Fall Ott: Die Rolle des zweiten Mannes
Außer Egisto Ott soll sich auch dessen früherer Schwiegersohn an Spionage-Aktivitäten zugunsten von Russland beteiligt haben. Sichergestellte Chats liefern aber keinen handfesten Beweis. Und für eine U-Haft reichte es zuletzt nicht.
Am Karfreitag waren beide Männer festgenommen worden. Am Ostermontag (1. April) hatten sich dann deren Wege getrennt : Der frühere Staatsschutzbeamte Egisto Ott (61), die Zentralfigur der Spionageaffäre um den mutmaßlichen Verkauf von Geheiminformationen an Russland, wurde in U-Haft genommen. Übrigens zum zweiten Mal nach sechs Wochen U-Haft im Jahr 2021. Der zweite Mann, Otts früherer Schwiegersohn, ein 51-jähriger Angestellter aus Wien, wurde auf freien Fuß gesetzt. Er selbst gibt an, ohne sein Wissen in diesen Spionagekrimi hineingezogen worden zu sein.
Während Ott als früherer Mitarbeiter des Verfassungsschutzes seit 2017 auf geheime Datenbanken zugegriffen haben soll, um für den mutmaßlichen Russland-Spion Jan Marsalek Informationen zu beschaffen, blieb der 51-Jährige bisher im Schatten. Ott selbst nimmt seinen Ex-Schwiegersohn in Schutz. Dieser hänge nicht in der Affäre mit drinnen. Allerdings: Ott hat bisher auch in eigener Sache kein Geständnis abgelegt.
Welche Rolle wird dem ExSchwiergersohn von der Staatsanwaltschaft zugeschrieben? Einfache Antwort: Dieser soll seine Wiener Wohnung zu Spionagezwecken zur Verfügung gestellt haben. Doch dies ist bisher unbewiesen. Die Beamten der vom Innenministerium eingerichteten Ermittlergruppe „AG Fama“sagen dem 51-Jährigen in einem als Verschlussakt eingestuften Anlassbericht nach, er habe sich zuletzt „äußerst konspirativ und vorsichtig verhalten“.
Wohnung für die Familie
Dazu muss man aber wissen, dass die erwähnte Wohnung, in einem schmucklosen Wohnklotz in Wien Floridsdorf gelegen, alles andere als ein getarntes Spionagenest war. Es handelt sich (nach wie vor) um die Familienwohnung des 51-Jährigen. Dieser lebt dort mit seiner früheren Frau (Otts Tochter) und weiteren Familienmitgliedern.
Laut der den Ex-Schwiegersohn betreffenden Festnahmeanordnung werden folgende Verdachtsmomente aufgelistet: Am 10. Juni, am 12. August und am 19. November 2022 soll es in der Floridsdorfer Wohnung zu Übergaben von Handys, eines SINA-Laptops (ein solches Gerät wird gern von Geheimdiensten benutzt, da es über eine ausgefeilte Verschlüsselungstechnologie verfügt) und von Bargeld gekommen sein.
Im Einzelnen: Beim Juni-Termin sollen drei Mobiltelefone in die Hände des bulgarischen Agenten D. gefallen sein. Und zwar jene drei Mobiltelefone, die hochrangigen Beamten des österreichischen Innenministeriums gehört hatten, aber 2017 bei einem Bootsausflug des Ministeriums im Wasser gelandet waren (ein Kanu war gekentert). Später soll Ott dafür gesorgt haben, dass die Geräte als defekt dargestellt und „abgezweigt“werden. Ott bestreitet dies.
Der erwähnte Bulgare D. gehörte einer Fünfergruppe an, die für Russland spionierte und in engem Austausch mit Marsalek stand. Inzwischen ist das Quintett in Großbritannien in Gewahrsam. Laut einem Papier des britischen Anti-Terror-Netzwerks Counter Terrorism Policing wurden zwischen Marsalek und dem Kopf der BulgarenGruppe, R., innerhalb von drei Jahren 80.000 Botschaften ausgetauscht. Wesentliche Teile dieser Chats liegen der „Presse“vor.
Zurück zu den drei Handys. Wie die Geräte in die Verfügungsmacht des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB gelangt sein könnten, lässt sich aus eben diesen Chats zwischen Marsalek und R. ableiten. Gleich vorweg: Mit Blick auf den 51Jährigen formuliert die Staatsanwaltschaft Wien vorsichtig. Es müsse „davon ausgegangen werden“, dass dieser von der geplanten Handy-Übergabe informiert gewesen sei. Explizite Belege dafür sind bisher nicht aufgetaucht.
Als Bote verkleidet
Laut Chats wurde eine Agentenklamotte organisiert. Zuerst meldete Marsalek an R.: „Phones are ready for pickup in Vienna.“Daraufhin setzte R. den Agenten D. in Marsch. Der sollte sich an der Wohnungstür als Mitarbeiter des Botendiensts DHL ausgeben. Die genaue Adresse der Floridsdorfer Bleibe war Marsalek bekannt. Er hatte diese seinem Chatpartner R. vorsorglich gesteckt. Alles nahm seinen Lauf. Der „falsche“DHL-Mann nahm offenbar an der Wohnungstür die drei Handys entgegen. Bei diesem Szenario brauchte es also nur jemanden, der dem verkleideten Agenten D. die Türe öffnete. Und hier setzt die Verteidigung des 51-Jährigen an.
Dieser wird von der Anwältin Stephanie Kramberger und dem Anwalt Andreas Schweitzer vertreten. Die beiden weisen im „Presse“Gespräch daraufhin, dass Ott den Schlüssel zur Wohnung seines Schwiegersohns gehabt habe. Und dass Letzterer samt Familie zu den drei genannten Übergabezeiten (Juni, August, November 2022) gar nicht in Wien gewesen sei. Daher: „Die Vorwürfe sind falsch.“Der Beschuldigte habe auch seine Wohnung „nicht zur Verfügung gestellt“. Aus den Chats gehe auch nicht hervor, dass es sich überhaupt um die drei Innenministeriums-Handys gehandelt habe.
Beim August-Termin handelte es sich, so der Verdacht, um eine Bargeldübergabe. Welcher Betrag in die Wohnung getragen worden sein soll und zu welchem Zweck, steht noch nicht fest. Das Bargeld kam laut Chats in einem McDonald’s-Sack.
Schließlich wurde im November der bereits erwähnte SINAComputer abgeholt. Und Bargeld geliefert. Wieder ist in den Chats von „McDonald’s delivery“die Rede. Ott soll 20.000 Euro kassiert haben. Freilich gilt für ihn die Unschuldsvermutung.
Ende März wurden übrigens zwei weitere SINA-Laptops bei Ott sichergestellt. Einer in Wien (originalverpackt, versteckt hinter einer Küchensockelleiste) und einer in Kärnten. Ott soll angegeben haben, von fünf SINA-Computern zu wissen. Einer sei im Ausland, einer bei einem seiner Mitarbeiter und einer bei einem Journalisten.
Und Otts Ex-Schwiegersohn? Er, der zweite Mann, kommt zumindest in den Chats nicht als aktiver Mitspieler vor. Als er zuletzt in Erscheinung trat, ging es um etwas anderes: Er hatte am 2. Februar 2021 der Polizeiinspektion Feistritz acht Waffen übergeben, die Ott in einem Tresor im Keller seines Kärntner Hauses gelagert hatte.