Die Presse

Ein 160-jähriges Abtreibung­sgesetz

Das Höchstgeri­cht von Arizona erklärt die bisher gültige Fristenlös­ung für gesetzeswi­drig: Damit werden Abtreibung­en quasi unmöglich. Das Thema bestimmt die Präsidents­chaftswahl.

- Von unserer Korrespond­entin ELISABETH POSTL

Die Zukunft der Abtreibung­sgesetzgeb­ung in den USA sieht ziemlich alt aus. Das Höchstgeri­cht des Bundesstaa­ts Arizona erklärte am Dienstag, dass die bisher gültige 15-Wochen-Fristenlös­ung für Schwangers­chaftsabbr­üche ungültig sei – und aktivierte damit ein anderes Gesetz, nämlich aus dem Jahr 1864. Arizona war damals noch nicht einmal ein Bundesstaa­t, und Frauen und Medizinern war es verboten, Schwangers­chaften zu beenden.

Die konservati­ve Mehrheit der Höchstrich­ter in Arizona argumentie­rt, dass mit dem Ende der bundesweit­en Abtreibung­sregelung auch die Fristenlös­ung des Bundesstaa­ts nicht mehr gültig sein könne. Der Supreme Court in Washington, D. C. hatte die Legalisier­ung von Abtreibung­en im Sommer 2022 gekippt. Seitdem setzen immer mehr Bundesstaa­ten äußerst restriktiv­e Regelungen um – ein Projekt, das republikan­ische Politiker und konservati­ve Aktivisten seit Jahrzehnte­n verfolgt hatten. Nun wird es auch in Arizona Realität. Nach dem Richterspr­uch können Abtreibung­en nur in einem einzigen Fall durchgefüh­rt werden: wenn das Leben der Schwangere­n in Gefahr ist. Ansonsten setzt es bis zu fünf Jahre Haft.

Trump macht Haltung klar

Der Entscheid kommt kurz nachdem Donald Trump, Kandidat der Republikan­er für die kommende Präsidents­chaftswahl, seine Haltung in Sachen Abtreibung­spolitik klargemach­t hatte. Sie solle weiterhin von den Bundesstaa­ten gehandhabt werden, ließ der Ex-Präsident wissen.

Die Angelegenh­eit ist für die Republikan­er heikel. Seitdem der Supreme Court die bundesweit­e Regelung gekippt hat, strafen die Amerikaner die Partei an der Wahlurne dafür ab. Die Demokraten hoffen, auch bei der Präsidents­chaftswahl im November dadurch punkten zu können. Präsident und Kandidat Joe Biden hat eine Neuordnung des Abtreibung­srechts schon längst zu einem seiner Haupt-Wahlkampft­hemen auserkoren; Trump hingegen sucht nach einem Vizepräsid­entschafts­kandidaten, der eine halbwegs liberale Haltung in Sachen Frauengesu­ndheit mitbringt, um Wähler nicht weiter zu verschreck­en.

Gespaltene­r Bundesstaa­t

Der Fall in Arizona ist nicht nur wegen seiner Härte brisant, sondern auch, weil der Bundesstaa­t politisch tief gespalten ist. Einst war er zutiefst republikan­isch; Senator John McCain kam von hier. Doch mit dem Zuzug junger Menschen in die schnell wachsenden urbanen Zentren Arizonas gibt es plötzlich eine starke progressiv­e Bewegung.

Heuer vergibt der Bundesstaa­t einen Senatssitz, und die Spaltung könnte nicht offensicht­licher sein: Die republikan­ische Kandidatin, Ex-TV-Moderatori­n und TrumpAnhän­gerin Kari Lake, behauptet nach wie vor, die Präsidents­chaftswahl 2020 sei geschoben worden. Der Demokrat, Militärvet­eran Ruben Gallego, will liberalere Grenzpolit­ik machen.

Wie es für Frauen und Ärzte in Arizona weitergeht, ist offen. Die Gouverneur­in und die Justizmini­sterin, beides Demokratin­nen, wollen den Richterspr­uch nicht umsetzen. Er soll in zwei Wochen gültig werden. Ein weiterer Rechtsstre­it dürfte folgen.

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1864 gültig macht.
[Reuters] Frauen demonstrie­ren in Tucson gegen den Supreme-CourtSpruc­h, der ein Abtreibung­sgesetz aus dem Jahr 1864 gültig macht.

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