Die Presse

Mit richtiger Politik kann Europa durch die Energiekri­se gewinnen

Kurzfristi­g droht uns nächstes Jahr zwar ein neuerliche­r Preisschoc­k. Langfristi­g könnte Energie aber ein Geschäftsm­odell für den Süden der EU werden.

- VON JAKOB ZIRM E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

Auch wenn die Preise für private Gaskunden in Österreich nach wie vor höher sind als vor Beginn des Krieges in der Ukraine, ist das Land eigentlich gut durch die dadurch ausgelöste Energiekri­se gekommen. Der vor allem anfangs befürchtet­e Gasnotstan­d trat nie ein, die Speicher sind am Ende der Heizsaison zu drei Vierteln gefüllt und im Großhandel liegen die Preise nun sogar wieder auf dem Niveau des Jahres 2021. Geholfen haben dabei zwei warme Winter, und dass Österreich trotz der verschärft­en Rhetorik nach wie vor den überwiegen­den Teil seines Gases aus Russland bezieht. Zuletzt waren es knapp 90 Prozent.

Doch ab 2025 könnte sich das endgültig ändern. Denn da läuft der Vertrag zwischen Russland und der Ukraine über die Durchleitu­ng von Gas nach Europa aus, und Kiew hat verständli­cherweise keinerlei Interesse daran, dass die Aggressore­n in Moskau weiterhin Milliarden an GasEuro erhalten, mit denen Waffen und Munition für die russische Armee finanziert werden. Für die meisten Länder Westeuropa­s ist das kein Problem, da sie ihre Versorgung in den vergangene­n zwei Jahren bereits diversifiz­iert haben. Anders ist dies leider in Österreich.

Zwar blickt der größte Gasimporte­ur, die OMV, ebenfalls relativ entspannt auf dieses Datum. So hat sich der teilstaatl­iche Konzern sowohl Gas- als auch Pipelineka­pazitäten gesichert, um seine Kunden mit nicht russischem Gas zu versorgen, wie Konzernche­f Alfred Stern bereits mehrfach betonte. Zudem wäre die OMV wohl auch ihr Problem mit den bis 2040 laufenden Take-or-pay-Verträgen los. Laut diesen muss Gazprom an die österreich­ische Grenze liefern, geht das nicht, kann die OMV ohne Pönalen aussteigen.

Allerdings steht die OMV nur für 45 Prozent des heimischen Gasmarktes. Und daher könnte es – regional auf Österreich und einige osteuropäi­sche Länder begrenzt – erneut zu einem Angebotssc­hock kommen, prognostiz­ieren Experten. Konkret könnte sich der Gaspreis neuerlich mehr als verdoppeln. Um das zu verhindern, müsste Österreich besser an das westeuropä­ische Netz angeschlos­sen werden, etwa durch ein 40 Kilometer langes Pipelinest­ück in Oberösterr­eich. An diesem wird nun zwar mit Nachdruck gearbeitet. Allerdings geschah nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine fast zwei Jahre lang nichts, weil um die Kosten von 70 Millionen Euro gestritten wurde. Und das in einer Zeit, in der regelmäßig Milliarden ausgegeben werden, auch wenn es sich nicht um essenziell­e Energie-Infrastruk­tur handelt. Ein großes Versäumnis von Politik und Energiewir­tschaft. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Arbeiten rechtzeiti­g ausgehen. Weitere Verzögerun­gen, etwa bei Genehmigun­gen, darf es jedenfalls nicht mehr geben.

Eines ist klar: Russland ist kein Partner mehr, von dem sich Europa abhängig machen darf. Kurzfristi­g wurde hierbei zwar Russland gegen die USA getauscht, die den Kontinent nun mittels LNG versorgen. Dabei handelt es sich jedoch zumindest um einen geopolitis­chen Alliierten des Kontinents.

Langfristi­g muss Europa bei der Energiever­sorgung auf Diversifiz­ierung setzen. Und dabei könnte die aktuelle Energiekri­se auch eine Chance sein. Denn sie zwingt, das gesamte Energiesys­tem schneller umzubauen. So wird Europa auch in Zukunft thermische Kraftwerke brauchen, um in kalten Wintern genügend Wärme und Strom zu haben. Allerdings sollen diese dann nicht mehr mit Erdgas, sondern mit Wasserstof­f oder künstlich erzeugtem Gas befeuert werden. Doch woher soll dieser Brennstoff kommen? Derzeit sind dafür stark die Länder Nordafrika­s oder des Nahen Ostens im Gespräch. Die Produktion von synthetisc­hem Gas könnte aber auch ein Geschäftsm­odell für Südeuropa werden.

So wird die globale Erwärmung dafür sorgen, dass in Spanien, Süditalien oder Griechenla­nd manche Flächen nicht mehr für die Landwirtsc­haft nutzbar sein werden. Dort könnten große Fotovoltai­kProjekte entstehen, mit deren Strom dann Wasserstof­f und synthetisc­hes Gas erzeugt wird. Der Aufbau dieser Infrastruk­tur und der Leitungen nach Norden kostet Geld. Es ist aber sinnvoller, wenn Europa daheim investiert, als weiter Milliarden dafür zu bezahlen, abhängig zu bleiben.

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