne ich die Gegend ganz gut, weil ich seit fast zehn Jahren hier wohne. Grund zum Fürchten hatte ich nie. Andere gruseln sich dafür umso mehr, wie es scheint: Das Boulevardblatt „Heute“konnte neulich von einem Anrainer namens Sascha berichten, der nach eigenen Angaben nur mit Stichschutzweste herumläuft. Sogar der „Falter“hat vor Ort eine Frau aufgetrieben, die zu Protokoll gegeben hat, dass sie „immer Pfefferspray dabei“habe.
Vor Kurzem gab es Messerstechereien auf dem Reumannplatz. Das erklärt die Stimmung zum Teil. Da der Ruf des Bezirks schon lang schlecht ist, bekommt jeder einschlägige Vorfall besonders viel
Aufmerksamkeit. In der Wiener Kriminalstatistik liegt Favoriten allerdings nicht einsam an der Spitze, sondern im Mittelfeld – jedenfalls gemessen an der Einwohnerzahl. So oder so kann Polizeiarbeit stets nur Symptome bekämpfen, für darunter liegende Probleme ist die Politik zuständig.
Letztlich zeigt sich im Zentrum des Zehnten, welche Folgen Migration haben kann, wenn sie im großen Stil, aber ohne vernünftigen Plan vonstattengeht. Mit jeder Flüchtlingswelle wurde es enger auf den Straßen und in den Parks. Die schiere Menge an Menschen ist ein Stressfaktor, und die meisten fühlen sich hier nicht zu Hause, das merkt man. Deutlich mehr geworden sind über die Jahre auch die streng muslimisch gekleideten Frauen und Mädchen. Corona hat die Verhüllung erleichtert; mit den Masken lässt sich ganz simpel eine Art Burka basteln.
Zu viele junge Männer haben nichts zu tun und lungern den ganzen Tag im Park und in der Fußgängerzone herum. Sie dürfen nicht arbeiten, finden keinen Job oder haben herausgefunden, dass der Sozialstaat zwar kein angenehmes, aber ein bequemes Leben ermöglicht. Diese Männer sinnvoll zu beschäftigen – eventuell sogar mit ganz normaler Erwerbsarbeit – wäre die wirksamste Maßnahme zur Erhöhung des allgemeinen Sicherheitsgefühls.
„Soziale Durchmischung“war einst der Lieblingsbegriff von Wiens Sozialdemokraten. In Favoriten wurde dieses Konzept still und leise aufgegeben, der autochthone Mittelstand hat den Rückzug angetreten. Vielleicht ging es nicht anders, aber schade ist es trotzdem. Nicht bloß, weil der Zehnte vielen Wienern am Herzen liegt. Auch die Zuwanderer brauchten ein bisschen österreichischen Alltag, damit sie wenigstens wüssten, wohin sie sich allenfalls integrieren könnten.
Favoriten feiert heuer sein 150-JahrJubiläum als Wiener Bezirk. Die Zahl der Polizisten sollte nicht das Einzige sein, worüber sich die Politik aus diesem Anlass den Kopf zerbricht.
‘‘ In der Wiener Kriminalstatistik liegt Favoriten nicht einsam an der Spitze, sondern im Mittelfeld.