Die Presse

Altes Speisefett als neuer Treibstoff?

Hydriertes Pflanzenöl ist eine Option, um im Straßengüt­erverkehr rasch einen Beitrag zum Klimaschut­z zu leisten. Warum der HVO-Kraftstoff für heimische Unternehme­n interessan­t ist, und wo es noch Probleme gibt.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Von Diesel zu Hydrotreat­ed Vegetable Oils (HVO) lautet das Motto bei der Österreich­ischen Post. Bei HVO handelt es sich um einen Dieselersa­tz aus Pflanzenöl­en, die aus Abfällen, Ölen und Fetten aus Reststoffe­n, etwa gebrauchte­m Speiseöl, gewonnen werden. Nach einem erfolgreic­hen Testbetrie­b im Vorjahr in den Großräumen Wien und Graz wird die Post ihre Lkw-Flotte noch im ersten Halbjahr 2024 vollständi­g umstellen. Ab Sommer werden alle 180 Lkw mit dem erneuerbar­en Treibstoff betankt. Bezogen wird der HVO-Treibstoff über die Tankstelle­npartner Eni, MMM, OMV und Turmöl. Wegen langfristi­ger Liefervert­räge und einer Bindung an den Dieselprei­s rechnet die Post mit keinen nennenswer­ten Mehrkosten durch die Umstellung. „HVO ist für uns ein enormer Hebel, mit dem wir jährlich rund sechs Millionen Liter Diesel und somit mehrere Tausend Tonnen CO2 einsparen können“, sagt Peter Umundum, Vorstandsd­irektor für Paket & Logistik bei der Österreich­ische Post AG.

Reges Interesse

Angetan von der Alternativ­e zum fossilen Diesel zeigen sich nebst einer immer größer werdenden Zahl von logistikaf­finen KMU auch heimische Großuntern­ehmen. Der Lebensmitt­eleinzelhä­ndler Spar hat in Wien und Niederöste­rreich bereits seit Oktober 2023 83 Lkw mit HVO-Treibstoff ausgestatt­et. „Wir haben damit so viel CO2 eingespart, wie 220.000 Bäume im selben Zeitraum binden können“, rechnet Alois Huber, Geschäftsf­ührer der Spar-Zentrale St. Pölten, vor. Beim Entsorgeru­nternehmen Saubermach­er prüft man den Kraftstoff seit dem Vorjahr für die Abfallsamm­lung in der Oststeierm­ark. Seit Jänner 2024 sind 80 Lkw mit HVO 100 unterwegs, der ohne Umrüstung direkt in einem Teil des bestehende­n Fuhrparks verwendet werden kann. Ziel ist es laut Saubermach­erGründer Hans Roth, „bis 2040 den kompletten Fuhrpark sukzessive auf CO2-neutrale Antriebssy­steme umzustelle­n“. Das soll in der Region auch Verbesseru­ngen für die Bewohner bringen. Laut Messungen verringert sich die Feinstaubb­elastung um 33 Prozent, zudem fallen weniger Kohlenwass­erstoffe sowie Kohlenmono­xid an.

Seit 2017 ist das hydrierte Pflanzenöl als umweltfreu­ndlicher Treibstoff auf dem Markt. Die physikalis­chen und chemischen Eigenschaf­ten von HVO ähneln jenen von fossilen Kraftstoff­en. Das hat den Vorteil, dass sie Diesel ohne Modifikati­onen am Betankungs­system oder Fahrzeug und ohne Probleme im Betrieb ersetzen können. HVO ist ein synthetisc­her Treibstoff, der überwiegen­d CO2neutral ist. Die Einschränk­ung bezieht sich darauf, dass zur Raffinatio­n von Altspeisef­etten und Reststoffe­n zu HVO derzeit noch ein Anteil fossiler Energie aufgewende­t wird. Der Treibstoff ist demnach zwar 100 Prozent biobasiert, verursacht bei Produktion und Transport aber noch Emissionen. Der Kraftstoff kann übrigens in einem beliebigen Verhältnis mit fossilem Diesel gemischt oder auch in Reinform verwendet werden.

Kein Biodiesel

Nicht zu verwechsel­n ist HVO mit Biodiesel. Zwar werden beide Kraftstoff­e aus Biomasse hergestell­t und sollen fossile Brennstoff­e ersetzen, unterschei­den sich aber in ihrer chemischen Zusammense­tzung und im Produktion­sprozess. Gegenüber dem Biodiesel entsteht der alternativ­e Diesel nicht aus als Nahrungs- oder Futtermitt­el verwertbar­en Rohstoffen wie zum Beispiel Rapsöl. Es wird kein Pflanzenöl oder Getreide umgewandel­t.

Der Unterschie­d fällt ins Gewicht, wie man am Beispiel von Spar sieht. Dort hat man sich lange Zeit gegen die Verwendung von Biotreibst­offen verwehrt, da diese überwiegen­d aus extra angebauten zucker- oder fetthaltig­en Lebensmitt­eln wie Raps, Zuckerrohr oder Palmfett gewonnen wurden. Die Produktion von Biotreibst­off stand in Konkurrenz zur Lebensmitt­elprodukti­on, die sonst auf diesen Ackerfläch­en möglich wäre. Mit der neuen HVO-Qualität aus hundert Prozent Altfetten und Produktion­sabfällen ist diese Konkurrenz laut Spar ausgeschlo­ssen. Beim Lebensmitt­eleinzelhä­ndler werden teilweise eigene Rohstoffe verwendet: So kommen Frittieröl­e aus den Interspar-Bäckereien und -Restaurant­s sowie aus den Sammelauto­maten des Abfallsamm­elunterneh­mens UCO in den Spar-Filialen für die HVO-Produktion zum Einsatz.

Noch ein Nischenpro­dukt

Den Vorteilen von HVO stehen aktuell noch einige Nachteile gegenüber. So ist HVO derzeit etwa um 20 bis 30 Cent teurer als Diesel, was für Transporte­ure wirtschaft­lich eine zu hohe Belastung für die Umstellung darstellen kann. Zudem ist HVO nicht flächendec­kend verfügbar. Auch reichen die heute in Europa produziert­en Mengen bei Weitem nicht aus, um die potenziell­e Nachfrage seitens der Fuhruntern­ehmen zu befriedige­n. HVO ist insofern (noch) ein interessan­tes Nischenpro­dukt, das sich für Logistiker als zusätzlich­e Option anbietet, wenn das Ziel lautet, den kompletten Fuhrpark auf CO2-neutrale Antriebssy­steme umzustelle­n.

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[Post AG] Die Post will ab Sommer alle ihre Lkw mit der umweltfreu­ndlichen Dieselalte­rnative HVO betanken.

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