Altes Speisefett als neuer Treibstoff?
Hydriertes Pflanzenöl ist eine Option, um im Straßengüterverkehr rasch einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Warum der HVO-Kraftstoff für heimische Unternehmen interessant ist, und wo es noch Probleme gibt.
Von Diesel zu Hydrotreated Vegetable Oils (HVO) lautet das Motto bei der Österreichischen Post. Bei HVO handelt es sich um einen Dieselersatz aus Pflanzenölen, die aus Abfällen, Ölen und Fetten aus Reststoffen, etwa gebrauchtem Speiseöl, gewonnen werden. Nach einem erfolgreichen Testbetrieb im Vorjahr in den Großräumen Wien und Graz wird die Post ihre Lkw-Flotte noch im ersten Halbjahr 2024 vollständig umstellen. Ab Sommer werden alle 180 Lkw mit dem erneuerbaren Treibstoff betankt. Bezogen wird der HVO-Treibstoff über die Tankstellenpartner Eni, MMM, OMV und Turmöl. Wegen langfristiger Lieferverträge und einer Bindung an den Dieselpreis rechnet die Post mit keinen nennenswerten Mehrkosten durch die Umstellung. „HVO ist für uns ein enormer Hebel, mit dem wir jährlich rund sechs Millionen Liter Diesel und somit mehrere Tausend Tonnen CO2 einsparen können“, sagt Peter Umundum, Vorstandsdirektor für Paket & Logistik bei der Österreichische Post AG.
Reges Interesse
Angetan von der Alternative zum fossilen Diesel zeigen sich nebst einer immer größer werdenden Zahl von logistikaffinen KMU auch heimische Großunternehmen. Der Lebensmitteleinzelhändler Spar hat in Wien und Niederösterreich bereits seit Oktober 2023 83 Lkw mit HVO-Treibstoff ausgestattet. „Wir haben damit so viel CO2 eingespart, wie 220.000 Bäume im selben Zeitraum binden können“, rechnet Alois Huber, Geschäftsführer der Spar-Zentrale St. Pölten, vor. Beim Entsorgerunternehmen Saubermacher prüft man den Kraftstoff seit dem Vorjahr für die Abfallsammlung in der Oststeiermark. Seit Jänner 2024 sind 80 Lkw mit HVO 100 unterwegs, der ohne Umrüstung direkt in einem Teil des bestehenden Fuhrparks verwendet werden kann. Ziel ist es laut SaubermacherGründer Hans Roth, „bis 2040 den kompletten Fuhrpark sukzessive auf CO2-neutrale Antriebssysteme umzustellen“. Das soll in der Region auch Verbesserungen für die Bewohner bringen. Laut Messungen verringert sich die Feinstaubbelastung um 33 Prozent, zudem fallen weniger Kohlenwasserstoffe sowie Kohlenmonoxid an.
Seit 2017 ist das hydrierte Pflanzenöl als umweltfreundlicher Treibstoff auf dem Markt. Die physikalischen und chemischen Eigenschaften von HVO ähneln jenen von fossilen Kraftstoffen. Das hat den Vorteil, dass sie Diesel ohne Modifikationen am Betankungssystem oder Fahrzeug und ohne Probleme im Betrieb ersetzen können. HVO ist ein synthetischer Treibstoff, der überwiegend CO2neutral ist. Die Einschränkung bezieht sich darauf, dass zur Raffination von Altspeisefetten und Reststoffen zu HVO derzeit noch ein Anteil fossiler Energie aufgewendet wird. Der Treibstoff ist demnach zwar 100 Prozent biobasiert, verursacht bei Produktion und Transport aber noch Emissionen. Der Kraftstoff kann übrigens in einem beliebigen Verhältnis mit fossilem Diesel gemischt oder auch in Reinform verwendet werden.
Kein Biodiesel
Nicht zu verwechseln ist HVO mit Biodiesel. Zwar werden beide Kraftstoffe aus Biomasse hergestellt und sollen fossile Brennstoffe ersetzen, unterscheiden sich aber in ihrer chemischen Zusammensetzung und im Produktionsprozess. Gegenüber dem Biodiesel entsteht der alternative Diesel nicht aus als Nahrungs- oder Futtermittel verwertbaren Rohstoffen wie zum Beispiel Rapsöl. Es wird kein Pflanzenöl oder Getreide umgewandelt.
Der Unterschied fällt ins Gewicht, wie man am Beispiel von Spar sieht. Dort hat man sich lange Zeit gegen die Verwendung von Biotreibstoffen verwehrt, da diese überwiegend aus extra angebauten zucker- oder fetthaltigen Lebensmitteln wie Raps, Zuckerrohr oder Palmfett gewonnen wurden. Die Produktion von Biotreibstoff stand in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion, die sonst auf diesen Ackerflächen möglich wäre. Mit der neuen HVO-Qualität aus hundert Prozent Altfetten und Produktionsabfällen ist diese Konkurrenz laut Spar ausgeschlossen. Beim Lebensmitteleinzelhändler werden teilweise eigene Rohstoffe verwendet: So kommen Frittieröle aus den Interspar-Bäckereien und -Restaurants sowie aus den Sammelautomaten des Abfallsammelunternehmens UCO in den Spar-Filialen für die HVO-Produktion zum Einsatz.
Noch ein Nischenprodukt
Den Vorteilen von HVO stehen aktuell noch einige Nachteile gegenüber. So ist HVO derzeit etwa um 20 bis 30 Cent teurer als Diesel, was für Transporteure wirtschaftlich eine zu hohe Belastung für die Umstellung darstellen kann. Zudem ist HVO nicht flächendeckend verfügbar. Auch reichen die heute in Europa produzierten Mengen bei Weitem nicht aus, um die potenzielle Nachfrage seitens der Fuhrunternehmen zu befriedigen. HVO ist insofern (noch) ein interessantes Nischenprodukt, das sich für Logistiker als zusätzliche Option anbietet, wenn das Ziel lautet, den kompletten Fuhrpark auf CO2-neutrale Antriebssysteme umzustellen.