Ein 160-jähriges Abtreibungsgesetz
Das Höchstgericht von Arizona erklärt die bisher gültige Fristenlösung für gesetzeswidrig: Damit werden Abtreibungen quasi unmöglich. Das Thema bestimmt die Präsidentschaftswahl.
Die Zukunft der Abtreibungsgesetzgebung in den USA sieht ziemlich alt aus. Das Höchstgericht des Bundesstaats Arizona erklärte am Dienstag, dass die bisher gültige 15-Wochen-Fristenlösung für Schwangerschaftsabbrüche ungültig sei – und aktivierte damit ein anderes Gesetz, nämlich aus dem Jahr 1864. Arizona war damals noch nicht einmal ein Bundesstaat, und Frauen und Medizinern war es verboten, Schwangerschaften zu beenden.
Die konservative Mehrheit der Höchstrichter in Arizona argumentiert, dass mit dem Ende der bundesweiten Abtreibungsregelung auch die Fristenlösung des Bundesstaats nicht mehr gültig sein könne. Der Supreme Court in Washington, D. C. hatte die Legalisierung von Abtreibungen im Sommer 2022 gekippt. Seitdem setzen immer mehr Bundesstaaten äußerst restriktive Regelungen um – ein Projekt, das republikanische Politiker und konservative Aktivisten seit Jahrzehnten verfolgt hatten. Nun wird es auch in Arizona Realität. Nach dem Richterspruch können Abtreibungen nur in einem einzigen Fall durchgeführt werden: wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Ansonsten setzt es bis zu fünf Jahre Haft.
Trump macht Haltung klar
Der Entscheid kommt kurz nachdem Donald Trump, Kandidat der Republikaner für die kommende Präsidentschaftswahl, seine Haltung in Sachen Abtreibungspolitik klargemacht hatte. Sie solle weiterhin von den Bundesstaaten gehandhabt werden, ließ der Ex-Präsident wissen.
Die Angelegenheit ist für die Republikaner heikel. Seitdem der Supreme Court die bundesweite Regelung gekippt hat, strafen die Amerikaner die Partei an der Wahlurne dafür ab. Die Demokraten hoffen, auch bei der Präsidentschaftswahl im November dadurch punkten zu können. Präsident und Kandidat Joe Biden hat eine Neuordnung des Abtreibungsrechts schon längst zu einem seiner Haupt-Wahlkampfthemen auserkoren; Trump hingegen sucht nach einem Vizepräsidentschaftskandidaten, der eine halbwegs liberale Haltung in Sachen Frauengesundheit mitbringt, um Wähler nicht weiter zu verschrecken.
Gespaltener Bundesstaat
Der Fall in Arizona ist nicht nur wegen seiner Härte brisant, sondern auch, weil der Bundesstaat politisch tief gespalten ist. Einst war er zutiefst republikanisch; Senator John McCain kam von hier. Doch mit dem Zuzug junger Menschen in die schnell wachsenden urbanen Zentren Arizonas gibt es plötzlich eine starke progressive Bewegung.
Heuer vergibt der Bundesstaat einen Senatssitz, und die Spaltung könnte nicht offensichtlicher sein: Die republikanische Kandidatin, Ex-TV-Moderatorin und TrumpAnhängerin Kari Lake, behauptet nach wie vor, die Präsidentschaftswahl 2020 sei geschoben worden. Der Demokrat, Militärveteran Ruben Gallego, will liberalere Grenzpolitik machen.
Wie es für Frauen und Ärzte in Arizona weitergeht, ist offen. Die Gouverneurin und die Justizministerin, beides Demokratinnen, wollen den Richterspruch nicht umsetzen. Er soll in zwei Wochen gültig werden. Ein weiterer Rechtsstreit dürfte folgen.