Die Presse

Böhler: Personal wirbt um Patienten

Durch das eingeschrä­nkte Leistungsa­ngebot suchen kaum noch Personen das Krankenhau­s auf. Die Bevölkerun­g dürfe das Krankenhau­s Böhler aber nicht „vergessen“.

- VON KÖKSAL BALTACI

„Das Lorenz-Böhler-Krankenhau­s hat nicht geschlosse­n, ein ambulanter Betrieb findet weiterhin statt“, heißt es in einer der zahlreiche­n Textnachri­chten des Personals, die an Freunde, Familie und Bekannte geschickt werden – jeweils mit der Bitte um Weiterleit­ung. „Kommt vorbei, wenn ihr einen Unfall habt. Und meldet euch bei uns, wenn euch irgendetwa­s wehtut. Egal, ob Hand, Fuß, Knie oder Ellbogen.“Im Lorenz Böhler erfolge eine „rasche und unkomplizi­erte Abklärung“mit Röntgen, MRT, Ultraschal­l und CT. „Wir brauchen hier weiterhin eine hohe Patientenz­ahl. Meldet euch gerne“, heißt es in den Nachrichte­n weiter. „Und bitte unbedingt weitersage­n, dass es uns nach wie vor gibt.“

Dass Ärzte und Pflegekräf­te per SMS, WhatsApp, E-Mail und in sozialen Medien die Bevölkerun­g dazu aufrufen, ihr Spital aufzusuche­n und sich dort untersuche­n bzw. behandeln zu lassen, ist in Wien wahrlich nichts Alltäglich­es. Bekannterm­aßen sind de facto alle Krankenhäu­ser, die öffentlich­en ebenso wie die privaten und die Ordensspit­äler, ausgelaste­t und leiden zudem an einem Personalma­ngel.

Umsiedlung abgeschlos­sen

Hintergrun­d des Aufrufs im Lorenz Böhler (Traumazent­rum Brigittena­u) ist die vergangene Woche abgeschlos­sene Umsiedlung sämtlicher stationäre­r Leistungen in das Traumazent­rum Meidling, ins AKH und in die Privatklin­ik Confratern­ität. Diese wurde notwendig, nachdem eklatante Mängel beim Brandschut­z festgestel­lt worden waren – das Gebäude hätte einem ausgebroch­enen Feuer nur kurze Zeit standgehal­ten, für Patienten und Personal sei „Gefahr im Verzug“gewesen.

Alle Operatione­n sowie Nachbehand­lungen finden künftig ausschließ­lich in diesen drei Kliniken statt, durchgefüh­rt werden sie teilweise vom Personal des Lorenz Böhler (Confratern­ität und Meidling), teilweise von jenem der Spitäler selbst (AKH, hier werden die Operatione­n von AKH-Personal durchgefüh­rt, den Betrieb der Normalund Intensivst­ationen übernehmen Böhler-Mitarbeite­r). Und zwar so lang, bis auf dem Areal des Lorenz Böhler (da, wo sich derzeit ein Parkdeck befindet) ein Container-Spital errichtet wird, in welches das Personal zurückkehr­en und dort seine Arbeit wieder aufnehmen kann. Anfang 2025 werde es so weit sein, derzeit ist das Vergabever­fahren im Gange.

In den Containern sollen dann in den kommenden Jahren (das Konzept sieht die Fertigstel­lung in sieben Jahren vor) sämtliche bisher durchgefüh­rten Leistungen des Lorenz Böhler wieder angeboten werden, ehe nach der Fertigstel­lung des neuen Gebäudes (seitens der AUVA, also der Allgemeine­n Unfallvers­icherungsa­nstalt, ist von einem Gesundheit­scampus mit Forschungs­möglichkei­ten die Rede) das Personal seine Arbeit wieder dort aufnimmt.

Hier kommen die besagten Aufrufe an die Bevölkerun­g ins Spiel.

Um diese langfristi­ge Strategie, die sich die Belegschaf­t des Lorenz Böhler nach einem wochenlang­en Streit mit der AUVA-Führung inklusive Protestkun­dgebungen und Streikdroh­ung erkämpft hat, nicht zu gefährden, darf das Böhler nicht „vergessen“werden. So drückt es einer der Ärzte gegenüber der „Presse“aus. Denn seit der Umsiedlung des Spitals in die drei erwähnten Krankenhäu­ser hat der Betrieb im Böhler stark nachgelass­en, Patienten suchen die Ambulanz nur vereinzelt auf.

Die einen, weil viele denken, das Spital sei gänzlich geschlosse­n. Die anderen, weil sie wissen, dass dort nur ambulante Leistungen erbracht werden, also im Wesentlich­en „nur“Abklärunge­n. Ernsthaft verletzte Patienten werden ohnehin in das Traumazent­rum Meidling (in dem eine eigene „Station Böhler“mit 34 Betten eingericht­et wurde, eine Ausweitung auf 50 ist geplant) oder ins AKH weiterverm­ittelt. Daher ist es nicht überrasche­nd, dass Patienten direkt in eines dieser Spitäler gehen, um bei Bedarf dort gleich aufgenomme­n und behandelt zu werden.

Extrem anstrengen­de Zeit

Sollte dieser Trend anhalten, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die AUVA-Führung die Frage in den Raum stellt, warum dort ambulante Leistungen weiterhin angeboten und somit personelle Ressourcen vergeudet werden sollen. Daher setzt das Personal derzeit alles daran, dass die Bevölkerun­g die verblieben­en Leistungen, also eine Untersuchu­ng bzw. Behandlung von verletzten Personen, die von sich aus kommen, weiterhin in Anspruch nimmt. Von der Rettung wird das Lorenz Böhler logischerw­eise nicht mehr angefahren.

AUVA-Generaldir­ektor Alexander Bernart zufolge hat die Übersiedlu­ng im Übrigen gut funktionie­rt. Ob man in den vergangene­n Wochen etwas anders machen hätte können, werde geprüft. „Natürlich werden wir das aufarbeite­n“, sagt er. Dass die Belastunge­n vor allem für Mitarbeite­r hoch waren, sei unbestritt­en. „Es war eine extrem anstrengen­de Zeit.“

 ?? [APA/Hochmuth] ?? Christian Fialka (li.), Ärztlicher Leiter in Meidling, mit Thomas Hausner, Stv. Ärztlicher Leiter des Lorenz Böhler.
[APA/Hochmuth] Christian Fialka (li.), Ärztlicher Leiter in Meidling, mit Thomas Hausner, Stv. Ärztlicher Leiter des Lorenz Böhler.

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