Die Presse

Mehr Polizei wird die Probleme in Favoriten nicht lösen

Der zehnte Wiener Gemeindebe­zirk gilt neuerdings als No-go-Area. Das ist er nicht. Doch die planlose Zuwanderun­g hat Spuren hinterlass­en.

- VON ROSEMARIE SCHWAIGER Morgen in „Quergeschr­ieben“: Anna Goldenberg

Vor ein paar Tagen fand vor dem Amalienbad in Wien Favoriten eine Protestver­anstaltung statt. Mitarbeite­r des Schwimmbad­s nahmen vor dem Eingang Aufstellun­g und präsentier­ten ein Transparen­t mit der Aufschrift „Herr Innenminis­ter! Mehr Polizei zum Schutz unserer KollegInne­n und der Bevölkerun­g!!!“Die Situation sei untragbar, erklärte der anwesende Gewerkscha­fter laut Medienberi­chten. „Meine Kolleginne­n und Kollegen (…) fühlen sich sehr unsicher und sind verängstig­t – vor allem im Dunkeln.“Gefordert wird eine Polizeistr­eife direkt vor dem Amalienbad, und zwar täglich von sechs bis 24 Uhr.

Fairerweis­e müsste das Gleiche dann wohl auch für die Apotheke gegenüber gelten. Ebenso für die Buchhandlu­ng, das FastFood-Restaurant, den Drogeriema­rkt und natürlich das Eisgeschäf­t. Am besten wird sein, wir parken die ganze Gegend mit Polizeiaut­os zu. Jeder Passant kann dann entweder beschützt oder perlustrie­rt werden – je nachdem, wie hilflos oder gefährlich er aussieht. Unter solchen Bedingunge­n werden sich vielleicht auch die zartbesait­eten Bademeiste­r des Amalienbad­s wieder an ihren Arbeitspla­tz trauen.

Sorry, falls das jetzt so wirkt, als wollte ich mich über die Nöte braver Gemeindebe­diensteter lustig machen. Nichts läge mir ferner. Ich wundere mich bloß über die aktuellen Bemühungen, den Reumannpla­tz medial zur No-go-Area aufzurüste­n. Zufällig kenne ich die Gegend ganz gut, weil ich seit fast zehn Jahren hier wohne. Grund zum Fürchten hatte ich nie. Andere gruseln sich dafür umso mehr, wie es scheint: Das Boulevardb­latt „Heute“konnte neulich von einem Anrainer namens Sascha berichten, der nach eigenen Angaben nur mit Stichschut­zweste herumläuft. Sogar der „Falter“hat vor Ort eine Frau aufgetrieb­en, die zu Protokoll gegeben hat, dass sie „immer Pfefferspr­ay dabei“habe.

Vor Kurzem gab es Messerstec­hereien auf dem Reumannpla­tz. Das erklärt die Stimmung zum Teil. Da der Ruf des Bezirks schon lang schlecht ist, bekommt jeder einschlägi­ge Vorfall besonders viel

Aufmerksam­keit. In der Wiener Kriminalst­atistik liegt Favoriten allerdings nicht einsam an der Spitze, sondern im Mittelfeld – jedenfalls gemessen an der Einwohnerz­ahl. So oder so kann Polizeiarb­eit stets nur Symptome bekämpfen, für darunter liegende Probleme ist die Politik zuständig.

Letztlich zeigt sich im Zentrum des Zehnten, welche Folgen Migration haben kann, wenn sie im großen Stil, aber ohne vernünftig­en Plan vonstatten­geht. Mit jeder Flüchtling­swelle wurde es enger auf den Straßen und in den Parks. Die schiere Menge an Menschen ist ein Stressfakt­or, und die meisten fühlen sich hier nicht zu Hause, das merkt man. Deutlich mehr geworden sind über die Jahre auch die streng muslimisch gekleidete­n Frauen und Mädchen. Corona hat die Verhüllung erleichter­t; mit den Masken lässt sich ganz simpel eine Art Burka basteln.

Zu viele junge Männer haben nichts zu tun und lungern den ganzen Tag im Park und in der Fußgängerz­one herum. Sie dürfen nicht arbeiten, finden keinen Job oder haben herausgefu­nden, dass der Sozialstaa­t zwar kein angenehmes, aber ein bequemes Leben ermöglicht. Diese Männer sinnvoll zu beschäftig­en – eventuell sogar mit ganz normaler Erwerbsarb­eit – wäre die wirksamste Maßnahme zur Erhöhung des allgemeine­n Sicherheit­sgefühls.

„Soziale Durchmisch­ung“war einst der Lieblingsb­egriff von Wiens Sozialdemo­kraten. In Favoriten wurde dieses Konzept still und leise aufgegeben, der autochthon­e Mittelstan­d hat den Rückzug angetreten. Vielleicht ging es nicht anders, aber schade ist es trotzdem. Nicht bloß, weil der Zehnte vielen Wienern am Herzen liegt. Auch die Zuwanderer brauchten ein bisschen österreich­ischen Alltag, damit sie wenigstens wüssten, wohin sie sich allenfalls integriere­n könnten.

Favoriten feiert heuer sein 150-JahrJubilä­um als Wiener Bezirk. Die Zahl der Polizisten sollte nicht das Einzige sein, worüber sich die Politik aus diesem Anlass den Kopf zerbricht.

‘‘ In der Wiener Kriminalst­atistik liegt Favoriten nicht einsam an der Spitze, sondern im Mittelfeld.

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Zur Autorin: Rosemarie Schwaiger ist freie Journalist­in und Autorin. Sie lebt in Wien und im Burgenland.

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